Kiesewetter im "ntv Frühstart" "Die Nord-Stream-Geschichte kann eine bewusste Finte sein"
10.03.2023, 10:17 Uhr Artikel anhören
CDU-Verteidigungsexperte Kiesewetter sieht die jüngsten Berichte über eine angebliche "pro-ukrainische Gruppe" als Teil des russischen Informationskriegs. Dabei "werden auch bewusst falsche Spuren gelegt".
Vor der Sondersitzung des parlamentarischen Kontrollgremiums zu den Sabotageakten an den Nord-Stream-Pipelines fordert der stellvertretende Vorsitzende des Gremiums, Roderich Kiesewetter, auf Augenhöhe mit der Bundesregierung über den Sachstand informiert zu werden. "Wir erwarten umfassende Berichte des Generalbundesanwalts, der Bundesregierung und auch der Dienste", sagte der CDU-Politiker im "Frühstart" von ntv.
Über die Tat und ihre Hintergründe wisse man nicht viel, so Kiesewetter. Die Anschläge hätten in einem Bereich stattgefunden, "der ausschließlich von russischen Firmen gebaut wurde", sagte der Verteidigungsexperte. Außerdem sei gesichert, dass über mehrere Tage Gas austrat. Es seien erstaunliche Mengen gewesen. Wer hinter den Sabotageakten steht, sei weiterhin offen. "So wie es aussieht, sind es staatliche oder quasi-staatliche Akteure", sagte Kiesewetter. Man bringe nicht mal eben mehrere 100 Kilogramm Sprengstoff auf 70 Meter Tiefe.
Es gebe zwar Konsortien, die solche Operationen ausführen. "Aber die wollen dann auch sehr viel Geld haben, und die sind in der Regel auch unter staatlicher Aufsicht", sagte der CDU-Politiker. Zugleich warnte er vor Spekulationen. Auch die Berichte, nach denen ein auf Rügen in See gestochenes Schiff mit der Tat in Zusammenhang stehe, seien völlig unklar. "Es gibt ein Schiff, das kann aber auch völlig andere Dinge gemacht haben - Sprengstofffischer oder sonst etwas", sagte Kiesewetter. "Den Zusammenhang herzustellen, kann bewusst eine Finte sein."
"Russland führt auch einen Informationskrieg"
Kiesewetter warnte vor voreiligen Schlüssen. Man müsse begreifen, dass Russland nicht nur einen Krieg gegen die Ukraine führe, sondern auch einen Informationskrieg, in dem es darum gehe, die Ukraine zu diskreditieren. "In diesem Informationskrieg werden auch bewusst falsche Spuren gelegt, deshalb sollten wir da ganz vorsichtig sein." Er schließe als Drahtzieher niemanden aus, "übrigens auch nicht Russland". Die Bundesregierung müsse Gerüchten entgegentreten. "Ich erwarte deshalb auch, dass die Bundesregierung eine wesentlich sensiblere Informationspolitik macht und auch einordnet, was Gerüchte sind und was Fakten."
Der Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines ist laut Kiesewetter nur ein kleiner Baustein in dem Krieg, der gegen die Ukraine geführt werde. "Wir sollten uns den Blick nicht verstellen lassen, dass, wenn die Ukraine fällt, wir Kriegspartei werden, weil Russland den Krieg ausweiten möchte auf Moldau und das Baltikum, und da ist der Aspekt von Nord-Stream 2 nun wirklich ein sehr kleiner." Kiesewetter betonte, das oberste Ziel sei, dass die Ukraine den Krieg in ihren Grenzen von 1991 gewinne. "Denn sonst kommt der Krieg zu uns", warnte er. "Wir müssen verhindern, Kriegspartei zu werden, und das geht eben nur, wenn die Ukraine in die Lage versetzt wird, diesen Krieg zu beenden." Parallel müsse die Aufklärung über den Anschlag auf die Nord-Stream-Leitungen erfolgen. Die Aufklärung erfordere Geduld.
Kiesewetter äußerte sich auch zu der Bluttat in einer Kirche der Zeugen Jehovas in Hamburg. Über die Hintergründe der Tat wisse das parlamentarische Kontrollgremium noch nichts. "Der furchtbare Anschlag bedarf der Aufklärung", sagte er. Auf die Frage, ob ein politischer Hintergrund ausgeschlossen werden könne, sagte Kiesewetter: "Wir sollten gar nichts ausschließen, aber auch nicht spekulieren." Den Angehörigen der Opfer und den Zeugen Jehovas sprach er sein Mitgefühl aus.
Quelle: ntv.de, nla