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Kretschmer bei Miosga Nach Attacke auf SPD-Politiker: "Es ist fünf vor zwölf"

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Michael Kretschmer gehört innerhalb der CDU zur Minderheit, die den Ukrainekrieg auf diplomatischem Weg schnell beenden will.

Michael Kretschmer gehört innerhalb der CDU zur Minderheit, die den Ukrainekrieg auf diplomatischem Weg schnell beenden will.

Die gewaltsamen Übergriffe auf Politiker demokratischer Parteien in Sachsen mobilisieren mehrere Tausend Menschen in Berlin und Dresden. Michael Kretschmer sieht dies als "Mutmachzeichen". In der ARD-Talkshow "Caren Miosga" macht Sachsens Ministerpräsident die AfD für die Attacken verantwortlich.

Seit einigen Tagen macht Sachsen Schlagzeilen. Am Freitagabend wird in Dresden der sächsische SPD-Europaspitzenkandidat Matthias Ecke beim Kleben von Wahlplakaten krankenhausreif geschlagen – vermutlich von rechten Schlägern. Die hatten offenbar vorher auch eine Gruppe von Grünen überfallen, die ebenfalls Wahlplakate geklebt hatte. Am Sonntag protestieren in Berlin und Dresden Tausende Bürger für Demokratie. In Berlin ist auch Michael Kretschmer von der CDU dabei. Am Sonntagabend ist der sächsische Ministerpräsident Gast in der ARD-Talkshow "Caren Miosga".

"Das waren wirklich bewegende Reden, das war eine tolle Bürgerschaft, die gesagt hat: Das wollen wir nicht", bewertet Kretschmer die Demonstration. Sie sei für jeden, der politische Verantwortung übernehme, ein tolles Mutmachzeichen gewesen. Die gewaltsamen Übergriffe auf Politiker demokratischer Parteien verurteilt Kretschmer: "Das ist ein Phänomen, das sich in ganz Deutschland ausbreitet und dem wir ein Stoppzeichen entgegensetzen müssen. Denn wenn man nicht mehr für seine Meinung streiten kann, wenn man nicht mehr einen fairen Wahlkampf machen kann, dann ist das keine faire Demokratie mehr."

Unfassbar sei, wie rechte Kameradschaften und die AfD im Internet aktiv seien und die Bevölkerung aufstachle. Sie hätten den Politikern von SPD und Grünen vorgeworfen, dass sie mit ihrer Politik das Volk gegen sich aufgebracht hätten und sich deswegen über die Reaktion nicht wundern dürften. "Daran sieht man: Das sind Feinde der Demokratie. Wir müssen alle als Bevölkerung dem etwas entgegensetzen. Es ist fünf vor zwölf, aber wir haben es immer noch in der Hand, die Dinge zu verändern."

Es sei vor allem die AfD, die dieses Klima schaffe, sagt Kretschmer. Seit die "geistigen Brandstifter" 2017 in den Bundestag gekommen seien, habe sich alles verändert. "Seitdem werden Menschen wie ich als Volksverräter dargestellt, wird die Europäische Union als Irrenhaus dargestellt, sagt man, Deutschland sei ein Kasperletheater."

"Ich habe keine Feinde in den demokratischen Parteien"

Sich selbst gibt Kretschmer keine Schuld, obwohl er selbst öffentlich gesagt hatte, man müsse die Grünen loswerden und der Bundesregierung schon mal vorwirft, sie zerstöre die Demokratie. Er wolle in Sachsen eine Koalition ohne die Grünen bilden, und die Ampelkoalition regiere an der Bevölkerung vorbei, so Kretschmer. Ein Beispiel sei der Wegfall der Subventionen beim Agrardiesel gewesen: "500.000 Bauern fahren nach Berlin, zu dieser Bundesregierung, um ein Thema zu klären. Und 500.000 Bauern werden mit einer völligen Ohnmachtserklärung nach Hause geschickt. Der Bauernpräsident, ein großer Demokrat, der versucht hat zu verhandeln, steht am Ende ohne etwas da. Die Regierung ist den Bauern überhaupt nicht entgegengekommen", so Kretschmer.

Eine falsche Behauptung. Die Agrardiesel-Subvention fällt zwar weg, aber nicht sofort, wie die Bundesregierung ursprünglich geplant hatte, sondern auf mehrere Jahre gestaffelt. Zudem haben die Bauern erreicht, dass die Ampelkoalition die ursprünglich geplante Kfz-Steuer auf Agrarfahrzeuge wieder gestrichen hat. Und schließlich hat die EU-Kommission zunächst für dieses Jahr die "Pflichtbrache" ausgesetzt. Das bedeutet: Landwirte müssen nicht mehr wie bisher mindestens vier Prozent ihrer Ackerflächen stilllegen.

Ja, auch er mache sich manchmal Gedanken über seine Aussagen, gibt Kretschmer bei Caren Miosga zu. Aber: "Ich habe keine Feinde in den demokratischen Parteien, und ich bin es auch nicht andersrum." Es seien rechtspopulistische Parteien, die das Land zerstören wollten und menschenverachtende Aussagen träfen. Diese Parteien hätten einen Zustrom an Wählern. "Und das liegt daran, weil die Demokratie derzeit nicht in der Lage ist, die Probleme zu lösen, die aus Sicht der Bevölkerung zu lösen sind. Und das ist ein Riesenproblem."

Übergriffe wie die vom vergangenen Freitag will Kretschmer in Zukunft verhindern. Dazu fordert er härtere Strafen für Gewaltdelikte. Vor allem aber komme es auf eine bessere Politik an. "Demokratie verteidigt man am besten, indem der Rechtsstaat die Probleme löst und nicht zuschaut – und immer die Dinge auf die Spitze treibt."

Kretschmer und der Ukrainekrieg

In der CDU gehört Michael Kretschmer zu einer Minderheit. Zwar wollen alle in seiner Partei den Krieg in der Ukraine beenden. Doch die überwiegende Mehrheit will mehr Waffen an das Land liefern. Kretschmer ist anderer Meinung: Der russische Angriffskrieg sei ein Riesenverbrechen gewesen, sagt er. "Aber jetzt sind wir zwei Jahre nach Kriegsbeginn und versuchen noch immer in der überwiegenden Diskussion es mit den Mitteln zu tun, die zwei Jahre nicht funktioniert haben. Sie werden auch jetzt nicht funktionieren. Man muss das anders machen. Es geht nur mit Diplomatie." Nur so könne man sich strategisch Zeit erkaufen, sagt Kretschmer. Der Westen habe noch immer keine Kriegsziele formuliert, kritisiert er.

Das sieht der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk völlig anders. Er gehört zu den Gästen, die im zweiten Teil der Sendung zu Wort kommen. Kowalczuk, der ukrainische Vorfahren hat, sagt klar: "Das Kriegsziel der Russischen Föderation besteht darin, Freiheit und Demokratie zu zerstören, die Ukraine zu vernichten, und auch gewissermaßen auf Europa zu wirken. Und die westlichen Kriegsziele können nur sein, das mit allen Mitteln zu verhindern."

Quelle: ntv.de

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