Kein Ruf nach Todesstrafen? Iranisches Parlament sieht Dokumentenfälscher am Werk
13.11.2022, 16:36 Uhr
Medienberichten zufolge hatten 227 der 290 Parlamentarier in einer Erklärung den Demonstranten einen "Krieg gegen Gott" vorgeworfen - was die Todesstrafe nach sich ziehen kann.
(Foto: picture alliance/dpa/Iranian presidency)
Nach einer Woche klingt plötzlich alles ganz anders: Das iranische Parlament habe gar nicht die Todesstrafe für Demonstranten gefordert, heißt es nun. Vielmehr sei ein entsprechender Bericht eine "Dokumentenfälschung". Einige Abgeordnete hätten sich lediglich für harte Strafen ausgesprochen.
Das iranische Parlament hat Berichte über eine Forderung einer Mehrheit der Abgeordneten nach harten Strafen für die inhaftierten Demonstranten im Iran dementiert. "Das in den Medien erwähnte Schreiben von 227 Abgeordneten war Dokumentenfälschung und die Berichte diesbezüglich werden somit dementiert", gab das Parlament in einer Presseerklärung bekannt. Einige Abgeordnete hätten lediglich harte Strafen für diejenigen gefordert, die während der Unruhen an Mord und Blutvergießen beteiligt waren, so die Erklärung laut Nachrichtenagentur Fars.
Beobachter bewerteten die Behauptung einer angeblichen Fälschung als ein Zurückrudern. Medienberichten zufolge hatten letzte Woche 227 der insgesamt 290 Parlamentarier in einer Erklärung den Teilnehmern der landesweiten Proteste "Krieg gegen Gott" vorgeworfen und von der Justiz entsprechende Urteile gefordert. Gemäß islamischem Recht könnte die Anklage "Krieg gegen Gott" auch die Todesstrafe zur Folge haben - und genauso wurde das auch im In- und Ausland gewertet.
Beobachter im Land halten die Behauptung, dass es sich bei der von staatlichen Medien aufgegriffenen Erklärung um eine Fälschung gehandelt haben soll, für unglaubwürdig. Daher ist ihrer Einschätzung nach dem Dementi auch nur der Versuch, die im In- und Ausland aufs Schärfste verurteilte implizite Forderung nach Todesstrafen für die Protestierenden wieder zurückzunehmen. Das iranische Parlament wird sei 2020 von Hardlinern dominiert, die seitdem für ihre radikalen - und unbedachten - Entscheidungen bekannt sind.
An diesem Montag wollen die EU-Staaten angesichts der schweren Menschenrechtsverletzungen im Iran ein neues Sanktionspaket beschließen. Der Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten in Brüssel nahm am Freitag einstimmig entsprechende Pläne an, wie mehrere Diplomaten bestätigten. Am Montag soll der förmliche Beschluss folgen. Konkret sollen von den Strafmaßnahmen 31 Personen und Einrichtungen betroffen sein - darunter zum Beispiel ranghohe Vertreter der Polizei und der Basidsch-Milizen. Die Maßnahmen sehen vor, dass Einreiseverbote erlassen werden und in der EU vorhandene Vermögenswerte eingefroren werden, wie es am Freitag hieß.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa