Angst um Demokratie Für Israel hagelt es nach Justizreform Kritik
24.07.2023, 20:57 Uhr Artikel anhören
Seit mehr als einem halben Jahr spaltet das Vorhaben die israelische Gesellschaft. Regelmäßig gehen Tausende Menschen gegen eine Schwächung der Justiz auf die Straßen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die Bundesregierung und die USA blicken mit Sorge auf die sich vertiefenden Spannungen in Israel. Während das Auswärtige Amt zum Dialog zwischen Regierung und Opposition aufruft, bezeichnen die USA die Entscheidung, einen Teil der Justizreform zu billigen, als "bedauerlich".
Nach dem Ja des israelischen Parlaments zu einem Kernelement der umstrittenen Justizreform hat sich die Bundesregierung besorgt über die angespannte Lage geäußert und zum Dialog zwischen Regierung und Opposition aufgerufen. "Wir bedauern sehr, dass die Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition unter Vermittlung von Staatspräsident Izchak Herzog vorerst gescheitert sind", hieß es aus dem Auswärtigen Amt in Berlin.
"Aus tiefer Verbundenheit mit Israel und seinen Menschen blicken wir mit großer Sorge auf die sich vertiefenden Spannungen in der israelischen Gesellschaft. Gerade nach der heutigen Verabschiedung des ersten Teils des geplanten Justizumbaus bleibt es wichtig, dass einer breiten gesellschaftlichen Debatte ausreichend Zeit und Raum gegeben wird, um einen neuen Konsens zu ermöglichen", hieß es weiter. Dazu müssten alle Seiten, insbesondere auch die Regierung, ihren Beitrag leisten.
Auch die USA haben die Entscheidung kritisiert. US-Präsident Joe Biden habe immer wieder deutlich zum Ausdruck gebracht, dass große Veränderungen in einer Demokratie einen möglichst breiten Konsens erforderten, um dauerhaft zu sein, teilte seine Sprecherin in Washington mit. Es sei "bedauerlich", dass das Votum "mit der geringstmöglichen Mehrheit" zustande gekommen sei.
Die US-Regierung gehe davon aus, dass es jetzt und in den kommenden Wochen und Monaten weiter Gespräche darüber gebe, wie ein umfassenderer Kompromiss gefunden werden könne, auch wenn die Knesset in der Pause sei. Die USA unterstützten die Bemühungen von Präsident Izchak Herzog und anderen Verantwortungsträgern, die durch politischen Dialog einen breiteren Konsens herstellen wollten.
Levin: Notwendige "Korrektur des Justizsystems"
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu begrüßte dagegen das knappe Ja im Parlament zu Teilen seiner umstrittenen Justizreform als "notwendigen demokratischen Schritt". Dieser ermögliche der gewählten Führung das Regieren im Sinne der Mehrheit der Bürger, sagte Netanjahu am Abend in einer Ansprache. Die Erfüllung des Wählerwillens sei "das Wesen der Demokratie" - und nicht ihr Ende. Umfragen zufolge sprachen sich zuletzt allerdings nur ein Viertel aller Israelis für die Umsetzung der Justizreform aus.
Zuvor hatten 64 von 120 Abgeordneten nach tagelanger Debatte für einen Gesetzentwurf gestimmt, der die Handlungsmöglichkeiten des Höchsten Gerichts einschränkt. Die Opposition boykottierte die Abstimmung. Das Gesetz ist Teil eines größeren Pakets. Kritiker stufen es als Gefahr für Israels Demokratie ein und warnen sogar vor der Einführung einer Diktatur.
Justizminister Yariv Levin sprach dagegen von einer notwendigen "Korrektur des Justizsystems". Mit dem neuen Gesetz ist es dem Höchsten Gericht künftig nicht mehr möglich, eine Entscheidung der Regierung oder einzelner Minister als "unangemessen" zu bewerten. Zahlreiche Experten befürchten, dass dies Korruption und damit auch die willkürliche Besetzung wichtiger Posten oder aber Entlassungen begünstigen könnte.
Quelle: ntv.de, jki/dpa