Zukunfts-Fragen nach Wahlpleite Merz: Union ist "schwerer Sanierungsfall"
15.10.2021, 22:00 Uhr
Friedrich Merz verordnet seiner Partei ein Sanierungsprogramm.
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Nach dem tiefen Sturz beginnt die Einkehr: Beim Deutschlandtag der Jungen Union hält Friedrich Merz seiner Partei den Spiegel vor - bezeichnet sie nach der Niederlage bei der Bundestagswahl als "insolvenzgefährdet". Eine bestimmte Debatte will er aber noch nicht führen.
Der CDU-Politiker Friedrich Merz hat seine Partei beim Deutschlandtag der Jungen Union aufgefordert, jetzt keine Personalfragen in den Vordergrund zu stellen. "Wir sollten uns ausschließlich mit der Frage beschäftigen, wie kommen wir da wieder raus?", sagte der Wirtschaftsexperte und frühere CDU/CSU-Fraktionschef. In seiner Rede bezeichnete er die Union nach dem desaströsen Wahlergebnis bei der Bundestagswahl als "insolvenzgefährdeten schweren Sanierungsfall".
Die Union habe 2021 im Vergleich zu 2013 rund ein Drittel ihrer Wähler verloren. "Wir sollten die Frage beantworten, was können nur wir, was die anderen nicht können", sagte Merz. Der Bundestagsabgeordnete aus dem Hochsauerland wurde beim Einzug in die Halle Münsterland begeistert empfangen. Während seiner Rede reagierten die 317 Delegierten deutlich verhaltener auf seine Anmerkungen. "Das ist jetzt nicht die Zeit für Partys. Das ist die Zeit für ernsthafte politische Auseinandersetzungen", sagte Merz.
Mit einem klaren Bekenntnis zur Wahlniederlage der Union ist der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, in den Deutschlandtag der Organisation gestartet. "Wir müssen klar Farbe bekennen. Wir haben die Wahl verloren, und deshalb geht es in die Opposition", sagte Kuban in seiner Auftaktrede zum dreitägigen Treffens des Parteinachwuchses von CDU und CSU. Die Union habe sich zuletzt benommen wie ein Hühnerhaufen. "Deshalb liegt der Ball jetzt im Spielfeld der SPD", sagte der CDU-Politiker. Er gratulierte dem sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten Olaf Scholz zum Wahlsieg. Der JU-Vorsitzende beklagte in seiner Rede eine gespaltene CDU. "Deshalb brauchen wir eine Debatte für ein Grundsatzprogramm der Union und eine Antwort auf die Frage, was uns eigentlich noch ausmacht in dieser Partei."
Söder erscheint nicht zum Deutschlandtag
Scharfe Kritik gab es gleich zu Beginn des Treffens an Armin Laschet und Markus Söder. "Wer im Wahlkampf auftritt wie Armin Laschet, der sollte nach der Wahl nicht direkt den Anspruch erheben, Kanzler zu werden, sondern vor allen Dingen Verantwortung für das Ergebnis übernehmen", sagte der JU-Vorsitzende von Nordrhein-Westfalen, Johannes Winkel, zum Auftakt des Deutschlandtags in Münster. "Und wer im Wahlkampf so nachtritt wie Markus Söder, der sollte nach der Wahl nicht über Stilfragen reden, sondern zur Beichte gehen", fügte Winkel hinzu. Der Landeschef forderte, den Nachfolger von Laschet als CDU-Chef von der Basis bestimmen zu lassen.
Den CDU-Gremien dürfe diese Aufgabe derzeit nicht überlassen werden, sagte Winkel. "Wenn sich die Gremien in einer derartigen Vertrauenskrise befinden, dann muss man doch erkennen: Wir werden diese Partei nur zusammenhalten, wenn wir den nächsten Vorsitzenden in einer Mitgliederbefragung wählen."
Der Deutschlandtag ist das höchste Gremium der Jungen Union Deutschlands. Zu dem jährlich stattfindenden Treffen kamen 318 Delegierte aus allen 18 Landes- und den Auslandsverbänden nach Münster. Mit Spannung wird der Aufritt von CDU-Chef Armin Laschet am morgigen Samstag erwartet. Zunächst hatte auch CSU-Chef Markus Söder einen Auftritt angekündigt - er sagte sein Kommen aber kurzfristig ab, weil er an einer CSU-Basisveranstaltung in Bayern teilnehmen will. JU-Chef Kuban kritisierte die Absage als "enttäuschend".
Quelle: ntv.de, lve/dpa/AFP