Politik

Der Erfahrene und die Jungen Kubicki klagt über "Karrierefeiglinge"

Wolfgang Kubicki (FDP) und Sigmar Gabriel (SPD) verstehen sich trotz unterschiedlicher Parteizugehörigkeit.

Wolfgang Kubicki (FDP) und Sigmar Gabriel (SPD) verstehen sich trotz unterschiedlicher Parteizugehörigkeit.

(Foto: picture alliance/dpa)

Als Querulant sieht sich Wolfgang Kubicki. Wie er das geworden ist, schreibt der stellvertretende FDP-Vorsitzende in seinem neuen Buch. Um das vorzustellen, holt er sich den ehemaligen SPD-Chef Sigmar Gabriel dazu. Die beiden verstehen sich gut - und ähnlich sind sie sich auch.

Als unangepasst, als einer, der auch mal gegen den Strom schwimmt - so versteht sich Wolfgang Kubicki. Wie er zu diesem "Querulant aus dem Norden" wurde, beschreibt der FDP-Politiker in seinem neuen Buch, das er am Mittwoch vorstellte. In "Sagen, was Sache ist!" geht es nicht nur um seine persönliche Biografie - angefangen bei der Kindheit in Braunschweig über die FDP-Karriere bis hinzu seinen drei Frauen -, sondern auch um politische Analysen.

Der stellvertretende FDP-Parteivorsitzende plädiert darin etwa dafür, nach der nächsten Bundestagswahl eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen noch einmal anzupacken: "Heute mehr denn je halte ich ein Jamaika-Bündnis im Bund für ein zeitgemäßes Modell der politischen Gestaltung - und für das Beste, was Deutschland im Moment passieren könnte, zumal die SPD auf absehbare Zeit ausfallen wird." Eine solch breite Koalition könne gesellschaftliche Gräben überwinden. Jamaika im Bund sei nun um einiges wahrscheinlicher als nach der Bundestagswahl 2017. Das Personal sei ein neues, oppositionelle Grüne und FDP könnten sich mittlerweile besser einschätzen.

Auch wenn er für die SPD keine Hoffnung mehr hat, für den ehemaligen Vorsitzenden Sigmar Gabriel hat Kubicki einiges übrig. Nicht nur mit FDP-Parteichef Christian Lindner - "ein rhetorisch brillanter Kopf" mit einem "tieferen Sinn für Humor" - tausche er sich gerne aus, sondern auch mit dem Sozialdemokraten. Dieser sei ein "Menschenfänger, eine große politische Kapazität". Vernichtend urteilt er über eine SPD ohne ihn: "Eine SPD, die auf Sigmar Gabriel verzichtet, ist mit dem Klammerbeutel gepudert." Doch der Umgang der Partei mit Gabriel sei "so abartig, dass man sich dafür schämen muss", sagte Kubicki bei der Vorstellung seines Buches.

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Gemeinsam mit so Gepriesenen präsentierte er jetzt sein Buch. Vor knapp einem Jahr hatte Kubicki wiederum Gabriels Buch "Zeitenwende in der Weltpolitik" vorgestellt. Die jetzige Laudatio war ein Versprechen, das Gabriel ihm damals gegeben hatte. Nicht nur in ihrem politischen Grundverständnis harmonieren sie. Für Gabriel ist Kubicki nämlich kein "Parteiideologe", sondern sozialliberal.

Das Buch sei, findet Gabriel, eine Anleitung für Nachwuchspolitiker. Denen fehle es, da pflichteten sich Gabriel und Kubicki bei, zu oft an Erfahrung. Sie seien meistens "Karrierefeiglinge, die lieber nichts sagen als das Falsche", sagte der 67-jährige Kubicki. Er hat auch einen Vorschlag - rechtlich, sei dieser wohl nicht umsetzbar: "Ich hielte es für politisch und pädagogisch für sinnvoll, wenn Abgeordneter in einem Landes- oder Bundesparlament nur werden kann, wer zwei oder drei Jahre Berufserfahrung nachweisen kann, völlig egal in welchem Beruf, und damit auch Lebenserfahrung."

Lebenserfahrung, das betonten Kubicki und Gabriel, hätten sie zu Genüge. Bei der Vorstellung des Buches schwelgten sie in Erinnerungen an ihre eigene raue Jugendzeit. Kubicki wuchs in Braunschweig auf, Gabriel unweit davon entfernt in Goslar, beide kommen aus ähnlichen Milieus: Gabriel stammt aus einfachen Verhältnissen, Kubickis Familie kam als Flüchtlinge aus Schlesien. "Ich galt als Prügelknabe und wich, bis ich 16 war, keiner Schlägerei aus", sagte Kubicki. In dem Buch stehe davon nichts, "das ist gestrichen worden." Dafür fielen bei der Vorstellung markige Sprüche über seine Jugend: "Auf die Fresse geben, ist besser, als auf die Fresse kriegen." Gabriel scheint zu wissen, wovon Kubicki redet. Auch bei ihm sei es "ruppig" zugegangen. "Nach dem Fußball war der Kampf noch nicht zu Ende", sagt Gabriel.

"Überwiegend" mit sich im Reinen

Einig waren sich der Sozialdemokrat und der Liberale auch bei einer Einschätzung der Medien. Gabriel kritisierte etwa, wie hart manche Journalisten gerade mit jungen Politikern umgingen. Kubicki ergänzte, es sei ihm zwar "völlig Wurst", was über ihn geschrieben werde. Dennoch ärgerte ihn, wie erst kürzlich seine Aussagen verdreht worden seien, nachdem er in einem Interview mit der "Passauer Neuen Presse" für eine "konstruktive Auseinandersetzung" mit der AfD und eine neue Strategie plädiert hatte. Daraufhin habe er anderswo gelesen, er fordere einen kompletten Kurswechsel der FDP.

Auch wenn er sich so lautstark über die Medien empörte: Der "Prügelknabe" von einst ist ruhiger geworden. "Überwiegend" sei er mit sich im Reinen, schreibt Kubicki in seinem Buch. "Es gab sicherlich Phasen in meinem Leben, in denen ich glücklicher, aufgeregter, emotionaler war als heute. Aber es gab sicher keine Phase, in der ich zufriedener war."

Quelle: ntv.de

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