Politik

An die Macht um jeden Preis? Das Armageddon der Thüringer CDU

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Mohring sucht nach einem Weg an die Macht.

(Foto: dpa)

Die CDU in Thüringen sucht weiter einen Umgang mit der Wahlniederlage. Landeschef Mohring denkt laut über Wege in die Staatskanzlei nach und stellt die Partei damit vor eine Zerreißprobe. Die Lager bringen sich in Position.

Es hat nur eine Woche gedauert - und die Thüringer CDU steht nach dem desaströsen Ergebnis der Landtagswahl vor der Zerreißprobe. Öffentlichkeitswirksam streiten zwei Lager über den Umgang mit der Linken und der AfD. CDU-Landeschef Mike Mohring hat mit seinem Schlingerkurs rund um den Wahltermin entscheidenden Anteil am Richtungsstreit. Inzwischen setzt der 47-Jährige aus bloßem Machtwillen nichts weniger als die Zukunft der Partei im Freistaat aufs Spiel.

Doch ein kurzer Blick zurück: Die Partei, die fast ein Vierteljahrhundert im Freistaat die Regierung anführte, ist inzwischen auf den dritten Platz abgerutscht. Landeschef Mohring will mit der Linken um Ministerpräsident Bodo Ramelow reden, aber nicht koalieren oder zusammenarbeiten. Zudem hat er ins Spiel gebracht, sich mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP im dritten Wahlgang im Erfurter Landtag zum Regierungschef einer CDU-geführten Minderheitsregierung wählen zu lassen. SPD und Grüne haben längst abgewinkt.

Keine Koalition, aber ...

Dennoch will die CDU in weiten Teilen von ihrem Anspruch, den Ministerpräsidenten zu stellen, nicht abrücken. Das ist mehr als absurd für eine Partei, die fast zwölf Prozentpunkte verlor und beinahe ein Drittel der Mandate abgeben muss. In vergleichbaren Fällen nehmen Spitzenkandidaten für gewöhnlich ihren Hut. In Thüringen aber sondiert der Wahlverlierer Wege an die Macht. Und dafür bleibt ihm eigentlich nur eine Partei.

Wie das ohne die Mitwirkung der AfD geschehen soll, "bleibt schleierhaft", sagt CDU-Landrat Werner Henning aus dem Eichsfeld, dem katholischsten Flecken auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Ein Kreis konservativer Mandatsträger hingegen appelliert an die CDU-Spitze, "ihrer Verantwortung für die Zukunft" Thüringens gerecht zu werden und sich "aktiv am Gesprächsprozess mit ALLEN demokratisch gewählten Parteien" zu beteiligen. Koalitionen aber seien unmöglich.

Zu Recht aber weisen etliche Beobachter darauf hin, dass demokratisch gewählt und demokratisch gesinnt unterschiedliche Dinge sind. AfD-Landeschef Björn Höcke darf gerichtlich sanktioniert als Faschist bezeichnet werden. Außerdem gilt der Thüringer Landesverband als besonders rechts-national.

Dass "ALLE demokratisch gewählten Parteien" aber doch nicht alle sind, zeigt derweil die Warnung des Aufrufs, ohne die Gespräche würde "fast ein Viertel der Wähler" in Thüringen "bei den Gesprächen außen vor bleiben". Von dem Drittel, das die Linke gewählt hat, ist an keiner Stelle die Rede.

Beinahe wortgleich hatte sich zuvor CDU-Fraktionsvize Michael Heym geäußert, als er sagte: "Man tut der Demokratie keinen Gefallen, wenn man ein Viertel der Wählerschaft verprellt." Zwar gehört er bislang nicht zu den Unterzeichnern. Doch verweist die "Ostthüringer Zeitung" darauf, dass die Unterstützer des Aufrufs überwiegend Heym-Vertraute sind. Der hatte 2018 nach Mohrings Willen Landtagspräsident werden sollen. Dies verhinderte Rot-Rot-Grün damals unter anderem mit Verweis auf dessen mangelnde Distanz zur AfD.

Knackpunkt dritter Wahlgang - was macht die FDP?

Zum Knack- und Bekenntnispunkt macht die Thüringer Landesverfassung nun ungewollt den dritten Wahlgang. Dort ist zum Ministerpräsidenten gewählt, wer die meisten Stimmen hat. Steht nur ein Kandidat zur Wahl, ist dieser nach Auslegung von Experten gewählt. Linke-Ministerpräsident Bodo Ramelow würde dann seine zweite Amtszeit antreten - wenn auch ohne Parlamentsmehrheit. Komplizierter wird es hingegen bei zwei Kandidaten. Rot-Rot-Grün kommt auf 42 Stimmen. Die Reihen dürften, glaubt man den Äußerungen der Verantwortlichen, einigermaßen geschlossen sein. Die CDU hat selbst 21 Mandate, zusammen mit der AfD sind es 43. Das würde für Mohring reichen. Allerdings ist mehr als fraglich, ob sich alle CDU-Abgeordneten hinter seinen Kurs stellen und den 47-Jährigen mithilfe der AfD in die Erfurter Staatskanzlei hieven würden. Sollte Mohring keine Mehrheit in den eigenen Reihen haben, könnte er die Aufregung als letztlich unnötig abtun. Allerdings müsste er auch zurücktreten, wenn ihm die Fraktion nicht folgt.

Eine wichtige Rolle kommt zudem - vorausgesetzt sie zieht auch laut noch ausstehendem amtlichen Endergebnis in den Landtag ein - den fünf Abgeordneten der FDP zu. Bislang haben die Liberalen jegliche Art der Unterstützung für den Linken Ramelow ausgeschlossen. Mohring könnte die FDP nun zu einer Kurskorrektur zwingen. Denn stimmen sie für Mohring, sähen sie sich der Gefahr ausgesetzt, diesem zusammen mit der AfD zur Mehrheit verholfen zu haben. Rein rechnerisch könnte selbst eine FDP-Enthaltung im dritten Wahlgang nicht ausreichen, einen AfD-gestützten Regierungschef nicht verhindern. Bleibt eigentlich nur das undenkbare - das Votum für Ramelow.

Landrat Henning spricht angesichts dieser Szenarien wenig zurückhaltend von einem Armageddon - der alles zerstörenden Katastrophe also - die jeder Mandatsträger am Tag einer solchen Wahl bestehen müsse. Es wird "die jetzige CDU im Eichsfeld zerreißen" - und wahrscheinlich Fraktion und Landesverband gleich mit. Entsprechend eindringlich ist seine Warnung: Die christlichen Abgeordneten mögen "auf die Warnungen ihrer Bischöfe hören und über einen solchen Weg Herrn Mohring die Wahl zum Thüringer Ministerpräsidenten verweigern". Im weiteren Verlauf seiner eindringlichen Warnung zitiert der 63-Jährige Papst Benedikt XVI., der 2011 im Bundestag sagte, "Erfolg kann auch Verführung sein und kann so den Weg auftun für die Verfälschung des Rechts, für die Zerstörung der Gerechtigkeit". Vor 89 Jahren war Thüringen das erste Land, in dem die NSDAP Teil der Landesregierung wurde.

Das Armageddon ließe sich übrigens ganz leicht verhindern. Die CDU müsste nur ihre Wahlniederlage akzeptieren und sich auf eine Rolle als starke Opposition vorbereiten. Ramelow würde mit einer Minderheitsregierung an die Arbeit gehen. Und auf der Suche nach Mehrheiten wäre die rot-rot-grüne Koalition auch auf die CDU angewiesen. Und die könnte endlich machen, was sie angeblich immer will: für stabile Verhältnisse sorgen und was ebenso wichtig ist - gestalten.

Quelle: ntv.de

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