Zurück aus Sudan-Einsatz Bundeswehr-Soldat erzählt von "menschlichem Drama"
29.04.2023, 07:13 Uhr Artikel anhören
Auch ganz persönlich war der Einsatz im Sudan für Konstantin Brabsche strapaziös. Mit der Ausrüstung sei es über 50 Grad warm gewesen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Wer darf mit, wer muss im Sudan bleiben? Unter schwierigen Bedingungen hat die Bundeswehr in dem Bürgerkriegsland versucht, die Evakuierung so geordnet wie möglich durchzuführen. Ein Feldjäger berichtet von der Lage am Flugplatz - und von harten Entscheidungen.
Der Rettungseinsatz im umkämpften Sudan hat den beteiligten Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr viel abverlangt. Wie Leutnant Konstantin Brabsche, der mit den Feldjägern für die Sicherheitsschleuse am Flugplatz nahe der Hauptstadt Khartum verantwortlich war, nach seiner Rückkehr am Freitagabend berichtete, musste die Truppe in brütender Hitze unter improvisierten Bedingungen hochkomplex und schnell arbeiten.
Insbesondere zu Beginn sei der Andrang auf die Flugzeuge enorm gewesen. "Am ersten Tag dort war die Not natürlich sehr groß", sagte der Feldjäger der 9. Kompanie im hessischen Fritzlar, sein Gewehr G36 noch um den Hals und seine Pistole P8 im Holster. Mit der Zeit sei die Situation aber besser beherrschbar geworden, sodass die Bundeswehr "den Flüchtlingsstrom ein bisschen kontrollieren" konnte.
Wer mitwollte, musste seinen Pass prüfen lassen und wurde auf gefährliche Gegenstände durchsucht. Dabei gab es eine klare Reihenfolge, wer bevorzugt aus dem Land ausgeflogen werden sollte. "Wir haben eine Prioritätenreihenliste. Zuerst Deutsche, dann EU und im Groben die NATO", sagte Brabsche. Das habe dazu geführt, dass auch Menschen abgewiesen werden mussten: "Natürlich ist das oft ein menschliches Drama. Unsere Situation ist allerdings so, dass wir immer den Nächsten vor Augen haben. Natürlich ist das bitter für den Einzelnen. Aber wir wissen ja auch, hinter einem, der abgewiesen wird, sind noch zehn Berechtigte."
"Mit Ausrüstung waren es über 50 Grad"
Insgesamt brachte die Bundeswehr binnen vier Tagen mehr als 700 Menschen aus mehr als 40 Nationen in Sicherheit. Für die Menschen, die nicht in die deutschen Flieger konnten, habe man versucht, dass sie bei anderen Nationen unterkommen, betonte der 40 Jahre alte Feldjäger.
Die Gefahrenlage im Sudan bekam der Leutnant indes nur am Rande mit. "Wir haben relativ wenig mitbekommen, weil wir nicht so nah an der Hauptstadt dran waren", sagte er. Dumpfe Geräusche habe er gehört. "Aber das war nichts, was uns in unserem täglichen Dienstbetrieb behindert hätte." Zu schaffen machte ihm dagegen die Gluthitze in dem afrikanischen Land. "Tatsächlich war es eine persönliche Herausforderung, da zu landen. Mit der Ausrüstung waren es über 50 Grad", sagte Brabsche. Während der vier Tage dort habe er sich aber auch daran gewöhnt.
Die Evakuierung von Khartum aus mitorganisiert hat auch der bisherige Ständige Vertreter an der Deutschen Botschaft im Sudan, Michael Sonntag. "Die Kämpfe waren das Worst-Case-Szenario. Wir waren von der ersten Sekunde an damit beschäftigt, in dieser dramatischen Lage zunächst die Sicherheit und dann die Ausreise der deutschen Staatsbürger zu organisieren - und zwar nonstop", sagte Sonntag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. In seinem Haus habe er mit Botschaftskollegen ein Krisenbüro zusammengestellt. Dabei habe es stets die Gefahr gegeben, beschossen zu werden. Auf seinem Grundstück seien Querschläger gelandet. Der Wassertank auf dem Dach sei zerstört worden.
Kämpfe trotz dreitägiger Feuerpause
Die Bundeswehr ist mittlerweile aus einem gefährlichen Einsatz aus dem Sudan zurückgekehrt. Nach Angaben von Außenministerin Annalena Baerbock befindet sich nur noch "eine sehr, sehr geringe Zahl" an Deutschen in der sudanesischen Hauptstadt Khartum. Für diese bestehe die Chance, noch von anderen Nationen ausgeflogen zu werden, sollten sie das Land verlassen wollen, sagte die Grünen-Politikerin am Freitag in Wunstorf bei Hannover. Dort hatten Baerbock und Verteidigungsminister Boris Pistorius die knapp 400 Mitglieder der Bundeswehr nach ihrem Rettungseinsatz in Empfang genommen.
Seit dem 15. April kämpfen im Sudan das Militär und die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) um die Macht. Vertreter beider Gruppen hatten die Führung des nordostafrikanischen Landes mit rund 46 Millionen Einwohnern durch zwei gemeinsame Militärcoups 2019 und 2021 übernommen.
Die Kämpfe gehen dort vereinzelt trotz einer dreitägigen Feuerpause weiter. Augenzeugen berichteten, dass vor allem die Hauptstadt Khartum erneut unter schwerem Beschuss stand. Zuvor war in der Nacht zum Freitag eine zweite, 72 Stunden lange Feuerpause in Kraft getreten. RSF-Anführer Mohammed Hamdan Daglo sagte der BBC, dass er nicht verhandeln werde, solange die Kämpfe nicht beendet seien. Seine Kämpfer würden seit der Verlängerung des dreitägigen Waffenstillstands "unerbittlich" bombardiert. "Wir wollen den Sudan nicht zerstören." Er sei offen für Gespräche, aber die Bedingung sei, dass der Waffenstillstand halte. "Stellt die Feindseligkeiten ein. Danach können wir Verhandlungen führen."
Insgesamt kamen bei den Gefechten im Sudan nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mindestens 512 Menschen ums Leben, fast 4200 wurden verletzt. Die wahre Zahl der Opfer dürfte aber deutlich höher liegen.
Quelle: ntv.de, ses/dpa