Sachsen sieht "Gesprächsbedarf" Diese Bundesländer hadern mit Einheits-Notbremse
11.04.2021, 20:46 Uhr
Der Bund will mehr Befugnisse in der Corona-Politik: Einige Länder sind mit dem ersten Entwurf nicht zufrieden.
(Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress)
Der Druck aus dem Kanzleramt zeigt Wirkung: In der Corona-Politik stimmen die Länder einer Machtverlagerung an den Bund zu. Doch kaum liegt ein Entwurf für die einheitliche Notbremse vor, häufen sich kritische Töne aus Sachsen, Niedersachsen, Bayern und Bremen.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sieht noch "erheblichen Gesprächsbedarf" bei der geplanten Neufassung des Bundesinfektionsschutzgesetzes. So dürften sich Regelungen für Einschränkungen nicht allein an Inzidenzwerten orientieren, erklärte der CDU-Politiker in Dresden. Als zusätzlicher Faktor müsse zum Beispiel die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems in Betracht gezogen werden, indem ein Bettenindikator als Grundlage für härtere Einschränkungen berücksichtigt wird. "Das ist aus meiner Sicht eine zwingende Voraussetzung für Akzeptanz in der Bevölkerung."
Wie Kretschmer weiter forderte, soll eine Eingriffsschwelle für die Ausgangssperre erst ab einer Inzidenz von 200 gelten. Außerdem müssten weitere Ausnahmen für den Einzelhandel in das Gesetz aufgenommen werden, "damit die Angelegenheiten des täglichen Bedarfs auch im Falle eines Brücken-Lockdowns weiterhin ermöglicht werden". Als Beispiele nannte er Werkstätten, Geschäfte für Babybedarf oder auch Zeitungsläden. Vor allem solle der Bund auf Regelungen im Schulbereich verzichten. Schließlich müsse das Gesetz zeitlich befristet werden und automatisch auslaufen.
Kritische Stimmen aus Bayern
Grundlegende Bedenken gegen eine Kompetenzverlagerung von den Ländern an den Bund äußerte auch der bayerische Vizeministerpräsident und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger. "Der Bund soll sich bei der Coronapolitik um die Dinge kümmern, für die er zuständig ist und wo er bisher versagt hat. Beschaffung von Impfstoff, genügend gute Masken, bessere Bezahlung der Pflegekräfte", sagte Aiwanger der "Passauer Neuen Presse" und dem "Donaukurier". Anders als sein Vize kündigte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder jedoch die volle Unterstützung seines Landes und der CSU für die Neufassung des Infektionsschutzgesetzes an. "Der Entwurf wird gerade noch abschließend beraten und natürlich werden wir sowohl als Bayern als auch als CSU in der Bundesregierung da sogar Mittreiber sein, dass es beschlossen wird", sagte der CSU-Chef in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin".
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius warnte ebenfalls eindringlich vor einer Kompetenzverschiebung zugunsten des Bundes in der Pandemie. "Fakt ist: Dort, wo der Bund die Befugnisse hatte, hat er zum Teil kläglich versagt", sagte Pistorius der "Welt". Als Beispiele nannte der SPD-Minister die Beschaffung von Impfstoff und Schutzausrüstung. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil erklärte sich zwar "im Grundsatz" mit mehr bundeseinheitlichen Coronaschutzmaßnahmen im Infektionsschutzgesetz einverstanden. Aber auch er verlangte Nachbesserungen: "Rechtstechnisch und im Hinblick auf zahlreiche Details auch inhaltlich muss der aus dem Bundesinnenministerium stammende Entwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes allerdings überarbeitet werden", teilte der SPD-Politiker mit.
Weil kritisierte die mangelnden Erfahrungen der Bundesregierung. "Den Juristinnen und Juristen im Bund fehlen die in den Ländern in den letzten Monaten gemachten Erfahrungen", kritisiert Weil. Die Regelungen in der niedersächsischen Corona-Verordnung "sind eher strenger und werden das auch bleiben". Das Land habe - anders als einige andere Länder - die vor Ostern vereinbarte Notbremse vollständig umgesetzt.
Auch der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte äußerte sich kritisch zu Teilen der geplanten Gesetzesänderung. "Der vorliegende Entwurf greift tief, meines Erachtens in manchen Bereichen unverhältnismäßig tief in die Privatsphäre ein und nimmt gleichzeitig die Infektionsgefahren in den Betrieben nicht ernst genug", sagte Bovenschulte dem "Tagesspiegel".
Quelle: ntv.de, mau/dpa