"Geschenk für die Mafia" Meloni erlaubt Italienern höhere Barzahlungen
26.10.2022, 21:59 Uhr
Italiens Regierungschefin Meloni sieht keinen Anreiz für Steuerhinterziehung: Von derzeit 2000 Euro soll das Barzahlungslimit auf 10.000 Euro steigen.
(Foto: REUTERS)
Ob Italiens neue Premierministerin sich mit Wirtschaftspolitik auskennt, muss sie noch beweisen. Nachdem sie erst die Zinserhöhungen der EZB beklagt hat, hebt sie nun die Bargeld-Höchstgrenzen an. Die Opposition unterstellt Meloni unlautere Motive. Die Vertrauensabstimmung gewinnt sie trotzdem.
Die neue italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni will die Höchstgrenze für Bargeld-Zahlungen anheben. Damit werde sie eines ihrer Wahlversprechen einlösen, sagte die Chefin der rechtsgerichteten Regierung am Abend in Rom. Melonis Koalitionspartner Lega, die von Matteo Salvini geführt wird, hatte zuvor einen Gesetzentwurf vorgelegt, dem zufolge das Limit von derzeit 2000 auf 10.000 Euro angehoben werden soll.
Ursprünglich sollte die Höchstgrenze 2023 auf 1000 Euro reduziert werden. Die Begrenzung von Bargeldzahlungen soll Steuerhinterziehung erschweren. Dem italienischen Finanzministerium zufolge wurden 2019 etwa 18,5 Prozent aller Steuern dem Staat vorenthalten. Jährlich fehlen dadurch mehr als 100 Milliarden Euro im Haushalt. Franco Mirabelli von der oppositionellen Demokratischen Partei bezeichnete die Pläne der Regierung als Geschenk für die Mafia. "Es fördert Steuerhinterziehung und Geldwäsche", schrieb er auf Facebook.
Meloni verneinte einen Zusammenhang. Mit Blick auf Deutschland fügte sie hinzu: "Es gibt Länder ohne Höchstgrenzen und mit einer sehr geringen Steuerhinterziehung." Einer Studie der Bank von Italien zufolge verhalf die Anhebung der Höchstgrenze von 1000 auf 3000 Euro im Jahr 2016 der Schattenwirtschaft allerdings zu einem Schub. Eigentlich sollte mit der Maßnahme der Konsum angekurbelt werden. Ähnlich wie in Deutschland sind Bargeld-Geschäfte in Italien seit jeher beliebt. Erst in der Virus-Pandemie gewannen Karten- und Handyzahlungen an Akzeptanz. Der Zwang hierzu ist in vielen Kreisen aber unpopulär. Gegner sehen darin eine Einschränkung ihrer Freiheit und führen Datenschutz-Bedenken an.
Hohe Verschuldung: Kritik an EZB-Zinssprüngen
In ihrer ersten Rede vor dem Parlament hatte Meloni die Europäische Zentralbank (EZB) kritisiert. Die Zinserhöhung im Juli - die erste der Notenbank seit elf Jahren - war "eine Entscheidung, die viele als gefährlich betrachteten und die riskiert, die Bankkredite an Familien und Unternehmen zu treffen", sagte sie am Dienstag in Rom. Die Zinserhöhungen und der Stopp der Anleihenkäufe "haben zusätzliche Schwierigkeiten für solche Mitgliedsstaaten geschaffen, die wie wir eine hohe öffentliche Verschuldung aufweisen", führte sie aus.
Italien ist nach Griechenland das am stärksten verschuldete Euro-Land. Die Verbindlichkeiten machten Ende 2021 etwa 150 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Die EZB hatte im Kampf gegen eine ausufernde Inflation im Euro-Raum im Juli die Zinswende eingeleitet.
Am Abend sprach auch die zweite Parlamentskammer der neuen Regierung unter Meloni das Vertrauen aus. Bei einer Abstimmung im Senat erhielt die Ministerpräsidentin und ihr Kabinett die nötige absolute Mehrheit, nachdem tags zuvor schon das Abgeordnetenhaus für die neue Rechtsallianz in der Exekutive votiert hatte. Im kleineren Senat stimmten 115 der 200 anwesenden Parlamentarier für Meloni. Ein Erfolg war der 45-Jährigen praktisch sicher, da ihre Koalition die absolute Mehrheit in den beiden Kammern hält.
Quelle: ntv.de, mau/rts