Politik

Droht Europa gar der "Frexit"? EU bekäme unter Präsidentin Le Pen anderes Gesicht

Präsentiert sich bei Wahlkampfauftritten zuletzt gut gelaunt: Marine Le Pen.

Präsentiert sich bei Wahlkampfauftritten zuletzt gut gelaunt: Marine Le Pen.

(Foto: picture alliance / abaca)

Was würde aus Frankreich, was aus der Europäischen Union, wenn die neue französische Präsidentin Le Pen heißt? Das ist unklar. Einen Austritt aus der EU strebt Le Pen offiziell nicht mehr an, allerdings könnte sie ähnlich agieren wie Polen und Ungarn und eine gemeinsame Politik torpedieren.

Das Schreckgespenst eines "Frexit" geht um in Europa: Vor der zweiten Runde der französischen Präsidentschaftswahl in gut einer Woche steigt in Europa die Angst vor einem möglichen Wahlsieg der Rechtspopulistin Marine Le Pen gegen Amtsinhaber Emmanuel Macron. Zwar bestreitet die 53-Jährige, dass sie Frankreich aus der Europäischen Union führen will. Aber ihre Pläne lesen sich wie eine Blaupause dafür. Auch die deutsch-französische Partnerschaft stünde mit Le Pen vor einer Zerreißprobe.

Kein Blatt vor den Mund nimmt der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn, mit 72 Jahren der mit Abstand dienstälteste Chefdiplomat in der EU. Er sieht Frankreich in einer "Art politischem Bürgerkrieg". Zu einem "Referendum gegen Macron" und seine europafreundlichen Ideen hat Le Pen die Stichwahl erklärt. Ein "Referendum über Europa" nennt dagegen Macrons Europaminister Clément Beaune die Abstimmung.

Die beiden Kandidaten und ihre Programme könnten nicht konträrer sein: Auf der einen Seite der oft als europäischer "Visionär" gerühmte Macron, der kurz nach seinem Wahlsieg 2017 ein ehrgeiziges EU-Reformprogramm vorlegte - von dem mangels deutscher Unterstützung aber einiges im Sande verlief. Auf der anderen Seite die älteste Tochter des französischen Rechtsextremisten Jean-Marie Le Pen, welche "die Europäische Union in die Schranken weisen" will. Sie brandmarkt die EU als "illegitime supranationale Struktur" und droht mit milliardenschweren Mittelkürzungen.

Franzosen sind gegen EU-Austritt

Offiziell strebt Le Pen keinen "Frexit" an. Auch ihre Forderung nach einem Euro-Ausstieg Frankreichs hatte sie nach ihrer deutlichen Niederlage gegen Macron 2017 fallen lassen. Für beides gibt es laut Umfragen in Frankreich keine Mehrheit. Asselborn hält es allerdings für ausgemacht, dass eine Präsidentin Le Pen einen "Umbruch in Europa als Werte- und Friedensprojekt" bedeuten sowie die Europäische Union in ihrer "Essenz" schwer treffen würde. Bereits der Brexit und die jahrelangen Rechtsstaats-Kontroversen mit Polen und Ungarn haben die EU in Schlagseite gebracht. Le Pen verspricht im Fall eines Triumphs gegen Macron ein Verfassungs-Referendum. Nach ihren Worten sollen damit "alle europäischen Texte, die gegen unser oberstes Gesetz stehen, keine Anwendung in Frankreich mehr finden". Vorbild ist das nationalkonservativ regierte Polen: Dort hatte das Verfassungsgericht den Vorrang von Europa-Recht gegenüber nationalem Recht im Oktober in einem historischen Urteil in Frage gestellt.

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Die Bundesregierung blickt ebenfalls mit Sorge nach Paris: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nannte es unter Anspielung auf den Ukraine-Krieg wichtig, "dass wir gerade in diesen Zeiten gemeinsam als Europäerinnen und Europäer stark zusammenstehen". Für den deutsch-französischen "Motor" der EU würde ein Wahlsieg Le Pens wenig Gutes verheißen: Sie wirft Deutschland vor, für "die absolute Verneinung der französischen strategischen Identität" zu stehen. Sobald der Ukraine-Krieg beendet sei, wolle sie für eine "strategische Annäherung" zwischen Russland und der NATO werben, sagt Le Pen. Die viel beschworene Einigkeit der EU gegenüber Moskau wäre damit dahin. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatte Le Pen zwar Wahlbroschüren einstampfen lassen, in denen sie an der Seite von Präsident Wladimir Putin zu sehen war. Aber lange hatte sie Putin hofiert und Medienberichten zufolge Millionenkredite von russischen Banken empfangen.

Auf Begeisterung stoßen Le Pens Aussichten bei der AfD und der rechtsextremen Lega-Partei in Italien, die mit Le Pens Rassemblement National (Nationale Sammlungsbewegung) in einer Fraktion im Europaparlament sitzen. Das "ganze vernünftige Europa" unterstütze nun Le Pen in der Stichwahl, twitterte der AfD-Europaabgeordnete Gunnar Beck nach dem ersten Wahldurchgang.

Quelle: ntv.de, Stephanie Lob, AFP

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