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Offensive "darf es nicht geben" Baerbock kritisiert Israels Rafah-Pläne scharf

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"Menschen können sich nicht in Luft auflösen", warnte Außenministerin Baerbock mit Blick auf die Lage in Rafah vor ihrem Abflug nach Israel.

"Menschen können sich nicht in Luft auflösen", warnte Außenministerin Baerbock mit Blick auf die Lage in Rafah vor ihrem Abflug nach Israel.

(Foto: picture alliance/dpa)

Mehr als 1,5 Millionen Menschen suchen in Rafah Schutz vor Angriffen in anderen Teilen des Gazastreifens. Trotz Kritik lässt sich Israel nicht von seinem Vorhaben abbringen, die überfüllte Stadt anzugreifen. Selbst Deutschland, Israels enger Vertrauter, ruft eindringlich zu einem Verzicht auf die Offensive auf.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat Israel eindringlich zu einem Verzicht auf die geplante Bodenoffensive gegen die islamistische Hamas in Rafah im südlichen Gazastreifen aufgerufen. "Eine Großoffensive auf Rafah darf es nicht geben", sagte die Grünen-Politikerin in Kairo nach einem Treffen mit ihrem ägyptischen Kollegen Samih Schukri. In einem Statement auf dem Flughafen von Kairo warnte Baerbock vor dem Abflug nach Israel angesichts der dramatischen humanitären Lage in Gaza: "Menschen können sich nicht in Luft auflösen."

Für Dienstagvormittag ist bei Baerbocks sechstem Besuch in Israel seit dem Terrorangriff der Hamas auf das Land vom 7. Oktober ein Treffen mit ihrem israelischen Kollegen Israel Katz in Jerusalem geplant. Offen ist, in welcher Atmosphäre das Gespräch von Baerbock mit Katz stattfinden wird.

Nachdem die Bundesaußenministerin Israel und die Hamas am Vortag auf X zu einer sofortigen humanitären Feuerpause aufgerufen hatte, die zu einem Waffenstillstand führen solle, entgegnete Katz auf X: "Wir erwarten von unseren Freunden, dass sie Israel in diesen herausfordernden Zeiten weiterhin unterstützen und es nicht gegen die Terrororganisation Hamas schwächen." Ein humanitärer Waffenstillstand könne ohne die Freilassung israelischer Geiseln nicht aufrechterhalten werden. Der Minister fügte hinzu: "Wir müssen weiterhin zusammenarbeiten, um die humanitäre Hilfe für Gaza zu erhöhen."

Baerbock fordert Öffnung des Landweges

In Rafah im südlichen Teil des Gazastreifens suchen Schätzungen zufolge 1,5 Millionen der 2,2 Millionen Einwohner der Küstenregion auf engstem Raum Schutz vor den Kämpfen in den anderen Teilen Gazas. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu zufolge hat die Armee Pläne ausgearbeitet, um die Zivilisten in Sicherheit zu bringen.

Die Bundesaußenministerin unterstrich in Kairo, Hilfslieferungen aus der Luft und über das Meer könnten nur einen geringen Beitrag zur Versorgung der Menschen in Gaza leisten. "Was wir brauchen, ist die Öffnung des Landweges." Es gebe hier eine Verantwortung der israelischen Regierung, Zugang zu Nahrung und Wasser sowie sichere Fluchtorte zu garantieren.

Baerbock "erleichtert" nach UN-Resolution

Baerbock hielt Israel vor, nicht stark genug zwischen militärischen und zivilen Zielen zu unterscheiden. Dies wie auch die humanitäre Situation förderten den Terror im Gazastreifen weiter. "Es wird keine Geisel befreien, wenn Kinder in Gaza derzeit verhungern", sagte sie an die israelische Regierung gewandt.

Die Ministerin plädierte dafür, das Leid auf beiden Seiten zu sehen und es nicht gegeneinander auszuspielen. "Wir müssen alles dafür tun, dass die furchtbare Situation für die Menschen in Gaza endlich aufhört. Und wir müssen alles dafür tun, dass die Familien, die seit über fünf Monaten auf ihre Liebsten, auf ihre Töchter, Söhne, Eltern warten, dass diese Menschen endlich nach Hause kommen und die Bedrohung Israels von der Terrororganisation Hamas aus ein Ende hat." Insgesamt werden noch mehr als 130 Geiseln im Gazastreifen festgehalten. Davon sind vermutlich nur noch etwa hundert am Leben.

Am Montagnachmittag (MEZ) hatte der UN-Sicherheitsrat in New York fast sechs Monate nach Kriegsbeginn erstmals eine "sofortige Waffenruhe" im Gazastreifen gefordert. Baerbock begrüßte die Forderung. Sie sei "erleichtert über die Verabschiedung der Resolution, weil es auf jeden Tag ankommt", sagte die Grünen-Politikerin nach ihrer Ankunft in Jerusalem. Dies gelte sowohl für die hungernden Menschen in Gaza als auch für die weiterhin in der Gefangenschaft der islamistischen Hamas befindlichen Geiseln.

Treffen mit Abbas geplant

Am Montagabend steht für die Bundesaußenministerin ein Besuch der palästinensischen Gebiete auf dem Programm. In Ramallah will Baerbock mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas und Außenminister Riad Maliki sprechen.

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Abbas hatte die Hamas Mitte Februar einem Medienbericht zufolge aufgefordert, rasch ein Geisel-Abkommen mit Israel zu schließen. Die Islamistenorganisation solle einem solchen Deal zustimmen, um das palästinensische Volk zu schützen und einen israelischen Angriff auf die Stadt Rafah zu verhindern. Den Menschen müsse eine weitere Katastrophe erspart werden. Ein Angriff auf Rafah werde zu Tausenden Opfern, Leid und Vertreibung führen.

Baerbock hatte zum Auftakt ihrer Reise angekündigt, es werde erneut auch darum gehen, wie ein politischer Horizont nach dem Ende des Gaza-Kriegs aussehen könne. "Nur die Perspektive auf eine Zweistaatenlösung mit einer reformierten Palästinensischen Autonomiebehörde als ersten Schritt in Richtung eines demokratischen palästinensischen Staates kann den Menschen ein Leben in Sicherheit und Würde bieten", forderte sie. Mit Zweistaatenlösung ist ein unabhängiger palästinensischer Staat gemeint, der friedlich Seite an Seite mit Israel existiert. Netanjahu lehnt eine Zweistaatenlösung ebenso wie die Palästinenserorganisation Hamas ab.

Quelle: ntv.de, Jörg Blank und Cindy Riechau, dpa

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