Angst vor Putin "lähmt" Westen Kuleba: "Deutschland fürchtet wirtschaftliche Opfer"
30.03.2022, 15:32 Uhr
Putin nutze seine Atomwaffen lediglich als Druckmittel, ist sich Kuleba sicher.
(Foto: picture alliance / SULUPRESS.DE)
Die Sanktionen der westlichen Staaten gegen Russland gingen nicht weit genug, sagt der ukrainische Außenminister Kuleba. Vor allem an Deutschland stellt er konkrete Forderungen. Der Chefdiplomat berichtet zudem vom Leben als Politiker in stetiger Todesgefahr.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat eine mangelnde Unterstützung seines Landes durch den Westen und insbesondere durch Deutschland beklagt. "Einige westliche Staaten sind perfekt darin, Ausflüchte zu finden", sagte Kuleba dem "Stern". "Deutschland fürchtet sich davor, wirtschaftliche Opfer bringen zu müssen. Aber wissen Sie was? Wir bringen wirkliche Opfer. Wir verlieren Menschen."
"Russland nicht zu unterstützen, bedeutet nicht automatisch, dass man damit bereits die Ukraine unterstützt", sagte Kuleba. "Solange der Krieg weitergeht, muss Ihr Land mehr für uns tun." Er fordert unter anderem, russische Im- und Exporte über deutsche Häfen zu stoppen, alle Banken vom Zahlungssystem Swift abzukoppeln und sämtliche Lieferungen von Gas, Öl und Kohle sofort zu beenden. "Das sind echte Maßnahmen, um Russlands Kriegsmaschinerie zu stoppen."
Atomwaffen als "Einschüchterungsinstrument"
Kuleba pocht zudem auf die Einrichtung einer Flugverbotszone über der Ukraine, die von der NATO jedoch abgelehnt wird. Der russische Präsident Wladimir Putin nutze seine Drohungen mit Atom- und Chemiewaffen nur als "Druck- und Einschüchterungselement", sagt Kuleba. "Er will, dass der Westen vor Angst gelähmt wird, während Russland weiterhin ukrainische Städte auch ohne den Einsatz von Atomwaffen vom Erdboden tilgt."
Der Chefdiplomat war trotz der Angriffe auf die ukrainische Hauptstadt wie Präsident Wolodymyr Selenskyj in Kiew geblieben. Aus Sicherheitsgründen arbeite er allerdings niemals zwei Tage hintereinander im selben Büro und wechsele permanent seinen Schlafplatz, sagte er dem "Stern". "Ich schlafe schlecht, wache zwei-, dreimal in der Nacht auf. Wegen des Luftalarms." Über die drohende Todesgefahr werde in der ukrainischen Führung aber nicht geredet, sagte der Außenminister. "Wir alle wissen: Es ist Krieg. Alles kann passieren. In jedem verdammten Moment. Da müssen wir durch. Und zwar mit Würde."
Er selbst sei "wahnsinnig stolz", zu einem Land zu gehören, das sich so wehrt wie die Ukraine. "Wir haben keine Angst vor Russland", sagte Kuleba. "Wir haben keine Wahl. Wenn die Ukraine gewinnt, wird es ein neues Russland geben. Wenn Russland gewinnt, wird es keine Ukraine mehr geben. Deshalb werden wir so lange kämpfen, bis wir gewonnen haben."
Quelle: ntv.de, mdi/AFP