"Desaströser Zustand" der Armee Bundeswehrverband fordert endlich Konsequenzen aus Krieg
14.03.2023, 10:39 Uhr
Zwei Leopard 2A6 des Panzerbataillon 203 der Bundeswehr fahren über den Truppenübungsplatz Senne.
(Foto: dpa)
Der Truppe fehlt es "an allem", klagt die Wehrbeauftragte Högl. Der Bundeswehrverband stößt ins selbe Horn und fordert, nun endlich die Zeitenwende auch umzusetzen. Kritik an den "Goldrand"-Lösungen für das Heer kommt auch von einer prominenten Politikerin.
Gut ein Jahr nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hat der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, André Wüstner, gefordert, endlich Konsequenzen aus der von Kanzler Olaf Scholz ausgerufenen Zeitenwende zu ziehen. Die Politik unternehme bislang zu wenig gegen den "desaströsen Zustand" der Bundeswehr, sagte Wüstner dem Sender WDR 5. Er sprach von Mängeln bei Waffensystemen, bei Munition und vielem mehr.
Verteidigungsminister Boris Pistorius habe vor Kurzem gesagt, dass Deutschland nicht verteidigungsfähig sei. "Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen - und das, obwohl wir Krieg in Europa haben. Das kann so nicht weitergehen." Dem Sender Bayern 2 sagte Wüstner, dass die Regierung teilweise immer noch "im Modus von vor dem Krieg in der Ukraine" agiere.
Er sei glücklich und schaue zuversichtlich nach vorne, weil Deutschland mit Pistorius nun einen Verteidigungsminister habe, "der ungeduldig ist, der die Dinge adressiert und auch im Kabinett klar erläutert, warum er nicht nur mehr Geld braucht, sondern warum er auch andere Gesetze braucht", sagte Wüstner im WDR 5. Man könne nur hoffen, dass die Regierung und das Parlament Pistorius folgten.
Strack-Zimmermann prangert "Goldrand"-Lösungen an
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, klang ähnlich. Angesichts langer Lieferzeiten forderte sie in der ARD weniger "Goldrand"-Lösungen bei der Materialbeschaffung für die Bundeswehr. "Deutschland hat immer spezielle Wünsche gehabt, die nicht marktgängig sind", sagte Strack-Zimmermann. Es müsse bei der Beschaffung jedoch "viel, viel schneller gehen", forderte die FDP-Politikerin.
"Wir können auf dem Markt direkt einkaufen, nicht alles ausschreiben", sagte Strack-Zimmermann. Deutschland habe sich jahrzehntelang erlaubt, bei Bestellungen für die Bundeswehr "immer noch ein bisschen extra", sogenannte "Goldrandlösungen", zu verlangen. "Tatsache ist, wir brauchen schnell Dinge, die auf dem Markt sind."
Bundesverteidigungsminister Pistorius müsse "sein eigenes Ministerium und die Beschaffung in Koblenz auf Trab" bringen. Gleichzeitig forderte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag "mehr Geld" für die Bundeswehr. "Der Wehretat muss kontinuierlich steigen. Wir sind in einer Sicherheitssituation, wo wir mehr denn je die Bundeswehr ausstatten müssen."
Wüstner und Strack-Zimmermann äußerten sich kurz vor der Vorstellung des Jahresberichts der Wehrbeauftragten Eva Högl am Vormittag. Die Wehrbeauftragte hilft nach Artikel 45b des Grundgesetzes dem Bundestag bei der parlamentarischen Kontrolle der Streitkräfte. Sie gilt aber auch als Anwältin der Soldaten, die sich jederzeit an sie wenden können. Högl hatte bereits am Montag im "Frühstart" bei ntv beklagt, der Bundeswehr fehle es "an allem".
Quelle: ntv.de, ghö/AFP/dpa