Erstmals seit Khashoggi-Mord Saudi-Arabiens Kronprinz besucht Türkei
22.06.2022, 18:19 Uhr
Soll Erdogan wirtschaftlich unter die Arme greifen: Kronprinz Mohammed bin Salman.
(Foto: picture alliance / Hasan Bratic)
Der Besuch von Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman in der Türkei ist höchst umstritten. Der Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi auf türkischem Boden hat tiefe Wunden hinterlassen. Doch Erdogan steht wirtschaftlich unter Druck - und hofft auf lukrative Geschäfte mit Saudi-Arabien.
Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman ist zu seinem ersten Besuch in der Türkei seit der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi 2018 eingetroffen. Der De-facto-Herrscher des reichen Golfstaates landete in Ankara, wie ein ranghoher Regierungsvertreter sagte. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der wegen der hohen Inflation in der Türkei und anderer Wirtschaftsprobleme innenpolitisch stark unter Druck steht, wollte bin Salman in Ankara empfangen.
Der Journalist und Regierungskritiker Khashoggi, der für die "Washington Post" geschrieben hatte, war am 2. Oktober 2018 bei einem Termin im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul ermordet worden. Er hatte dort einen Termin zur Vorbereitung der Hochzeit mit seiner Verlobten, einer türkischen Staatsbürgerin. Nach offiziellen Angaben aus der Türkei und den USA wartete in der Vertretung ein 15-köpfiges Kommando aus Saudi-Arabien, ermordete ihn, zerstückelte seine Leiche und ließ die Überreste verschwinden.
Ein US-Geheimdienstbericht kam zu dem Schluss, dass bin Salman die Ermordung durch das 15-köpfige Kommando aus Saudi-Arabien abgesegnet hatte. Das Königshaus weist das zurück. Auch die türkische Regierung hatte scharfe Anschuldigungen gegen Saudi-Arabien erhoben und den Mord im eigenen Land verhandelt - das Gerichtsverfahren zur Empörung vieler dann im April aber an Saudi-Arabien abgegeben.
"Ändert nichts an der Tatsache, dass er ein Mörder ist"
Khashoggis Verlobte Hatice Cengiz kritisierte den Besuch des Kronprinzen und schrieb auf Twitter: "Sein Besuch in unserem Land ändert nichts an der Tatsache, dass er ein Mörder ist." Diplomatische Bemühungen könnten Ungerechtigkeit und Unrecht nicht legitimieren.
Der Mordfall hatte international Entsetzen ausgelöst und die Beziehungen zwischen Riad und Ankara erheblich belastet. Erdogan war im April erstmals seit dem Mord nach Saudi-Arabien gereist und hatte erklärt, die Beziehungen intensivieren zu wollen. Beobachter sehen hinter der Annäherung vor allem wirtschaftliche Interessen. Die Türkei steckt in einer Währungskrise mit mehr als 70 Prozent Inflation.
Bin Salman, der als faktischer Herrscher Saudi-Arabiens gilt, war wegen des Kashoggi-Mords international teilweise isoliert. Inzwischen gibt es auch mit anderen Ländern wieder eine Annäherung. Im Juli wird etwa US-Präsident Joe Biden im Königreich erwartet.
Quelle: ntv.de, can/AFP/dpa