Politik

Auf Flucht vor russischer Armee Ukrainer berichten von Plünderungen nahe Kiew

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Seit Tagen wird die Region rund um Kiew von russischen Truppen belagert. Viele Ukrainer fliehen aus ihren Dörfern und Städten, sie erzählen von Gewalt und Plünderungen. Doch es gibt nach wie vor Hoffnung zwischen den Trümmern. Sein Land werde gewinnen, sagt der Bürgermeister von Browary.

"Sogar unsere Socken und Unterwäsche haben sie uns weggenommen", sagt Waleriji Koriatschenko voller Empörung. Seine Unterlippe bebt, der 50 Jahre alte Bäcker kann es immer noch nicht fassen: Russische Soldaten haben sein Haus in einem Dorf östlich von Kiew besetzt und seine Familie vertrieben. "Sie entsicherten das Gewehr und sagten, dass sie jetzt dort leben", berichtet Koriatschenko.

Die russischen Soldaten bauten seinen Schilderungen zufolge einen Granatwerfer in Koriatschenkos Garten auf und begannen, auf die ukrainischen Truppen zu schießen. Die Familie floh nach Browary, eine Stadt 20 Kilometer vom Zentrum Kiews entfernt, die sich zu einem Zufluchtsort für Vertriebene der Region entwickelt hat. Dort steht Koriatschenko mit vielen anderen Geflohenen in der Schlange vor der Stadtverwaltung, um Hilfe zu erhalten.

In einigen Dörfern und Städten rund um Kiew war es der ukrainischen Armee in den vergangenen Wochen gelungen, die russischen Truppen zurückzudrängen, die versuchen, die Hauptstadt einzukesseln. Am Dienstag kündigte der stellvertretende russische Verteidigungsminister Alexander Fomin zwar an, Moskau werde die militärischen Aktivitäten in Kiew und der nördlichen Stadt Tschernihiw "radikal" reduzieren. Doch schon kurz danach wurde Tschernihiw nach ukrainischen Angaben wieder "die ganze Nacht bombardiert".

"Sie übernehmen einfach die Häuser"

Die Belagerung ist noch lange nicht beendet: Zwei ramponierte Busse mit Polizeibegleitung bringen am Dienstag vertriebene Bewohner aus dem Dorf Rudnyzke nach Browary. Eine Frau mit einer rosafarbenen Baseballmütze starrt aus dem Busfenster und wiegt eine braun-weiße Katze in ihren Mantel. Außer dem Tier konnte sie fast nichts von zu Hause retten.

Die Menschen, die bei strömendem Regen aus dem Bus steigen, wirken verwirrt und erschöpft. Sie drängen in die Zelte, wo es heißen Tee und Essen gibt. "Es ist einfach nur schrecklich. Um zu fliehen, bin ich über die Felder gerannt", sagt Julia aus dem 25 Kilometer entfernten Dorf Schewtschenkowe. Sie weint vor Wut über die Invasoren, während ihre sechs Jahre alte Tochter Viktoria Seifenblasen in die Luft pustet. "Gas und Strom, das ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass die russischen Soldaten im Dorf sind. Sie übernehmen einfach die Häuser der Leute und leben dort, sie nehmen die Autos und plündern die Garagen", sagt Julia, die nur ihren Vornamen nennen möchte. "Ich rufe die ganze Welt auf: Helft uns, diese Feinde zu vertreiben."

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In Browary richtete die Verwaltung eine riesige Sammelstelle für Lebensmittel ein, die ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP auf einer Pressetour der ukrainischen Regierung besichtigt. Von hier aus werden die Spenden aus dem Ausland weiterverteilt. Einige der Fenster des Lagers wurden durch eine russische Rakete zerstört. Beamte zeigen auch die verkohlten Trümmer eines anderen Gebäudes, in dem tausende Tonnen Lebensmittel gelagert waren. Die russischen Truppen hätten es, wie mehrere andere Lebensmittellager in der Region, absichtlich mit einem Raketenangriff zerstört, sagt der Beamte.

Auch solche Angriffe würden den Widerstand der Bevölkerung nicht brechen, sagt der Bürgermeister von Browary, Igor Saposchki, und versichert: "Die Ukraine wird gewinnen. Es gibt keine andere Lösung."

Quelle: ntv.de, Danny Kemp, AFP

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