Politik

Fahnenflüchtige junge Russen Regierung will Asyl für Verweigerer EU-weit regeln

Junge Russen bei ihrer Ankunft auf dem Flughafen von Eriwan: Einige Wehrpflichtige fliehen ins Ausland.

Junge Russen bei ihrer Ankunft auf dem Flughafen von Eriwan: Einige Wehrpflichtige fliehen ins Ausland.

(Foto: via REUTERS)

Rund 300.000 junge Russen sollen für Putin in den Krieg gegen die Ukraine ziehen, einige versuchen, dem durch Ausreise zu entgehen. Dies bezeichnet Regierungssprecher Hebestreit zunächst einmal als "gutes Zeichen". Über die Aufnahme der Männer will die Regierung nun mit anderen EU-Staaten reden.

Die Bundesregierung will auf europäischer Ebene in den nächsten Wochen eine gemeinsame Linie zum Umgang mit russischen Kriegsdienstverweigern erreichen. Dass nach der am Mittwoch verkündeten Teilmobilmachung viele russische Männer versuchten, sich dem Kriegsdienst in der Ukraine zu entziehen, sei zunächst einmal "ein gutes Zeichen", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Jetzt gehe es darum, gemeinsam mit den anderen EU-Staaten "eine tragfähige Lösung" zu finden.

In dieser besonderen Situation nur darauf zu verweisen, dass jeder, der es schaffe einzureisen, einen Asylantrag stellen könne, sei nicht ausreichend. In jedem einzelnen Fall müssten vor einer Aufnahme aber immer die Beweggründe des mutmaßlichen Kriegsdienstverweigerers geprüft werden, betonte Hebestreit. Denn es müsse sichergestellt werden, dass derjenige, der aufgenommen werde, niemand sei, der sich im Auftrag der russischen Staatsmacht nach Europa bewege.

Pläne für ein Sonderaufnahmeprogramm oder sogenannte humanitäre Visa für russische Kriegsdienstverweigerer gibt es bislang weder in Deutschland noch auf EU-Ebene. Über ein Programm, das besonders gefährdeten Dissidenten, Journalisten und Wissenschaftlerinnen Schutz bieten soll, hat Deutschland nach Angaben des Bundesinnenministeriums bisher 438 Menschen aus Russland aufgenommen.

Der Sprecher des Ministeriums, Maximilian Kall, sagte, die Entscheidungspraxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge für Asylbewerber aus Russland sei bereits im April so geändert worden, "dass im Regelfall die Kriegsdienstverweigerung ein Schutzgrund ist".

"Müssen wissen, wer aus Russland zu uns kommt"

Politiker der Ampelkoalition hatten übereinstimmend mit Vertretern der Union eine Aufnahme russischer Deserteure gefordert. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil bezeichnete es im "ntv Frühstart" als "selbstverständlich", Menschen zu unterstützen und eine Zuflucht zu geben, die sich weigerten an einem "verbrecherischen Krieg" teilzunehmen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte sich offen für Asyl für Verweigerer gezeigt. Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, bezeichnete die Idee dagegen als "falschen Ansatz" und forderte junge Russen dazu auf, im eigenen Land zu bleiben und Russlands Präsident Wladimir Putin zu stürzen.

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Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, sprach sich unterdessen gegen eine pauschale Aufnahme von russischen Deserteuren aus. "Es ist nicht automatisch so, dass die Mobilisierungsgegner Putins auch gefährdet sind", sagte Frei im Gespräch mit ntv und fügte hinzu: "Deswegen würde ich davor warnen, jetzt pauschal vorzupreschen, wie es etwa die Innenministerin oder der Justizminister getan haben."

Frei forderte eine Prüfung der individuellen Fälle: "Man muss im Einzelfall prüfen, ob eine Frage der politischen Verfolgung gegeben ist oder eben nicht." Frei begründete seine Haltung u.a. mit den Sicherheitsinteressen Deutschlands: "Deswegen ist es schon entscheidend, dass eine umfassende Sicherheitsprüfung stattfindet und dass völlig klar ist, dass wir wissen müssen, wer aus Russland zu uns kommt."

Quelle: ntv.de, jog/dpa

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