Politik

Silvester in Berlin Merz bei Lanz: "Die Söhne, diese kleinen Paschas"

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"Ich finde es grauenhaft", sagt Merz zu den Ausschreitungen in Berlin.

(Foto: ZDF und Markus Hertrich)

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Nach den Ausschreitungen in mehreren Städten in der Silvesternacht hat die Aufarbeitung begonnen. Am Dienstagabend geht es in den Talkshows in ARD und ZDF um dieses Thema. Und CDU-Chef Merz hat einen besonderen Auftritt.

Die Bilder sind verstörend. In Berlin-Neukölln greifen in der Silvesternacht vor allem Jugendliche Polizeibeamte und Feuerwehrleute an, bewerfen sie mit Silvesterraketen, schießen mit Schreckschusspistolen auf sie. Ähnliche Bilder gibt es in der nordrhein-westfälischen Stadt Hagen. In beiden Städten soll es sich nach ersten Berichten bei den Tätern vor allem um Jugendliche mit Migrationshintergrund gehandelt haben. Anders in der Stadt Borna in der Nähe von Leipzig. Hier geht die Polizei davon aus, dass vor allem rechtsradikale Deutsche für Unruhen verantwortlich sind.

Und auch in Berlin gibt es Verwirrung, was die Täter angeht. So spricht Markus Lanz in seiner ZDF-Talkshow von 145 Straftätern, von denen zwei Drittel einen Migrationshintergrund haben sollen. Das hatte die Polizei zunächst auch mitgeteilt. Laut dem Berliner "Tagesspiegel" hat sie ihre Angaben inzwischen aber präzisiert. Die Zeitung teilte am Montag mit, zwar habe es insgesamt 145 Festnahmen gegeben, jedoch lediglich 38 wegen Attacken mit Böllern auf Polizisten und Feuerwehrleute. Zwei Drittel der zumeist jungen Leute seien in Wahrheit Deutsche gewesen.

"Eine schlechte Entwicklung"

Dennoch: Berlin hat ein Problem. Das weiß auch die regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey von der SPD. "Was wir Silvester gesehen haben, ist eine schlechte Entwicklung", sagt sie in der ARD-Talkshow "Maischberger". Man habe gewusst, dass die Silvesternacht "heftig" werden würde. "Aber dass wir in dieser Form und mit diesen gezielten Attacken auf unsere Sicherheitskräfte konfrontiert würden, damit haben auch Hartgesottene, die schon sehr lange dabei sind, nicht gerechnet."

Dabei hatte der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Stephan Weh, schon im November ein Böllerverbot für die Innenstadt von Berlin gefordert. Das sei nicht durchsetzbar gewesen, erklärt Giffey. "Wenn Sie ein Böllerverbot aussprechen, müssen Sie es auch umsetzen können. Das ist aber nur möglich, wenn man auch gleichzeitig den Böllerverkauf einschränkt", sagt die Politikerin. Sie fordert, die Straftäter konsequent zu verfolgen und zu belangen.

Ferner will Giffey eine Verschärfung des Waffen- und des Sprengstoffgesetzes erreichen, durch die zum Beispiel die Erlaubnis eingeschränkt werden soll, Schreckschusspistolen zu besitzen. Zudem sollen "harte Böller" verboten werden.

Die aktuelle Migrationsdiskussion hält Giffey für falsch. "Das sind Jungs aus dem Kiez", sagt die ehemalige Bezirksbürgermeisterin von Neukölln. "Die sind da geboren und aufgewachsen. Auch deren Eltern sind da schon geboren. Das sind Berliner mit deutscher Staatsangehörigkeit. Die Forderung, dass sie wieder zurück sollen, führt da zu gar nichts." Dennoch gebe es in Berlin soziale Brennpunkte, wo es eine soziale Segregation gebe. Dieser Begriff kommt aus der Soziologie und bedeutet, dass es in diesen Bezirken im Vergleich zu anderen Stadtteilen eine soziale Ungleichheit gibt. In Berlin-Neukölln ist das definitiv der Fall.

Was Giffey konkret dagegen tun will, wird sie von Sandra Maischberger gefragt. Der Antwort weicht sie aus. Am Mittwoch soll es einen Gipfel gegen Jugendgewalt geben. "Wir müssen auch hinter die Probleme schauen", sagt sie. Eine Forderung, die nach 20 Jahren SPD-Regierung in Berlin recht hilflos wirkt.

"Ich finde es grauenhaft"

CDU-Chef Friedrich Merz wird da konkreter. Er verlangt besonders von jungen Migranten aus dem arabischen Raum mehr Respekt. "Ich finde es grauenhaft", sagt er über die Ausschreitungen in Berlin bei Markus Lanz im ZDF. "Das ist völlig inakzeptabel, dagegen müssen wir etwas tun." Merz fordert vor allem härtere Strafen. "Wir müssen dafür sorgen, dass den Leuten, die diesen Rechtsstaat herausfordern, von vornherein die Grenzen aufgezeigt werden. Das tun einige Länder nicht ausreichend."

Dabei geht es Merz jedoch längst nicht nur um Migranten. "Sie können das bis heute sehen, was zum Beispiel gerade in Lützerath passiert. Dass aus der Klimabewegung die Polizei angegriffen wird. Das hat mit Meinungs- und Demonstrationsfreiheit nichts mehr zu tun. Das sind Gewalttaten, das sind Straftaten."

Das größte Problem sieht Merz jedoch in mangelnder Integration eines Teils der Jugendlichen, vor allem aus dem arabischen Raum. "Wir sprechen über Menschen, die hier in Deutschland eigentlich nichts zu suchen haben", so Merz. Die Gefahr sieht der CDU-Politiker bei geduldeten Migranten, die nicht abgeschoben würden. Man dürfe sich nicht wundern, "dass es hier solche Exzesse gibt". Merz nennt als Beispiel verbale Gewalt, die schon in der Schule anfange, vor allem gegen Lehrerinnen.

"Und dann wollen sie diese Kinder zur Ordnung rufen und die Folge ist, dass die Väter in den Schulen erscheinen und sich das verbitten, dass die Lehrerinnen die Söhne, die kleinen Paschas, mal etwas zurechtweisen." Was in der Schule beginne, setze sich später auf der Straße fort. Das will Merz nicht hinnehmen. "In diesem Land hat jeder eine Chance. Und wer sich nicht daran hält, der hat in diesem Land nichts zu suchen", sagt er.

Nach dem Ausbruch des CDU-Politikers herrscht eine Mischung aus Ratlosigkeit und Entsetzen bei den Gästen der Lanz-Show. Und den Moderator scheint ein sehr seltenes Phänomen befallen zu haben: Ihm bleibt spürbar die Spucke weg.

(Dieser Artikel wurde am Mittwoch, 11. Januar 2023 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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