
Ministerpräsident Michael Kretschmer während seiner Regierungserklärung.
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Keine Pogrome, keine Hetzjagden, kein Mob - Ministerpräsident Kretschmer wehrt sich gegen "pauschale Urteile" der Medien im Umgang mit Chemnitz. Und er greift die AfD bei seiner Regierungserklärung frontal an.
Der sächsischen CDU wird oft vorgeworfen, zu leugnen, dass es in Sachsen ein Problem mit Rechtsextremismus gebe. Erst der NPD, dann Pegida, dann der AfD habe die Partei den Nährboden bereitet, lautet ein Vorwurf, der immer wieder auftaucht. Umso deutlicher hat Ministerpräsident Michael Kretschmer während seiner Regierungserklärung im Dresdner Landtag Stellung bezogen. "Rechtsextremismus ist die größte Gefahr für unsere Gesellschaft", sagte er und kündigte an, den Kampf gegen Strukturen der Szene zu verstärken. Aber auch zu anderen Punkten nahm er eine deutliche Position ein. Kretschmer nahm sein Bundesland nicht nur in Schutz. Fehlentwicklungen der Gegenwart ignorierte er gleichzeitig nicht - anders als seine Vorgänger.
Kretschmer warnte davor, dass das "rechtsextreme Mobilisierungspotenzial im Internet größer" sei, "als wir dachten". Das habe die vergangene Woche gezeigt. Angriffe auf Ausländer, auf Journalisten und das Zeigen des Hitlergrußes werde seine Regierung "nicht akzeptieren", kündigte er an. Auch das Durchstechen eines Haftbefehls durch einen Justizbeamten müsse "mit aller Härte" bestraft werden. Für die klaren Worte erntete Kretschmer Applaus aus fast allen Fraktionen. Die AfD schwieg. Sich der Verurteilung dieser Straftaten anzuschließen, hält die Partei, die viel Verständnis für die rechtsextremen Ausschreitungen zeigte, offenbar nicht für notwendig.
Sie applaudierte an anderer Stelle. Nämlich als Kretschmer in ebenfalls überraschend deutlichen Worten klarstellte, dass die Berichterstattung über das, was in Chemnitz geschehen ist, falsch gewesen sei. "Es gab keine Hetzjagd, keinen Mob, keine Pogrome", sagte er. Diese Begriffe seien "nicht zutreffend auf das, was dort geschehen ist". Örtliche Medien hätten größtenteils "verantwortungsvoll" über die Ereignisse berichtet. Die Medien, "die besonders weit weg waren", so Kretschmer weiter, hätten hingegen "ein besonders pauschales Urteil getroffen". Er warnte vor dem Hintergrund der Berichterstattung vor einer Vorverurteilung der neuen Bundesländer.
"AfD sorgt für Spaltung der Gesellschaft"
Die Verantwortung dafür, dass es zu fremdenfeindlichen Ausschreitungen gekommen sei, gab er der AfD. Die von der Partei verwendeten Begriffe seien "nicht nur ehrverletzend", so Kretschmer, "sie sorgen für eine Radikalisierung der Gesellschaft". Die Partei sei "für die Spaltung im Land in großen Teilen verantwortlich". Dass Anhänger der Partei andere Politiker als "Volksverräter" bezeichneten, lasse die Gesinnung der AfD erkennen. "Volksverräter sind die Leute, die in Berlin-Plötzensee erhängt und erschossen worden sind", sagte Kretschmer. Plötzensee war ein NS-Gefängnis, in dem fast 3000 Todesurteile vollstreckt wurden. Wer in Kundgebungen neben Leuten stehe, die Ausländer als "Gelumpe" oder "Viehzeug" bezeichnen oder wer Begriffe wie "Volksverräter" verwende, stelle sich "außerhalb jeder Rechtsordnung", sagte er in Anspielung auf mehrere AfD-Spitzenpolitiker, die am Samstag Seite an Seite mit Ex-Pegida-Chef Lutz Bachmann in der Chemnitzer Innenstadt demonstriert hatten.
Kretschmer kündigte im Kampf gegen Rechtsextremismus an, dass bei der Staatskanzlei ein Opferschutzbeauftragter installiert werde und es auch bei Kommunen Ansprechpartner geben soll. Zudem werde in der Justiz am Konzept einer Null-Toleranz-Strategie und verkürzter Verfahren gearbeitet. Das "furchtbare Tötungsdelikt", das den Auseinandersetzungen in Chemnitz vorangegangen war, werde mit "aller Konsequenz und Härte" aufgeklärt.
Kritische Worte fand Kretschmer auch zum Zustand der Flüchtlings- und Migrationspolitik. Es gebe in Deutschland keinen wirklichen Widerstand dagegen, Menschen aufzunehmen, die Schutz suchten. Es gebe aber erheblichen Widerstand, "wenn das jemand ausnutzt". Europa brauche endlich einen wirksamen Schutz der Außengrenzen, die Handlungsfähigkeit des Staates bei straffälligen Asylbewerbern müsse gestärkt werden, Ausweisungen müssten "schneller gehen".
"Stichhaltige Beweise"
Neben Zustimmung vom SPD-Koalitionspartner zu der Regierungserklärung gab es auch scharfe Kritik, unter anderem von der größten Oppositionspartei im sächsischen Landtag. "Die Frage bleibt offen: Meint der Mann das ernst oder redet der nur so, weil es von ihm verlangt wird", sagte der Vorsitzende der Linksfraktion Rico Gebhardt. Kretschmer sei immer nur dann offensiv im Umgang mit Rassismus und Rechtsextremismus, wenn er damit "punkten" könne. Allgemein erinnere ihn die sächsische CDU im Umgang mit dem Problem an "die drei Affen: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen".
Auch von der AfD, die in aktuellen Umfragen zur Landtagswahl 2019 kurz hinter der CDU liegt, gab es Gegenwind. Der Abgeordnete Jörg Urban nutzte das Podium aber eher für eine generelle Abrechnung mit der Bundespolitik. "Woche für Woche bekommen wir von Ihren Gästen stichhaltige Beweise für deren Auffassung von Dankbarkeit", sagte er. Die Bürger bekämen angesichts der "importierten Gewalttäter" keine Ruhe mehr. Die staatliche Ordnung in Deutschland sei in Gefahr, weil die Rücküberstellung von Abzuschiebenden versäumt werde. Die Kriminalisierung von Kritik am Regierungshandeln erinnere ihn an "DDR-Gesetze". "Die Parteien haben sich den Staat und seine Einrichtungen zur Beute gemacht und den Souverän, das Volk, zum Stimmvieh degradiert", sagte Urban.
Quelle: ntv.de