Ampel-Kompromiss reicht nicht Bauernpräsident Rukwied: "Morgen wird nachgelegt"
09.01.2024, 16:47 Uhr Artikel anhören
Das Angebot der Bundesregierung reicht nicht: Trotz der teilweisen Rücknahme der Steuererhöhungen erklärt Bauernpräsident Rukwied, dass die Landwirte ihren Protest in ganz Deutschland fortsetzen wollten. "Zu viel ist zu viel", sagt er.
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, hat eine Ausweitung der Proteste gegen die Politik der Ampel-Koalition angekündigt. "Für heute haben wir einen ruhigeren Tag eingelegt, morgen wird wieder nachgelegt", sagte Rukwied bei ntv. In allen Bundesländern würden die Aktionen die ganze Woche weiterlaufen. Am kommenden Montag gebe es dann eine Großdemonstration in Berlin.
Zudem lehnte Rukwied es ab, sich mit der teilweisen Rücknahme von Steuererhöhungen für seine Branche zufriedenzugeben. "Zu viel ist zu viel - es reicht und es muss zurückgenommen werden." Wer weiterhin höherwertige Lebensmittel als im internationalen Vergleich wolle, müsse auch bereit sein, die höheren Kosten mitzufinanzieren, sagte der Bauernpräsident.
"Aus bäuerlicher Perspektive werden wir unterdurchschnittlich gefördert", sagte er. Rukwied betonte, die Landwirte seien schon häufig kompromissbereit gewesen und hätten Einschnitte ohne Proteste hingenommen. Die Steuererhöhungen nun aber seien zu viel.
Habeck warnt vor Protesten gegen den Rechtsstaat
Derweil warnte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erneut vor einer Unterwanderung der Proteste. Er rief Demonstrierende dazu auf, sich zum Rechtsstaat zu bekennen. "Ich würde schon unterscheiden wollen zwischen Landwirten, die für faire Löhne, gute Wirtschaftsbedingungen demonstrieren und meinetwegen auch gegen die Bundesregierung. Und Menschen (…) die gegen die Demokratie oder gegen den Rechtsstaat oder gegen den Staat demonstrieren. Letzteres darf nicht passieren", sagte der Grünen-Politiker bei "RTL Direkt".
Mit Blick auf Straßenblockaden durch protestierende Bauern und den angekündigten Bahnstreik sagte der Vizekanzler: "Das ist jetzt ein begrenzter ökonomischer Schaden. Der demokratische kann höher werden." Habeck weiter: "Alle, die an diesen Staat glauben, an den Rechtsstaat, an die liberale Demokratie, sind gefordert, mit Zivilcourage dann einzuschreiten, wenn eine Grenze überschritten ist."
Bei den Protesten der Landwirte geht es nach Meinung des Grünen-Politikers nicht nur um die Pläne der Bundesregierung. "Das Problem heißt, sie (die Bauern) können die Kosten ihrer Produktion sehr schlecht weitergeben, weil die Preise nicht immer von ihnen gemacht werden, sondern von Discountern, den großen Schlachthöfen, den großen Molkereien. Und über dieses strukturelle Problem (…) sollte gesprochen werden."
Kretschmann: "Ein ungewöhnlicher Schritt"
Die Bundesregierung hält indes trotz der Proteste an den bereits abgeschwächten Plänen für Subventionskürzungen fest. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann zeigte sich erstaunt, dass die Landwirte nicht auf die Zugeständnisse aus Berlin reagiert hätten. "Das ist ja ein ungewöhnlicher Schritt, dass die Bundesregierung in ganz erheblichem Ausmaß ihre Vorhaben zurückgenommen hat", sagte der Grünen-Politiker. Er sprach von einer "deutlichen Abmilderung". Man habe Kompromisse machen müssen. Dass Forderungen nach einer vollständigen Rücknahme der Einschnitte erfüllt werden, glaubt Kretschmann nicht. "Ich sehe nicht, dass die Bundesregierung da weitere Schritte gehen wird."
Im Zuge von Einsparungen im Bundeshaushalt 2024 soll die seit mehr als 70 Jahren bestehende Begünstigung beim Agrardiesel schrittweise abgeschafft werden. Bisher können sich Betriebe die Energiesteuer teilweise zurückerstatten lassen - mit einer Vergütung von 21,48 Cent pro Liter. Ursprünglich wollte die Ampel-Koalition die Hilfe sofort ganz streichen. Nun soll es ein Auslaufen über drei Jahre geben. Eine geplante Streichung der KFZ-Steuerbefreiung für Landwirte hatte die Bundesregierung bereits in der vergangenen Woche zurückgenommen.
Großkundgebung am 15. Januar
Nach Protesten mit Tausenden Teilnehmern und Traktoren am Montag gab es am heutigen Dienstag eher kleinere Aktionen. Zu Einschränkungen kam es am Morgen etwa im Raum Ulm und im Alb-Donau-Kreis. In Niederbayern sorgten laut Polizei etwa 20 Traktoren in der Nähe des Grenzübergangs Philippsreut zu Tschechien für Behinderungen. Auch in Sachsen kam es zu Protesten, Bauern besetzten Anschlussstellen an der Autobahn 72. In Schleswig-Holstein fuhren unter anderem bei Lübeck Trecker-Korsos. Auch in Niedersachsen und Brandenburg gab es weitere Proteste.
Nach der Aktionswoche plant der Deutsche Bauernverband für den 15. Januar eine Großkundgebung in Berlin. Der Verband fordert, dass auch die Kürzungen beim Agrardiesel vom Tisch müssten. Mehrere Landwirtschaftsorganisationen und Politiker hatten sich deutlich gegen mögliche Vereinnahmungen von Protesten gewandt. Versuche einiger Rechtsextremisten, durch Solidaritätsbekundungen oder eigene Aktionen eine Brücke zu den protestierenden Bauern zu schlagen, waren nach Einschätzung aus Sicherheitskreisen zunächst nicht erfolgreich.
Quelle: ntv.de, ses/dpa