Prozess in Stockholm Russischer Technologie-Schmuggler steht vor Gericht
04.09.2023, 18:27 Uhr Artikel anhören
Regierungschef Kristersson sieht Schweden in der schwierigsten Sicherheitslage seit dem Zweiten Weltkrieg.
(Foto: picture alliance / TT NYHETSBYR?N)
Zuletzt werden immer mehr Fälle bekannt, in denen Russen in westlichen Staaten für ihr Heimatland illegal Waren beschaffen - so auch in Schweden. Dort steht ein 60-Jähriger nun vor Gericht, weil er dem russischen Geheimdienst Technologie weitergeleitet haben soll.
Vor einem Stockholmer Gericht hat der Prozess gegen einen russisch-schwedischen Staatsbürger begonnen, der westliche Technologie an das russische Militär weitergegeben haben soll. Staatsanwalt Henrik Olin warf Sergei Skvortsov "illegale Geheimdienstaktivitäten" gegen die USA und Schweden vor, ein Tatbestand, der knapp unter dem der Spionage rangiert. Bei einer Verurteilung drohen dem 60-Jährigen bis zu vier Jahre Haft. Seine Anwältin wies alle Vorwürfe zurück.
Laut Staatsanwalt Olin soll Skvortsov Informationen und westliche Technologie an den russischen Militärgeheimdienst GRU weitergeleitet haben. Der 60-Jährige habe dem Geheimdienst und "einem Teil des russischen Staatssystems" eine Plattform geboten, um illegal diese Technologie zu beschaffen - darunter vor allem elektronische Geräte, die für Moskau und die russischen Streitkräfte wegen Exportbeschränkungen und Sanktionen nicht auf dem freien Markt verfügbar waren.
Der Anklage zufolge war Skvortsov zehn Jahre lang bis zu seiner Festnahme im November 2022 Teil eines noch in der Sowjetära gegründeten Netzwerks zur illegalen Beschaffung westlicher Technologien. Experten sagten den schwedischen Medien, die von Skvortsov besorgten elektronischen Geräte können unter anderem für die Atomwaffenforschung verwendet werden.
Wie Staatsanwalt Olin bereits in der vergangenen Woche berichtete, stammten die meisten der Geräte aus den USA. Es habe eine "ernste Gefahr für nationale Sicherheitsinteressen in Schweden und den USA" bestanden, bekräftigte Olin. "Sie müssen sich nur das Schlachtfeld in der Ukraine ansehen, um zu erkennen, dass es einen echten Bedarf vonseiten des russischen militärisch-industriellen Komplexes gibt".
FBI-Vertreter sagen im Prozess aus
Der Prozess ist bis 25. September angesetzt. Aus Gründen der nationalen Sicherheit findet ein Teil des Verfahrens hinter verschlossenen Türen statt. Als Zeugen sollen unter anderem ein FBI-Vertreter aus den USA und Kollegen vom schwedischen Geheimdienst gehört werden. Zum Beweismaterial gehören unter anderem E-Mails des russischen Verteidigungsministeriums an Skvortsov sowie beschlagnahmte Computer, USB-Sticks und Handys.
Skvortsov und seine Frau waren im November bei einer Razzia im Morgengrauen unter Einsatz zweier Hubschrauber vom Typ Blackhawk und eines Sondereinsatzkommandos in ihrem Haus im Stockholmer Vorort Nacka festgenommen worden. Seine Frau wurde später freigelassen und steht nicht mehr unter Verdacht. Das Paar war in den 1990er Jahren nach Schweden ausgewandert. Beide hatten zwischenzeitlich hohe Positionen in mehreren Unternehmen für den Im- und Export industrieller Güter inne.
Erst im Januar war in Schwedens bisher größtem Spionageskandal ein Urteil gesprochen worden. Der ehemalige schwedische Geheimdienstmitarbeiter Peyman Kia wurde wegen Spionage für den russischen Dienst GRU zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Sein Bruder erhielt eine knapp zehnjährige Gefängnisstrafe.
Im Juli sagte der schwedische Regierungschef Ulf Kristersson, sein Land befinde sich derzeit in der "schwierigsten Sicherheitslage seit dem Zweiten Weltkrieg". Als Bedrohung nannte er neben Russland auch China und den Iran.
Quelle: ntv.de, Pia Ohlin, AFP