Panorama

Der Keller wird zur Todesfalle Wie die Menschen in den Fluten sterben

Im Ahrtal liefen die Keller binnen Minuten voll.

Im Ahrtal liefen die Keller binnen Minuten voll.

(Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress)

Es ist eine Katastrophe, wie sie Deutschland lange nicht erlebt hat: Die Fluten kommen schnell und unerwartet. Wassermassen überrollen ganze Ortschaften in NRW und in der Eifel. Viele Einwohner können sich retten, doch für manche kommt jede Hilfe zu spät.

Wassermassen wälzen sich durch die Straßen, ganze Orte versinken in braunem Schlamm: In der Nacht zum Donnerstag ereilt die Menschen in der Eifel und in Teilen von Nordrhein-Westfalen die schlimmste Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg. Dauerregen verwandelt Flüsse und Bäche in reißende Ströme. Viele Einwohner können sich auf Häuserdächer retten, andere werden von den Fluten überrascht. Noch immer ist die Lage vielerorts unübersichtlich. Meldungen von Todesopfern reißen nicht ab. In NRW sterben mindestens 43 Menschen, in Rheinland-Pfalz mindestens 60. "Die Befürchtung ist, dass es noch mehr werden", sagt ein Sprecher des Polizeipräsidiums Koblenz. Immer noch werden Hunderte Personen vermisst.

Die Flut kam vielerorts sehr schnell. Binnen zehn Minuten standen Senken wie in Erftstadt unter Wasser. Es habe kaum Zeit gegeben, die Menschen zu warnen, sagt Frank Rock, Landrat des Rhein-Erft-Kreises, ntv. Häuser wurden unterspült und stürzten ein. Menschen waren auf überfluteten Straßen in ihren Autos eingeschlossen oder wurden von den Wassermassen mitgerissen. Im Kreis Heinsberg konnte die Feuerwehr drei schwer verletzte Menschen aus dem Fluss Wurm retten, die zu ertrinken drohten. Für andere kam jede Hilfe zu spät.

Im rheinland-pfälzischen Sinzig kamen in der Nacht auf Donnerstag zwölf Menschen mit Behinderung in einem Wohnheim ums Leben. Sie hätten das Gebäude nicht schnell genug verlassen können, die Fluten seien zu rasch gekommen, heißt es vom Innenministerium. "Die Bewohner waren nicht allein. Wir hatten eine Nachtwache im Nachbarhaus", sagt Geschäftsführer Stefan Möller der "Bild"-Zeitung. Doch als der Mitarbeiter die Bewohner evakuieren wollte, sei die Flutwelle gekommen. "Er kam nicht mehr raus und konnte keine Hilfe leisten."

Wassermassen reißen Menschen mit

Der Hochwasser führende Fluss Inde hat einen Deich in der Nähe des Braunkohletagebaus Inden bei Aachen überspült und läuft seit dem Morgen in den Tagebau. Ein Sprecher des Energieunternehmens RWE sagte, ein Mitarbeiter dort werde vermisst. Eine Suchaktion mit dem Hubschrauber blieb erfolglos.

Für zwei Feuerwehrmänner im Märkischen Kreis endeten ihre Einsätze tödlich. In Altena im Sauerland kam bei der Rettung eines Mannes nach dem Starkregen ein 46 Jahre alter Feuerwehrmann ums Leben. Er wurde von den Wassermassen fortgerissen und ertrank. Nur zwei Stunden später kollabierte ein 52 Jahre alter Feuerwehrmann bei einem Einsatz im Bereich des Kraftwerks Werdohl-Elverlingsen. Er sei am Mittwochabend trotz Reanimations- und Hilfsmaßnahmen gestorben, teilte die Polizei mit. Die Polizei geht von einem gesundheitlichen Notfall aus.

Für viele Menschen wurde das Untergeschoss des eigenen Hauses zur Todesfalle: "Mit dem Leerlaufen von Kellern oder dem Leerpumpen von Kellern stoßen wir immer wieder auf Menschen, die ihr Leben gelassen haben in diesen Fluten", sagte der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz. So haben Rettungskräfte in einem überfluteten Keller in Geilenkirchen zwei leblose Personen geborgen. Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos. Auch in Kamen kam ein Mann in dem unter Wasser stehenden Keller seines Wohnhauses ums Leben. Im rund 80 Kilometer entfernten Solingen starb ein 82 Jahre alter Mann nach einem Sturz im überfluteten Keller seines Hauses. Bei dem Sturz sei er mit dem Kopf unter Wasser geraten, sagte eine Sprecherin der Wuppertaler Polizei.

Wenn der Keller zur Falle wird

Bei Überschwemmungen herrscht in Kellern akute Lebensgefahr, weiß Christoph Schöneborn, Sprecher des Verbands der Feuerwehren in NRW. Doch wenn das Wasser ins Haus strömt, möchten Bewohner oft ihr Hab und Gut im Keller vor den Fluten retten, den Strom abstellen oder das Fotoalbum in Sicherheit bringen. "Bei Wassereinbruch sollten jedoch jegliche Kelleraufenthalte auf das allernötigste Minimum beschränkt bleiben", warnt Schöneborn im WDR.

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Bei schnell einströmenden Wasser könne der Keller binnen kurzer Zeit zur Falle werden. Das Wasser übe von außen einen enormen Druck auf Fenster und Türen aus, erklärt Schöneborn. "Es kann schon bei weniger als 50 Zentimetern Wasserhöhe im Keller zu Problemen beim Öffnen von Türen kommen." Zudem gehe von möglichen Stromleitungen eine große Gefahr aus. "Spätestens wenn das Wasser die Höhe offener Elektroleitungen oder von Steckdosen erreicht, ist jeglicher Aufenthalt in dem Keller zu unterlassen, solange der Strom nicht abgeschaltet ist", warnt der Experte.

In vollgelaufenen Kellern könnten außerdem Gegenstände umherschwimmen, wie zum Beispiel Möbel, Kisten oder Werkzeug. Es kann zu Verletzungen kommen, man kann stolpern, ausrutschen und stürzen. "Daher ist es hilfreich, sich im Keller - gerade auch bei nicht durchsichtigem Wasser - langsam und umsichtig zu bewegen", sagt Schöneborn. Das Wasser könne zudem verunreinigt sein, zum Beispiel mit Fäkalien, Keimen oder Schlamm.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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