Ukraine: 462.000 Kämpfer im Land Russland rotiert laut ISW wohl erfolgreich Bodentruppen
12.01.2024, 10:55 Uhr Artikel anhören
Der Kreml schickt viele Soldaten in der Ukraine in den sicheren Tod - und sorgt für stetigen Nachschub für die Front.
(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)
Nach Angaben aus Moskau verläuft die russische Mobilisierung gut. Die Armee schafft es laut ISW mittlerweile wohl sogar, Front-Einheiten routinemäßig abzuziehen und aufzufüllen. Die neuen Kräfte seien allerdings oft schlecht ausgebildet - und die Verluste hoch. Fraglich ist, wie lange Russland das Prozedere durchhält.
Russland scheint laut dem Institut für Kriegsstudien (ISW) mittlerweile in der Lage zu sein, bei seinen Bodentruppen in der Ukraine routinemäßige Rotationen durchzuführen. Seit Beginn der Invasion im Februar 2022 beobachtete die US-Denkfabrik bis zum Sommer dieses Jahres ursprünglich Schwierigkeiten der Kreml-Truppen bei solchen Rotationen. Nun heißt es in einer Analyse, dass Russland es "wahrscheinlich schafft", Verluste schnell auszugleichen und angeschlagene Einheiten von der Front abzuziehen, um sie später wieder mit neuem Personal aufgefüllt zurückzuschicken.
Der stellvertretende Chef des Militärgeheimdienstes der Ukraine, Vadym Skibitskyi, gibt die Zahl der Kreml-Truppen in der Ukraine mit 462.000 an. Dies stelle die gesamte Landkomponente des russischen Militärs dar. "Die meisten russischen Einheiten sind mit 92 und 95 Prozent ihrer vorgesehenen Endstärke besetzt", so Skibitskyi. Sind es unter 50 Prozent, würden Einheiten in rückwärtige Gebiete zurückgezogen und nach einer Erholung und Auffüllung an die Front zurückgeschickt.
Der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, sagte der russischen staatlichen Nachrichtenagentur TASS, dass das russische Militär die Streitkräfte in der Ukraine nach Anweisung von Wladimir Putin durch Mobilisierung erfolgreich aufgestockt habe. Er sprach von 500.000 neuen Armeeangehörigen 2023. 420.000 davon seien zum Militärdienst angenommen worden, 80.000 seien Freiwillige. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Angaben nicht.
Die Möglichkeit von Rotationen auf operativer Ebene werde es den russischen Streitkräften wahrscheinlich ermöglichen, das Gesamttempo der Offensiven in der Ostukraine kurzfristig aufrechtzuerhalten, analysiert das ISW. Es sei aber unklar, ob die Kreml-Truppen in der Lage sein werden, langfristig oder im Falle verstärkter Offensivbemühungen oder einer bedeutenden ukrainischen Gegenoffensive weiter effektive Rotationen durchzuführen.
Frisches Personal oft schlecht ausgebildet
"Die russischen Streitkräfte führen in der Ukraine größtenteils infanterielastige Angriffe in Gruppen durch, die nicht unbedingt große Mengen an Ausrüstung oder einen hohen Ausbildungsstand erfordern", heißt es von der US-Denkfabrik. Die riskanten Attacken auf die ukrainischen Stellungen führen oft zu vielen toten und verletzen Soldaten. "Der russische Truppengenerierungsapparat scheint die Verluste mit schlecht ausgebildetem und relativ kampfunfähigem Personal aufzufüllen, das von der russischen Führung als ausreichend für routinemäßige Zermürbungsangriffe angesehen wird", so das ISW.
Die Angriffe hätten seit Anfang Oktober 2023 nur zu marginalen russischen Erfolgen geführt. Es sei unwahrscheinlich, dass die Streitkräfte diese auf unbestimmte Zeit fortsetzen können, um operativ bedeutsame Erfolge zu erzielen. Denn dafür brauche es "relativ kampffähige und gut ausgerüstete Einheiten".
Sollten die russischen Streitkräfte ihre Offensivbemühungen noch weiter intensivieren, laufen sie möglicherweise Gefahr, durch die hohen Verluste Einheiten bei Rotationen nicht mehr ausreichend auffüllen zu können. "Es ist unklar, ob die Mobilisierungskampagne, die sich auf die Rekrutierung von Freiwilligen und die Zwangsmobilisierung von Sträflingen und Migranten stützt, in der Lage wäre, die erhöhte Anzahl von Personal bereitzustellen, das für die Durchführung von Rotationen während einer verstärkten Offensive erforderlich ist", schreibt das ISW.
Quelle: ntv.de, rog