Die Geister, die Trump rief ... McCarthy und kein Plan B
05.01.2023, 07:02 Uhr
"Wir werden so lange reden, bis wir es geschafft haben", sagt Kevin McCarthy nach der sechsten Wahlschlappe.
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Die Republikanische Partei ist wie gelähmt. Nach sechs Wahlgängen an zwei Tagen ist kein Ausweg in Sicht. Derzeit scheint die einzige Option: Weiterwählen, bis Kevin McCarthy der neue Sprecher ist. Alternative Kandidaten sind nicht in Sicht.
Als Kevin McCarthy am Mittwochabend den Plenarsaal verlässt, erwarten ihn Dutzende Journalisten. Die Kameras und Handys sind auf ihn gerichtet. Der 57-Jährige schlendert umringt von Reportern durch den Gang des Kapitols zum Büro, in dem der Sprecher sitzt. Seine Sachen hatte er dort schon hinbringen lassen, noch bevor der erste Wahlgang startete. Auf die Frage, was in der Nacht passieren soll, damit er morgen genügend Stimmen zusammenbekommt, antwortet McCarthy kurz und knapp: Wir werden so lange reden, bis wir es geschafft haben.
Dabei wurde schon so viel geredet und versprochen und entgegengekommen. Geholfen hat es nichts. Wie groß seine Verzweiflung ist, zeigt die Tatsache, dass er den Abweichlern sogar zusichern wollte, die Abwahl des Sprechers per Misstrauensvotum zu vereinfachen. Er lockte mit Posten. Alles erfolglos. Und will McCarthy nicht komplett zur Marionette einer extremen Minderheit seiner Fraktion werden, kann er ihnen nicht alles zugestehen.
Es sind die Geister, die die Trumpbewegung in der Republikanischen Partei hervorbrachte und die jetzt keiner mehr kontrollieren kann. Rechtsradikale, Menschen, die den Wahlsieg von Joe Biden leugnen - eine Gruppe von Extremisten. Auch der Aufruf von Donald Trump "stimmt für Kevin, er wird gute Arbeit machen. Vielleicht sogar großartige" half nichts. Der rechte Flügel der Partei hat sich verselbstständigt und treibt die Fraktion vor sich her. Und legt die Politik in Washington lahm. Kein Abgeordneter ist bisher eingeschworen, keine Ausschussarbeit kann beginnen - für alles braucht das Repräsentantenhaus erst einen Sprecher.
Kein Alternativ-Kandidat in Sicht
McCarthy wird an seinem Plan nichts ändern: Wir wählen so lange, bis ich die 218 Stimmen habe, sagte er noch vor dem ersten Wahlgang. Und die Partei schaut machtlos zu. Zu wenig wird auf den Fluren in Wahlpausen bisher über alternative Kompromiss-Kandidaten gesprochen. Der parteiinterne Krieg scheint zum jetzigen Zeitpunkt unauflösbar.
Joe Biden hat als amtierender Präsident mit dem Wahlprozess im Parlament nichts zu tun, aber er nannte es "peinlich", was da vor den Augen der amerikanischen Bevölkerung und der gesamten Weltöffentlichkeit aufgeführt wird. Es ist ein Drama. Sechsmal bisher der gleiche Satz: "Es ist kein Sprecher gewählt."
Wenn in Deutschland am Donnerstag der Abend beginnt, startet im Kapitol die nächste Sitzung. Washington D.C. Ortszeit, 12 Uhr - dann werden die Abgeordneten wieder zusammenkommen, um Wahlgang sieben zu starten. In einer Sache werden alle im Plenarsaal vereint sein: dem Schwur auf die Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika, zu Beginn der Sitzung. Danach? Geht ein beispielloser Kampf in seine nächste Runde.
Quelle: ntv.de