Anschlag auf Nord-Stream-Röhren Dänen wurden von CIA nicht informiert
30.06.2023, 11:44 Uhr Artikel anhören
Das Gasleck war Ende September an der Oberfläche der Ostsee zu sehen.
(Foto: picture alliance/dpa/Swedish Coast Guard)
Angeblich wussten die USA schon vor den Explosionen an den Nord-Stream-Pipelines von Anschlagsplänen der Ukraine. Neue Informationen zeigen, dass das nicht wahrscheinlich ist. Zumindest dürften die Informationen nicht ausreichend belastbar gewesen sein.
Anfang Juni berichtete die "Washington Post", der US-Geheimdienst CIA sei bereits drei Monate vor den Anschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines über entsprechende Pläne informiert gewesen. Eine Recherche von RTL und der dänischen Zeitung "Ekstra Bladet" legen nahe, dass dies so nicht stimmen kann.
Ein geheimes Papier aus dem dänischen Verteidigungsministerium zeigt, dass die Dänen von der CIA nicht gewarnt wurden. "Der dänische Militärgeheimdienst hatte vorab keinerlei Informationen zu dem Vorfall, arbeitet aber jetzt mit allen Partnern zusammen", heißt es in dem 15-seitigen Dokument. Das Papier datiert von Ende Oktober 2022, große Teile darin sind für die Veröffentlichung vom Ministerium geschwärzt worden, weil es als "vertraulich" eingestuft ist. Unabhängig von dem Papier wurde RTL und "Ekstra Bladet" aus Sicherheitskreisen in Kopenhagen bestätigt, dass die Dänen nicht gewarnt wurden.
Bis heute ist unklar, wer für die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines verantwortlich ist. Seit Monaten versuchen Geheimdienstler, Militärs und private Ermittler herauszufinden, was wirklich an jenem 26. September 2022 geschehen ist, als erst ein Strang der Pipeline Nord Stream 2 und dann beide Stränge von Nord Stream 1 gesprengt wurden. Zuletzt berichteten deutsche und US-Medien, dass die USA bereits Monate vor den Anschlägen Informationen bekommen hätten, dass die Ukraine einen solchen Anschlag plane. Laut "Süddeutscher Zeitung" solle noch vor der CIA der niederländische Geheimdienst entsprechende Informationen erhalten haben.
Sollten diese Informationen stimmen, wäre es überraschend, dass weder die USA noch die Niederlande Dänemark über die Pläne in Kenntnis gesetzt hätten. Immerhin handelt es sich bei Dänemark um einen NATO-Partner. Zudem verlaufen die Pipelines über lange Strecken in der ausschließlichen Wirtschaftszone des Landes, die Explosionen ereigneten sich schließlich nur wenige Kilometer vor der Küste der dänischen Insel Bornholm. Dass die Amerikaner vor diesem Hintergrund die Dänen nicht mit einer Silbe vor einer ernsthaften Sicherheitsbedrohung für ihr Land gewarnt haben sollen, wäre sehr ungewöhnlich.
In dänischen Sicherheitskreisen lässt diese Information nur einen Schluss zu: Die Hinweise zu angeblichen Anschlagsplänen der Ukrainer können nicht ausreichend belastbar gewesen sein. "Wenn es sich um validiertes Material gehandelt hätte, bei dem man wirklich glaubte, dass jemand in der Nähe von Bornholm etwas unternehmen würde, dann bin ich sicher, dass es Dänemark mitgeteilt worden wäre", sagte der ehemalige dänische Geheimdienstmitarbeiter Jacob Kaarsbo RTL und "Ekstra Bladet". Der Sicherheitsexperte hat einen Verdacht: "Mein Eindruck ist, dass hier etwas nicht ganz stimmte." Kaarsbo vermutet, die Qualität der CIA-Informationen war offenbar nicht ausreichend gut, um sie mit wichtigen Partnern wie den Dänen zu teilen.
Quelle: ntv.de