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Wahl am Sonntag Hamburg könnte Balsam für SPD-Seele werden

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Hamburgs Erster Bürgermeister Tschentscher (M.) dürfte im Amt bleiben - auch wenn er das Gespenst einer schwarz-grünen Koalition mit Katharina Fegebank (l.) und Dennis Thering an die Wand malt.

Hamburgs Erster Bürgermeister Tschentscher (M.) dürfte im Amt bleiben - auch wenn er das Gespenst einer schwarz-grünen Koalition mit Katharina Fegebank (l.) und Dennis Thering an die Wand malt.

(Foto: picture alliance/dpa)

Eine Woche nach der Bundestagswahl werden die Menschen in Hamburg schon wieder an die Urnen gerufen. Sie wählen eine neue Bürgerschaft. Die SPD darf ausnahmsweise mal auf gute Nachrichten hoffen. Allerdings auch nur mit Abstrichen.

Nach der Bundestagswahl gab es bei der SPD nur bedröppelte Gesichter. Mit Kanzler Olaf Scholz an der Spitze erlitt die Partei das schlechteste Ergebnis der Nachkriegsgeschichte. Doch an diesem Sonntag wird es voraussichtlich mal wieder etwas zu feiern geben: Scholz' Heimatstadt Hamburg wählt eine neue Bürgerschaft und die SPD ist klarer Favorit auf den Wahlsieg. Erster Bürgermeister Peter Tschentscher wird aller Voraussicht nach im Amt bleiben und bekommt wohl das, wovon CDU-Chef Friedrich Merz träumte: die Auswahl zwischen zwei möglichen Koalitionspartnern.

Bislang regiert er mit den Grünen, möglich wäre rechnerisch aber auch ein Bündnis mit der CDU. Tschentscher hat aber schon gesagt, er wolle weiter mit den Grünen regieren. Bei einem Triell im NDR warnten gerade erst die Spitzenkandidaten der drei Parteien vor gegnerischen Koalitionen. Grünen-Spitzenkandidatin und Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank vor Schwarz-Rot, Tschentscher vor Schwarz-Grün, CDU-Landeschef Dennis Thering vor Rot-Grün.

Wie Tschentscher darauf kommt, vor Schwarz-Grün zu warnen, bleibt sein Geheimnis. Von einer gemeinsamen Mehrheit sind beide Parteien ziemlich weit entfernt und die CDU schließt so ein Bündnis aus. Der Bürgermeister sprach aber im Triell dennoch von einem Risiko. "Meine Befürchtung ist, wenn es zu einer schwarz-grünen Mehrheit reicht, würden sie es auch tun." Wenn man dem 59-jährigen früheren Arzt zuhört, scheint er vor allem eine Sorge zu haben: dass seine Wähler und Sympathisanten die Wahl sowieso schon für gelaufen halten. "Dieses Gefühl, in Hamburg ist ja alles in Ordnung, hier wird es ja so weitergehen, ist ein gewisses Risiko", sagte er im ZDF. Umfragen seien schließlich keine Wahlergebnisse.

Umfragen sehen gut für SPD aus

Womit er natürlich recht hat. Doch die Umfragen können insbesondere Freunde der Sozialdemokratie regelrecht nostalgisch werden lassen. Laut einer Insa-Umfrage von diesem Donnerstag käme die SPD auf sage und schreibe 32 Prozent, doppelt so viel wie bei der Bundestagswahl. CDU und Grüne liefern sich dabei ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz zwei. In besagter Insa-Umfrage liegen die Schwarzen erstmals seit langem mit 18 Prozent vorn, die Grünen folgen mit 17. Eine Erhebung von Infratest dimap vom vergangenen Donnerstag brachte nahezu identische Ergebnisse, allerdings mit den Grünen auf Platz zwei. AfD und Linke kommen auf Werte um die zehn Prozent. FDP und BSW kommen wahrscheinlich nicht in die Bürgerschaft.

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Aussichten sind das, die SPD müsste geschundenen Bundestagswahlkämpfern eine Kur in Hamburg verschreiben. Die guten Werte haben viele Gründe. Tschentscher ist beliebt und die Menschen sind mit Rot-Grün recht zufrieden. In Städten schneidet die SPD ohnehin meist besser ab als auf dem Land - und in Hamburg ganz besonders. Die Stadt war schon immer eine Hochburg für die Sozialdemokratie, allerdings sind Wahlen auch kein Selbstläufer. Schließlich regierte ab 2001 auch mal die CDU, teilweise sogar allein, ohne Koalitionspartner. Das Ruder herum riss dann wieder Olaf Scholz, der 2011 Erster Bürgermeister wurde, mit einem sensationellen Ergebnis von 48,4 Prozent - absolute Mehrheit. Die die SPD unter Scholz 2015 verteidigte.

Siege, wie um die Füße in Cowboystiefeln auf den Schreibtisch zu knallen, sich eine dicke Zigarre anzuzünden und schlumpfig zu grinsen. Vielleicht erklären sie auch das Beton-Selbstbewusstsein des scheidenden Kanzlers. Doch die Erfolge zeigen auch: Selbst in Hamburg hat die SPD rasant an Vertrauen verloren. Das fällt nicht so auf, weil sie von dem hohen Niveau der absoluten Mehrheit heruntersegelt. 2020 schaffte sie noch 39 Prozent, nun dürften die Sozialdemokraten noch einmal kräftig Federn lassen. Und auch wenn die AfD nur mit zehn Prozent ins Ziel einläuft, wären das etwa doppelt so viele Stimmen wie beim letzten Mal.

Ein bisschen Rückenwind für Esken und Klingbeil

Dabei drohen auch den Grünen brutale Verluste. Bei der Bürgerschaftswahl vor fünf Jahren profitierten sie vom starken Bundestrend und erreichten ein Ergebnis, wie es ein Jahr später auch Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock gern gehabt hätte: 24,2 Prozent, was damals einer Verdopplung des Stimmenanteils entsprach. Spitzenkandidatin Katharina Fegebank regiert schon seit zehn Jahren als Wissenschaftssenatorin. Die 48-Jährige wurde in immerhin drei Jahren zur Wissenschaftssenatorin des Jahres gewählt.

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Erreicht die CDU 17 oder 18 Prozent, wäre das ein Schritt aus dem Schattendasein heraus, das sie seit den Scholz- und Tschentscher-Erfolgen fristet. 2020 holte sie nur 11,2 Prozent, es ist also viel Luft nach oben. Der 40-jährige Spitzenkandidat Thering zeigt sich offen für Rot-Schwarz, doch die Zeichen stehen auf Rot-Grün.

Ein Erfolg der Hamburger SPD könnte auch den Genossen im Bund noch einmal etwas Rückenwind verschaffen. Zumindest ein paar Tage lang werden Lars Klingbeil und Saskia Esken in ihren Interviews auf den Sieg verweisen können und sich daran ein wenig hochziehen. Doch an der Gesamtsituation in Berlin ändert das wenig. Dort wartet die gerupfte SPD auf die Charme-Offensive von Friedrich Merz, zu der sich der Sauerländer bislang noch nicht so recht durchzuringen vermag. Die Sondierungen für Schwarz-Rot im Bund dürften aber nach der Hamburg-Wahl an Fahrt aufnehmen.

Korrektur: Die Grünen heißen in Hamburg nicht mehr Grüne Alternative Liste (GAL), wie es in einer früheren Version des Artikels hieß. Seit 2012 heißen sie Bündnis90/Die Grünen.

Quelle: ntv.de

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