Politik

"Russland war beteiligt" Nord-Stream-Sprengung: Die Spur führt nach Moskau

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos

Nach RTL-Recherchen gibt es eindeutige Indizien, dass Russen eine Rolle beim Sabotageakt auf die Gaspipelines in der Ostsee gespielt haben. Zu der Segeljacht "Andromeda", auf der deutsche Ermittler bislang ein ukrainisches Sprengkommando vermuteten, gibt es eine russische Spur. Für den CDU-Politiker Kiesewetter ist klar: "Russland war an diesem Anschlag beteiligt."

Es ist weiterhin ein großes Rätsel: Wer steckt hinter den Anschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines? Deutsche Ermittler verfolgen eine heiße Spur - die Segeljacht "Andromeda". Auf dem Schiff wurden Sprengstoffrückstände gefunden. Ein Spezialkommando aus der Ukraine soll die Jacht genutzt haben, um die Pipelines zu sprengen. Angemietet wurde sie von einem Reisebüro aus Warschau, hinter dem mehrere Ukrainer stehen sollen. Recherchen von RTL und ntv zeigen aber, dass eine der Frauen, die in den Unterlagen der Firma genannt werden, eine Russin ist. Außerdem hat sie nach der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland 2014 geholfen, für die Besatzer Wahlen durchzuführen. Der Frau gehört laut polnischem Handelsregister die Firma, die die "Andromeda" laut deutschen Ermittlern angemietet haben soll.

Auf seiner mittlerweile gelöschten Webseite schreibt das Unternehmen "Feeria Lwowa", so der Name des Warschauer Reisebüros, dass es für "absolute Transparenz und Respekt gegenüber den Bräuchen" des jeweiligen Landes stehe. Schaut man sich aber die Website etwas genauer an, wird schnell deutlich, dass Transparenz hier nicht mehr als eine Floskel ist. Als vermeintliche Kundenrezensionen werden drei Personen zitiert, die es so nicht gibt. Die dazugehörigen Fotos wurden von anderen Personen aus dem Internet übernommen.

Pass zeigt Adresse auf der Krim

So handelt es sich bei einer blonden Frau, die als vermeintliche Kundin zitiert wird, um die britische Radiomoderatorin eines lokalen BBC-Ablegers. Ein Mann ist im echten Leben Uni-Professor, ein weiterer ist Fotomodell. Alle tauchen auf der Seite unter falschen Namen auf. Gelöscht wurde die Internetseite zwischen Dezember 2021 und Januar 2022, also kurz vor Beginn der russischen Invasion in der Ukraine.

Ein Blick in die Dokumente des Reiseunternehmens zeigt, dass hier zwei Frauen an der Spitze stehen. Nataliia A., die seit Herbst 2021 als Geschäftsführerin fungiert, und Diana B., die laut Handelsregisterauskunft 95 Prozent der Anteile am Unternehmen hält. Auf Nataliia A. ist zudem noch ein weiteres Reisebüro in Krakau gemeldet. Auch das ist nur eine Scheinfirma.

Interessant ist dagegen, was man über Diana B. herausfindet. In den Handelsregisterauszügen zu "Feeria Lwowa" ist eine Adresse in Kertsch genannt, einer Stadt auf der seit 2014 von Russland besetzten Krim. Ein Auszug aus dem Passdokument, das RTL und ntv exklusiv vorliegt, bestätigt, dass Diana B. unter dieser Adresse gemeldet ist. Aber noch viel brisanter: Sie besitzt den russischen Pass. Diana B. ist ursprünglich aus Usbekistan und mit ihrer Familie 2001 nach Kertsch gezogen. Einen ukrainischen Pass dürfte sie niemals besessen haben, da die Ukraine die doppelte Staatsbürgerschaft nicht vorsieht. Inzwischen hat Diana B. geheiratet und den Namen ihres Mannes angenommen. [Nachtrag: Laut Recherchen der "Süddeutschen Zeitung" besitzt B. auch einen ukrainischen Pass. Die Echtheit dieses Dokumentes wird jetzt überprüft.]

Dass sie während ihrer Geschäftstätigkeit bei "Feeria Lwowa" auch in Warschau war, belegt ein Foto von 2019, das sie in einer bekannten Einkaufsstraße der polnischen Hauptstadt zeigt. In dieser Zeit hatte sie den Posten der Geschäftsführung des vermeintlichen Reisebüros inne.

Diana B. bestätigt Aufenthalt in Russland

Auf den jüngsten Fotos aus dem Juni 2023, die Diana B. auf ihren sozialen Netzwerken gepostet hat, sieht man sie vor dem Fußballstadion in Krasnodar, Russland. Würde sich eine ukrainische Saboteurin gefahrlos auf russischem Territorium aufhalten können? Für den CDU-Politiker Roderich Kiesewetter ist das ausgeschlossen. "Sie könnte sich nicht in Russland aufhalten oder frei bewegen, wenn sie gegen den russischen Staat gehandelt hätte. Denn dort ist ja ein Millionenvermögen vernichtet worden", sagt der CDU-Politiker, der die RTL-Recherchen eingesehen hat.

Mehr zum Thema

Zudem zeigen weitere Recherchen, dass Diana B. nicht nur einen russischen Pass hat, sondern in den Jahren nach der Annexion der Krim auch aktiv die prorussische Politik unterstützt hat. So war sie in den Jahren danach mehrmals stimmberechtigtes Mitglied der prorussischen Wahlkommission. Als RTL bei Diana B. anruft, bestätigt sie, dass sie sich zurzeit in Russland aufhält. Über ihre Rolle bei "Feeria Lwowa" möchte sie keine Auskunft geben.

Für den CDU-Politiker Kiesewetter müssten die neuen Erkenntnisse unmittelbare Folgen für die deutschen Strafermittler haben. "Ich hoffe, dass der Generalbundesanwalt in diese Richtungen ermittelt", sagt Kiesewetter. "Das muss rechtlich aufgearbeitet werden." Der Generalbundesanwalt wollte sich auf Anfrage nicht zu den Recherchen in Richtung Russland äußern. Es werde "im Rahmen der andauernden Ermittlungen sämtlichen Hinweisen zur Aufklärung des Sachverhalts nachgegangen", hieß es nur. Für CDU-Sicherheitsexperten steht eindeutig fest: "Russland war an diesem Anschlag beteiligt."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen