Politik

Debatte über "kleine Paschas" Merz handelt sich Populismus-Vorwurf ein

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Friedrich Merz bekommt Gegenwind für seinen Auftritt bei "Markus Lanz".

(Foto: dpa)

In einem Fernsehinterview bringt CDU-Chef Merz die Gewalttaten an Silvester mit einer aus seiner Sicht verfehlten Integration von Zuwandererkindern in Verbindung. Das sorgt nicht nur beim politischen Gegner für Empörung. Aber es gibt auch Zustimmung.

Mit Äußerungen über "kleine Paschas" an Grundschulen vor dem Hintergrund der Silvesterkrawalle hat CDU-Chef Friedrich Merz eine Debatte über Vorverurteilung von Migranten losgetreten. DIW-Chef Marcel Fratzscher erklärte auf Twitter, Merz betreibe blanken Populismus, indem er "von einer kleinen Minderheit implizit und explizit auf alle Menschen mit arabischen Wurzeln verallgemeinert". Es ärgere ihn sehr, dass er in der Sendung "Markus Lanz", wo die Aussagen von Merz getätigt wurden, geschwiegen habe. Auch Fratzscher war dort zu Gast gewesen. Die frühere Berliner SPD-Staatssekretärin Sawsan Chebli übte ebenfalls Kritik an Merz. "Ich habe so viele junge Leute in den letzten Tagen gesprochen. Alle sagen: Es wird sich nie was ändern. Sie werden immer so über uns reden", twitterte sie.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Josephine Ortleb, schrieb zu der Behauptung von Merz, zwei Drittel der Gewalttäter aus der Silvesternacht kämen "grob nicht aus Deutschland": "Wie falsch, gefährlich und tendenziös kann eine Aussage sein?" Die Menschenrechtsaktivistin und ehemalige Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International, Selmin Hava Çalışkan, erinnerte Merz auf Twitter an den dritten Artikel des Grundgesetzes, wonach niemand wegen "seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden" darf.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, sagte in Berlin, es sei bedauerlich, dass man es in Deutschland immer noch nicht schaffe, eine Debatte wie die über die Angriffe auf Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr in der Silvesternacht zu führen, ohne rassistische Vorurteile zu bedienen. Sie rief dazu auf, die Angreifer "nach ihren Taten zu beurteilen und nicht nach ihren Vornamen". Der Union warf sie vor, diese stigmatisiere Menschen mit Einwanderungsgeschichte und ihre Nachkommen.

Lehrerverbände sind uneins

Der Vorsitzende des Grundschulverbands, Edgar Bohn, sagte, er könne die zitierte Aussage und die Pauschalierung nicht bestätigen und halte sie für "sehr überzeichnet und nicht zutreffend". Ihm sei bekannt, dass Eltern, unabhängig von deren Status und Herkunft, vereinzelt unangemessen gegenüber Lehrkräften der Grundschulen aufträten. "Ich selbst habe das auch in meiner aktiven Zeit erlebt und bin dabei mindestens zwei Mal - die ich noch erinnere - körperlich bedroht worden." Eine Unfähigkeit von Schulen, auf solche Übergriffe adäquat zu reagieren, sehe er aber nicht.

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Lehrerverbandspräsident Heinz-Peter Meidinger gab Merz hingegen recht, "auch wenn man natürlich einschränken muss, dass das jetzt nicht ein Generalverdacht oder Pauschalvorwurf an alle Familien mit einem entsprechenden Migrationshintergrund sein kann". Grundsätzlich gebe es aber ein Problem, dass insbesondere weibliche Lehrkräfte nicht ernst genommen würden und deren Autorität nicht anerkannt würde. Meidinger sagte, Kinder trügen teilweise Einstellungen von zu Hause in die Schulen hinein und es komme vor, dass Väter sich weigerten, mit weiblichen Lehrkräften zu reden.

Merz hatte bei "Lanz" zum Thema Silvesterkrawalle gesagt, es fange nicht in Berlin und Neukölln an. Lehrerinnen und Lehrer in den Grundschulen erlebten täglich verbale Gewalt. Wenn sie Kinder zur Ordnung rufen wollten, kämen in der Folge die Väter in die Schulen und verbäten sich dies. "Insbesondere, wenn es sich um Lehrerinnen handelt, dass sie ihre Söhne, die kleinen Paschas, da mal etwas zurechtweisen. Da fängt es an." Wenn man nicht in der Lage sei, den Lehrerinnen und Lehrern zu helfen, "dann sind es in der Schule die 8-Jährigen und dann draußen auf der Straße in wenigen Jahren die 15-Jährigen. Da liegt doch das Problem".

Quelle: ntv.de, jug/dpa

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