Vision von Deutschlands Zukunft Wie 2045 nicht alles perfekt, aber doch anders ist


Die Skalitzer Straße in Berlin, ergrünt, weniger laut und weniger heiß.
(Foto: Jan Kamensky)
Klimawandel, Krieg, Autoritarismus - 2025 fällt vielen die Hoffnung auf eine bessere Welt schwer. Doch es gibt viele Ansätze, aus denen sich schon in 20 Jahren echte Lösungen entwickeln könnten.
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine, Waldbrände, Dürren und andere Naturkatastrophen, hohe Energie- und Lebensmittelpreise, ein Erstarken autoritärer Kräfte – da fällt ein zuversichtlicher Blick in die Zukunft schwer. Um dem totalen Krisenmodus etwas entgegenzusetzen, hat ein Autorenteam schon 2023 eine Vision von Deutschland im Jahr 2045 entworfen, in dem die heutigen Krisen der Vergangenheit angehören.
"Unser Ansporn war, etwas Konstruktives in den Ring zu werfen", sagt Lino Zeddies, einer der Autoren von "Zukunftsbilder 2045 - eine Reise in die Welt von morgen" im Gespräch mit ntv.de. "Bis 2045 ist eine Zeitspanne, die sich für viele noch so anfühlt, dass sie das selber erleben können und gleichzeitig schon so fern, dass vieles an Veränderungen denkbar ist." Entstanden ist eine imaginäre Reise quer durch Deutschland, die Schweiz und Österreich, ein Bilderbuch einer klimafreundlichen Gesellschaft von morgen.
Grundlage für diese Entwicklungsvision sind Lösungen, die es heute schon gibt. "Das nennen wir Realutopien, also Lösungen, Projekte oder Unternehmungen, die bereits real sind, aber diese utopische Qualität haben, und von denen viele auch gar nicht wissen, dass es sie gibt."
Wie werden wir essen?
Zeddies nennt als ein Beispiel die solidarische oder ökologische Landwirtschaft. "Da gibt es schon ganz viele unterschiedliche Lösungen, wie man mit der Natur arbeitet, den Boden verbessert, Tierwohl beachtet, gute Arbeitsverhältnisse schafft und die Preise solidarisch so gestaltet, dass es sich andere leisten können", sagt Zeddies über diesen wachsenden Zweig der Landwirtschaft.
Im Buch wird daraus die Vision, dass nach einer jahrelangen Superdürre eine regenerative Landwirtschaft die agrarindustriellen Strukturen von heute ablöst. Auf kleineren Flächen werden dort beispielsweise mit Biointensivfarmen und Permakultur gesündere Lebensmittel erzeugt und gleichzeitig Wildnis und Biodiversität Raum zurückgegeben. Massentierhaltung ist weitgehend verboten, mehr Menschen essen vegetarisch oder vegan.

(Foto: IMAGO/imagebroker)
Vom 6. bis 12. Oktober 2025 stellt RTL Deutschland den Schwerpunkt "Nachhaltig durch den Alltag" in den Mittelpunkt seiner Nachhaltigkeitswoche "Für mehr Leben". Dabei dreht sich alles um die Frage, wie wir unser tägliches Leben bewusster, ressourcenschonender und zukunftsfähiger gestalten können.
In Berlin wird in allen öffentlichen Einrichtungen bio, regional und saisonal gekocht. In allen Kiezen gibt es Kooperationsläden und Bauernmärkte, wo Gemüse, Fleisch und Obst verkauft werden, die nur etwa 100 Kilometer im Umkreis der Hauptstadt gewachsen sind. Statt Monokulturen hat Brandenburg vielfältige Mischwälder, wilde Wiesen und Äcker, die mit Hecken, Blüh- und Baumstreifen durchzogen sind. In Städten und Dörfern gibt es überall Gemeinschaftsgärten.
Schäden wirklich beheben
"Wir haben quasi das zur Norm gemacht, was gegenwärtig noch Randerscheinungen sind", sagt Zeddies. "Gleichzeitig sind diese Entwicklungen sehr im Kommen." Städte wappnen sich gegen intensive Hitzephasen zunehmend mit schattenspendenden Bäumen, Frischluftschneisen und begrünten Fassaden und Dächern. "Vor 20 Jahren gab es das noch kaum und jetzt sind einige Städte schon total begrünt, setzen auf Entsiegelung, nachhaltige Bauweisen und Gemeinschaftsgärten in Fußgängerzonen, wo vorher große Straßen waren."
Wie groß die Herausforderungen sind, lässt sich unter anderem daran ablesen, dass statt von einer nachhaltigen längst von einer regenerativen Zukunft gesprochen wird. Die Schäden an der Natur werden inzwischen als so groß angesehen, dass es nicht mehr ausreicht, keinen Schaden anzurichten. Stattdessen muss das Ziel sein, dass jede Art von Produktion oder jedes Bauvorhaben der Erde hilft, sich zu erholen.
Millionen nutzen kleine Hebel
Schul- und Bildungsideen für angstfreies und lebenslanges Lernen, Bürgerräte, in denen neue Lebensweisen diskutiert werden, Gemeinwohlbanken und Verantwortungseigentum, bei denen derjenige, der Schäden anrichtet, sie auch bezahlen muss, Schwammstädte, Waldgärten und Drohnen, die den Schutz des Regenwaldes sicherstellen. Die Liste der Ideen, in denen Lösungen für die Klimakrise schlummern, ist lang. "Wenn wir gar keine Vorstellung haben, wie es besser werden könnte, dann wird es wahrscheinlich nicht besser", so Zeddies.
Träume und positive Zukunftsvisionen sind dabei weit mehr als eine Flucht vor den Belastungen der Gegenwart. Sich auf Krisen zu konzentrieren, spaltet eine Gesellschaft eher und macht sie sogar dümmer, zeigt die psychologische Forschung. "Wir können dann weniger komplex denken und sind eher in einem primitiven Modus von Flucht oder Kampf. Die ganzen sozialen Funktionen unseres Nervensystems und Gehirns werden dagegen erst aktiviert, wenn wir uns richtig sicher fühlen", sagt Zeddies.
Das spreche dafür, dem Dauerstress von heute, der sich häufig in Burnout und hohen Krankenständen äußert, etwas Neues entgegenzusetzen. "Wir brauchen einen Kulturwandel, der mehr Wert auf Ruhe, Entspannung und Regeneration legt, weil uns das auch ermöglicht, uns auf Veränderungen einzulassen." Und man brauche Visionen, die Mut machen, die Kraft entfalten und Gemeinschaftssinn schaffen, obwohl allen klar ist, dass eine Kehrtwende schwierig bis unmöglich ist. "Das ist das Potenzial einer wirklich blühenden Demokratie, dass die Menschen viele Selbstwirksamkeitserfahrungen machen und dann Lust haben, ihre Nachbarschaft, Arbeitsumgebungen und die Gesellschaft aktiv mitzugestalten, statt nur alle vier Jahre ein Kreuz zu machen."
Zeddies, der ursprünglich VWL studierte und inzwischen als Berater für Transformation, Selbstorganisation und Visionsentwicklung bei dem von ihm mitgegründeten Thinktank "Reinventing Society" arbeitet, ist überzeugt, dass jeder und jede etwas verändern kann. "Es ist wichtig, dass man sich nicht von negativen großen globalen Veränderungen überwältigen lässt, sondern auch schaut, was kann ich tun? Sei es meinen Garten insektenfreundlicher machen, an der Schule meines Kindes oder an meinem Arbeitsplatz etwas positiv zu verändern. Das können kleine Dinge sein, wo man wirklich Hebel der Veränderung hat. Und wenn 80 Millionen Menschen in Deutschland diese kleinen Hebel nutzen, dann hätten wir morgen eine ganz andere Gesellschaft."
Quelle: ntv.de