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Nach russischem Vorbild Georgien plant queer-feindliche Gesetze

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Der vom georgischen Parlamentspräsidenten Schalwa Papuaschwili angekündigte Gesetz erinnert an das russische Gesetz gegen "homosexuelle Propaganda", das unter dem Vorwand des Kinderschutzes seit 2014 Inhalte mit "nicht-traditionellen" Beziehungen verbietet.

Der vom georgischen Parlamentspräsidenten Schalwa Papuaschwili angekündigte Gesetz erinnert an das russische Gesetz gegen "homosexuelle Propaganda", das unter dem Vorwand des Kinderschutzes seit 2014 Inhalte mit "nicht-traditionellen" Beziehungen verbietet.

(Foto: picture alliance / Anadolu)

Der Kaukasus-Staat Georgien ist in vielen Fragen gespalten. Nun will die Regierungspartei des Landes ihre Anhänger mit queer-feindlicher Politik mobilisieren. Kritiker fürchten um den EU- und NATO-Beitritt.

Georgiens Regierungspartei Georgischer Traum hat ein neues Gesetz angekündigt, mit dem sie "LGBT-Propaganda" verbieten will. Der georgische Parlamentspräsident und hochrangige Parteifunktionär Schalwa Papuaschwili kündigte an, die Partei werde ein Gesetz zum "Schutz von Minderjährigen und Familienwerten" ins Parlament einbringen. Der Vorschlag betreffe die "Einschränkung der Propaganda gleichgeschlechtlicher Beziehungen in Bildungseinrichtungen und Fernsehsendungen", erklärte Papuaschwili. Außerdem sollten das Zivilrecht, das Arbeitsrecht und Bildungsgesetze in dem Land im Südkaukasus geändert werden.

Zur Begründung sagte Papuaschwili laut Medien, die Verfassung sehe nur eine Ehe zwischen Mann und Frau vor. Deshalb sollten gleichgeschlechtliche Ehen gesetzlich ausgeschlossen werden. Nicht-heterosexuelle Personen sollten keine Kinder adoptieren dürfen, hieß es weiter. In Ausweispapieren dürfe nur das biologische Geschlecht männlich oder weiblich eingetragen werden. Ärzte dürften zudem bei Trans-Menschen keine geschlechtsangleichenden Operationen vornehmen.

Es dürfe keine Kundgebungen geben, auf denen es um homosexuelle Beziehungen oder Transgeschlechtlichkeit geht, sagte Papuaschwili. In den Schulen soll diese Art von Information verboten werden. Auch in Medien und Werbung sollten solche Darstellungen nicht zulässig sein.

Russland als Vorbild

Der Parlamentspräsident hatte erst am Montag ungeachtet wochenlanger Massenproteste und internationaler Kritik das umstrittene Gesetz zur "ausländischen Einflussnahme" in Kraft gesetzt. Kritiker sehen in dem Gesetz eindeutige Parallelen zum 2012 in Russland verabschiedeten Gesetz gegen "ausländische Agenten", das es den dortigen Behörden ermöglicht, massiv gegen regierungskritische Medien und Organisationen vorzugehen.

Auch das neue Gesetzesvorhaben erinnert an ein russisches Vorbild: Moskau verabschiedete bereits vor zehn Jahren ein Gesetz gegen "homosexuelle Propaganda", das unter dem Vorwand des Kinderschutzes Inhalte mit "nicht-traditionellen" Beziehungen verbietet. Russland weitete das Gesetz 2022 aus, um letztendlich jegliche Darstellung von Mitgliedern der LGBTQ-Community in der Öffentlichkeit zu ächten.

Kurswechsel des Georgischen Traums

In Russland propagiert die Führung um Kremlchef Wladimir Putin traditionelle Werte wie Orthodoxie, Familie und Patriotismus - und mobilisiert damit politische Unterstützung für seine autoritäre Herrschaft. Insbesondere seit Kriegsbeginn gegen die Ukraine hat Moskau seine repressiven Gesetze gegen die LGBTQI+-Community weiter verschärft. Vielerorts wurde in den vergangenen Monaten von den Behörden regelrechte Jagd auf homosexuelle und andere queere Menschen gemacht.

Auch das kleine Georgien hat eine lange christlich-orthodoxe Tradition; die Gesellschaft in der Ex-Sowjetrepublik ist eher konservativ geprägt. So gibt es in Tiflis zwar Veranstaltungen der queeren Bewegung wie den Christopher Street Day (CSD). Doch sie werden von massiven Gegendemonstrationen begleitet, die auch schon in Gewalt umgeschlagen sind. So wurde am 05. Juli 2021 der TV-Journalist Lekso Lashkarava auf einer Demonstration zum Opfer von queer-feindlicher Gewalt. Sein darauffolgender Tod löste Massenproteste aus; sein Sarg wurde begleitet von Demonstranten durch Tiflis getragen.

In Georgien befürchten die Gegner der Regierung, dass Georgischer Traum einen ähnlichen Kurs wie Russland einschlägt und damit die Chancen auf den erhofften EU- und NATO-Beitritt untergräbt. Nachdem die Partei Georgischer Traum nach ihrer Machtübernahme im Jahr 2012 zunächst eine liberale, pro-westliche politische Agenda verfolgt hatte, hat sie in den letzten zwei Jahren ihre anti-westliche und anti-liberale Rhetorik und Haltung verschärft.

Mehrheit der Bevölkerung für EU-Beitritt

Im Oktober steht in Georgien die nächste Parlamentswahl an. Das Land ist seit Dezember offiziell EU-Beitrittskandidat. Der EU-Beitritt ist in der Verfassung des Landes verankert und wird laut Meinungsumfragen von mehr als 80 Prozent der Bevölkerung unterstützt. Der aktuellen Regierung wird jedoch vorgeworfen, die ehemalige Sowjetrepublik wieder an Moskau annähern zu wollen.

Die englische Abkürzung LGBTQIA+ steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans-Menschen, queere sowie intergeschlechtliche Menschen, asexuelle Menschen, sowie weitere Identitäten und Geschlechter. Teilweise wird aber auch das Adjektiv queer benutzt, um alle Menschen zu beschreiben, die nicht heterosexuell sind oder sich nicht dem Geschlecht zugehörig fühlen, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde.

Quelle: ntv.de, mes/AFP/dpa

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