Politik

Schlimmer als die AfD? Wohl kaum "Die Partei" ist gut für unsere Demokratie

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Das Gesicht der Partei "Die Partei": Martin Sonneborn

(Foto: imago stock&people)

Eine Partei, die kaum eine Chance hat, in den Bundestag zu kommen, polarisiert wie kaum eine andere. Es geht nicht um die AfD, gemeint ist "Die Partei". Jüngst nahm auch ein Kollege kritisch Stellung - doch er hat unrecht.

Die Spaßtruppe "Die Partei" sorgt für Wirbel. In verschiedenen Zeitungen und Magazinen wird um eine Einschätzung gerungen: Ist "Die Partei" elitär und amoralisch? Oder doch das kleinere Übel? Die richtige Antwort auf den Politikbetrieb? Oder verachtet der, der sie wählt, schlicht die Politik? Deutlich wird: Die aus dem Satire-Magazin "Titanic" hervorgegangene Bewegung um Chef-Komiker Martin Sonneborn polarisiert.

Kollege Benjamin Konietzny bezog hier jüngst ebenfalls Stellung: Die Wähler von "Die Partei" seien die wahren "Demokratiefeinde", heißt es dort bereits in der Überschrift. Wer sie wähle, schmeiße "seine Stimme aktiv auf den Müll". Dem muss widersprochen werden: Bei einer demokratischen Wahl landet keine einzige Stimme "auf dem Müll", da sie Willensausdruck des Souveräns ist - des Bürgers. Auch dass sie die Demokratie gefährde, ist einer Partei kaum zu unterstellen, die sich wie wenige andere mit Plakat- und Social-Media-Aktionen gegen rechtes Gedankengut einsetzt.

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"Die Partei" setzt sich am Rande des Zumutbaren gegen rechtes Gedankengut ein.

(Foto: imago/Ralph Peters)

Zunächst aber: Warum zieht "Die Partei" so viel Missgunst auf sich, dass sogar das Nichtwählen oder eine Stimme für links- oder rechtsextreme Parteien zu bevorzugen sei? Es sind die mangelnden konstruktiven Ansätze von "Die Partei". In der Tat finden sich im Wahlprogramm von "Die Partei" vor allem spitzzüngig-ironische und oft gewollt komische Aussagen, bei denen eine klare Trennung zwischen Ironie und Ernst streng genommen nicht zu erkennen ist.

Missstände aufgezeigt

Unter den 16 Punkten des Wahlprogramms taucht etwa das Thema Tierschutz auf sowie die Forderung, Tierversuche einzustellen. Gut, doch im nächsten Satz wird gefordert, "Lipgloss, Arsch-Make-up, Biomarmelade und Medikamentencocktails (…) ab sofort an Spitzensportlern" zu testen. Letzteres kann nicht ernst gemeint sein - ein Kritiker würde anmerken, dass damit auch der erste Teil, die Forderung nach einem Verbot von Tierversuchen, nicht ernst zu nehmen sei.

Hier allerdings kann der Vorwurf der unkonkreten Forderungen nur bedingt gelten: Denn offensichtlich ist, dass Tierschutz und Tierverbote Anliegen sind, welche für die Köpfe hinter "Die Partei" wichtig genug waren, um sie zu thematisieren. Genauso wie im Wahlprogramm das Thema "bedingungsloses Grundeinkommen" angesprochen wird oder die "Bierpreisbremse" – die offensichtlich auf die Mietpreisbremse anspielt.

Bei "Die Partei" werden zwar keine politischen Schlachtpläne und konkrete Gesetze vorgeschlagen - jene, die sich in ihr wiederfinden, erkennen aber das Weltbild, welches hinter den Punkten steht. Denn auf satirische Weise werden Missstände aufgezeigt - wenn etwa unter dem Punkt "Obergrenze für Flüchtlinge" gefordert wird: "Deutschland darf nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen als das Mittelmeer." Die Forderungen daraus ergeben sich für denjenigen, der sich davon angesprochen fühlt, indirekt: In diesem Fall könnte es die Forderung sein, etwas gegen die Flüchtlings-Misere im Mittelmeer zu unternehmen.

Unsere Demokratie ist stark

"Die Partei" mag im herkömmlichen Sinne unkonkret sein, aber sie ist keine Gefahr für die Demokratie. Sie ist eine Kleinpartei, welche auf ihre ganz eigene Art den drögen Politikbetrieb bunt macht und dadurch bereichert. Sie richtet sich an Menschen, die das von ihr vertretene Weltbild teilen und die unverkrampfte Herangehensweise mögen.

Natürlich ist "Die Partei" keine Partei für die Masse, wirkt womöglich elitär und snobistisch auf jene, deren Sinn für Ironie und Humor sie nicht trifft. Aber sie hat ihre Daseinsberechtigung allein dadurch, dass es Menschen gibt, die sich mit ihr identifizieren können. Und das waren etwa bei der jüngsten Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus mit mehr als 30.000 Wählern immerhin zwei Prozent aller abgegebenen Stimmen - die stärkste außerparlamentarische Kraft.

Und vor allem: Die Existenz von "Die Partei" zeigt, dass unsere Demokratie stark ist und ein breites Spektrum repräsentiert. Auch in vielen anderen demokratischen Ländern gab und gibt es Spaßparteien und -kandidaten: In Großbritannien, eine der ältesten Demokratien der Welt, haben sie eine lange Tradition. So trat etwa ein ominöser und skurril gekleideter "Lord Buckethead" gegen Premierministerin Theresa May in deren Wahlkreis an. Bereits seit Anfang der 1980er-Jahre stellt sich die "Official Monster Raving Loony Party" (in etwa "Offizielle Partei der rasenden, verrückten Ungeheuer") zur Wahl – seitdem wurden einige ihrer Forderungen sogar umgesetzt, wie etwa das Mindestwahlalter von 18 Jahren, Ausweise für Haustiere und die Abschaffung der Sperrstunde für Pubs. In Ungarn gibt es die "Partei des zweischwänzigen Hundes" in Belgien die Partei "NEE", die übersetzt schlicht "Nein" bedeutet. Besonders viel Aufmerksamkeit erregte jedoch eine Spaßpartei in Island.

"Glücksfall für die Stadt"

Was war nochmal in Island? Dort gab es die Partei namens "Besti flokkurinn" ("Die Beste Partei") - und ja, sie hat sich 2014 aufgelöst. Aber der wichtigste Aspekt an der ganzen Geschichte: Bei der Kommunalwahl 2010 in der Hauptstadt Reykjavik bekam die Partei die meisten Stimmen - und einer ihrer Mitbegründer, der Komiker Jon Gnarr, wurde Bürgermeister. Was dann passierte? Nur Quatsch? Im Gegenteil: Gnarr sanierte in einer Koalition mit den Sozialdemokraten die Finanzen, reformierte die Verwaltung und rettete durch eine Umstrukturierung das Unternehmen Reykjavik Energy, den größten Arbeitgeber der Stadt.

Sogar seine Gegner bezeichneten Gnarr später als Glücksfall für die Stadt. Seine Popularität war schließlich so hoch, dass viele damit rechneten, er würde als nächstes für das Präsidentenamt kandidieren. Aber Gnarr winkte ab und zog sich nach einer Amtszeit als Bürgermeister aus der Politik zurück - freiwillig. Ein besseres Vorbild für etablierte Politiker und Parteien mit ihrem Hang zum Dauer-Machterhalt ist nur schlecht vorstellbar.

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Quelle: ntv.de

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