Branche bangt, Grüne erzürntSchafft Schwarz-Rot jetzt Habecks Heizungsgesetz ab?
Sebastian Huld
Die Heizungsbranche warnt vor neuem Streit und pocht auf Verlässlichkeit, die Grünen befürchten einen Schaden für die Wärmewende, während die Union immer lauter die Abschaffung des Heizungsgesetzes fordert. Tatsächlich wackelt die Kernvorgabe von Habecks Gesetz - nicht unbedingt dessen Ziel.
Ist das Glas beim Thema Heizungsgesetz nun halbvoll oder halbleer? Schwierig. "Wir haben 50 Prozent Steigerung, was die Installation von Wärmepumpen betrifft", bejubelte Bundesumweltminister Carsten Schneider in der ARD den Umstand, dass Wärmepumpen im laufenden Jahr die meistverbaute Heiztechnik in Deutschland sind. Beim Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) kann von Jubelstimmung nicht die Rede sein: Der Gesamtabsatz von Heizungen sei auf ein Zehn-Jahres-Tief gefallen, so der BDH. "Endlich stabile Rahmenbedingungen", fordert Michael Hilpert, Präsident des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima (ZVSHK). Auf die Verunsicherung der Hauseigentümer durch die Debatte über das Heizungsgesetz folgt Verunsicherung, weil die neue Regierung eine grundlegende Reform versprochen hat. Sicher ist nur: Es tut sich etwas.
Das Ringen um die Zukunft des Heizungsgesetzes geht in die heiße Phase, ein halbes Jahr nach Ausscheiden des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck. Am Dienstag trafen sich Bundesbauministerin Verena Hubertz von der SPD und die christdemokratische Energie- und Wirtschaftsministerin Katherina Reiche zu Gesprächen. Im Bundestag lobte Hubertz tags darauf den "sehr offenen und sehr konstruktiven Austausch". Ähnliches war aus dem Ministerium von Reiche zu hören. Beide müssen eine Einigung finden: Die EU-Gebäuderichtlinie EPBD verpflichtet auch Deutschland, bis Ende April einen Plan für die Senkung der Gebäudeemissionen zu erstellen. In den vergangenen beiden Jahren hat der Gebäudesektor, der zweitgrößte CO2-Emittent nach dem Verkehr, die Einsparziele verfehlt.
Union macht Druck
CDU und CSU geht es in dem Konflikt um mehr als Deutschlands Pfad zur Dekarbonisierung: Das Gesetz aus der Feder Robert Habecks abzuschaffen, ist ein Kernversprechen ihres Bundestagswahlkampfs. Im Visier hat die Union dabei insbesondere die Vorgabe, dass in Neubauten die Heizungen mindestens mit 65 Prozent Erneuerbarer Energie betrieben werden müssen – sowie die aus ihrer Sicht zu teure Förderung. Die Unionsparteien pochen auf den Koalitionsvertrag. "Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen" heißt es da auf Seite 23.
So formulierte es auch CSU-Chef Markus Söder am Sonntag im ZDF: Es gelte der Grundsatz "Das Heizungsgesetz wird abgeschafft." Der Heizungstausch sei "überdimensioniert finanziert und subventioniert", so Söder. In Deutschland sei der Heizungswechsel darüber teurer als anderswo in Europa.
Söder kämpfe gegen die Wärmepumpe "wie Don Quijote gegen Windmühlen", spottet Grünen-Energiepolitiker Michael Kellner im Gespräch mit ntv.de. Politiker der Unionsparteien hingegen bekräftigen dieser Tage den Ruf nach einem Aus für das Gesetz. Die Parteispitzen brauchen dringend Erfolge, die sie ihrer unruhigen Fraktion und Basis als CDU/CSU pur andienen können.
Grüne widersprechen Söders Behauptung
Söders Aussagen, dass Wärmepumpen-Preise nur wegen der Förderung so hoch seien, hält Grünen-Politiker Alaa Alhamwi schlicht für "Quatsch". Preistreiber des Heizungstauschs seien hauptsächlich das hohe Lohnniveau in Deutschland, die fehlenden Handwerker, der Fokus auf qualitativ hochwertige und besonders leise Wärmepumpen und der überdurchschnittlich große Wohnraum, sagt der promovierte Energieingenieur, der für seine Partei im Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Energie sitzt.
Das könnte man auch bei der Union wissen: Das Wirtschaftsministerium von CDU-Politikerin Reiche zählte die verschiedenen Preistreiber selbst auf in seiner Antwort auf eine kleine Anfrage Alhamwis, die ntv.de vorliegt. Eine dem Ministerium offenbar vorliegende Studie zu den Preisfaktoren beim Heizungstausch veröffentlicht das Bundeswirtschaftsministerium zum Unverständnis des Grünen-Abgeordneten nicht. Reiche selbst hat immer wieder deutlich gemacht, dass sie das Heizungsgesetz für eine Fehlkonstruktion hält. Auch sie fordert ein Aus der 65-Prozent-Vorgabe und dringt auf Kostensenkungen bei den Förderungen.
Neue Heizungen müssen dem zu Ampelzeiten reformierten Gebäudeenergiegesetz (GEG) zufolge zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden - vorausgesetzt, die Wärmeplanung der jeweiligen Kommune ist zum jeweiligen Zeitpunkt abgeschlossen, um Betroffenen eine vernünftige Entscheidungsgrundlage zu gewähren. Kommunen ab 100.000 Einwohnern müssen das bis Mitte 2026 schaffen, kleinere haben zwei Jahre mehr Zeit. Reiche, ehemals Cheflobbyistin der kommunalen Unternehmen, hält die Kommunen mit der Wärmeplanung für vielfach überfordert. Auch das Gesetz zu ihrer Wärmeplanung ist deshalb infrage gestellt.
SPD lässt 65-Prozent-Vorgabe offen
Doch macht die SPD da mit? Die 65-Prozent-Vorgabe gilt als Kern des Heizungsgesetzes. Auch auf mehrfache Nachfrage des Grünen-Abgeordneten Kassem Taher Saleh wollte sich Bauministerin Hubertz am Mittwoch nicht zur 65-Prozent-Vorgabe bekennen. "Ich stehe zu den Klimaschutzzielen, wir hängen im Gebäudesektor hinterher", sagte sie lediglich. Auch Bundesumweltminister Schneider sagte am Sonntag in der ARD über die Reform des GEG lediglich: "Im Grundsatz wird es so bleiben. Im Grundsatz heißt: die Einsparungen an CO2."
Die Sozialdemokraten, die genug andere Themen mit Sprengkraft mit der Union auszuhandeln haben, bemühen sich erkennbar um Beinfreiheit beim Heizungsgesetz. Aus der SPD-Fraktion ist zu hören, die Gespräch mit der Union zum Thema liefen "gut und konstruktiv". Bei weiterführenden Fragen mauern die Koalitionspartner. Das Thema ist extrem aufgeladen: Das Gesetz war der Anfang vom Ende der Ampelkoalition und bedeutete das Aus aller Kanzlerträume des einstigen Grünen-Stars Habeck.
Aus der Zielstellung, das Einsparziel zu erhalten, ergibt sich für die Verhandler nicht weniger als ein Zwang zur Quadratur des Kreises: Die Koalition braucht alternative Bemessungsgrundlagen, um über Förderzuschüsse entscheiden zu können, aber komplizierter als bislang sollte es nicht werden. Fallen die Fördersummen weg, droht wiederum eine jähe Reduzierung der Heizungsmodernisierungen, ein Verfehlen der CO2-Einsparziele sowie wachsender Unmut beim Wähler. Schließlich stammt der steigende Zuspruch zur Wärmepumpe auch aus der absehbaren Verteuerung von Öl und Gas durch die Ausweitung des europäischen Emissionshandels auf Gebäudewärme.
Überschaubare Einsparpotenziale
12 Milliarden Euro stellt die Bundesregierung 2026 als Kostenpunkt für die Heizungsförderung in den Raum. Söder, weil er die Summe als zu viel erachtet. Schneider, um zu demonstrieren, was die Bundesregierung alles für eine sozialverträgliche Klimawende unternimmt. Allein: Nach Berechnung der Grünen-Fraktion entfallen aus dem 12-Milliarden-Etat für Gebäudeeffizienz namens BEG nur 3,5 Milliarden Euro tatsächlich auf die Heizungsförderung. In Relation zu den Gesamtkosten der Energiewende nicht viel, aber immerhin. Will die Koalition künftig das gesamte CO2-Einsparpotenzial eines Gebäudes in Betracht ziehen, addieren sich zur Kostenrechnung auch jene 3,5 Milliarden Euro Fördergeld, die zusätzlich im BEG etwa für Dämmmaßnahmen bereitstehen.
Es geht also für 2026 um Kosten über 7 Milliarden. Will die Union aber ihren kleinen Koalitionspartner im Boot behalten, müssen die Fördersummen für Menschen geringen und mittleren Einkommens beibehalten werden. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch hatte die soziale Staffelung auf dem Höhepunkt der Ampel-Heizungskrise mit ausgehandelt. Kürzungen kommen eher auf Gut- und Spitzenverdiener zu, womit wiederum auch die Grünen leben könnten.
Ferner könnte der Förderzeitraum enger befristet werden, was auch aus Teilen der Heizungsbranche gefordert wird. "Die Förderung sollte bis 2030 schrittweise auslaufen - klar, planbar und transparent", schlägt etwa Jan Ossenbrink vor, Gründer des Wärmepumpen-Installateurs Vamo. "Das schafft Vertrauen und gibt der Branche die Zeit, die Wärmepumpe zum neuen Standard zu machen". Simple, planbare und verlässliche Förderung fordern auch Heizungsindustrie und Handwerk.
Das Problem: Läuft die Förderung neuer, klimafreundlicher Heizungen definitiv aus, steigen bis dahin voraussichtlich mehr Leute um. Der Fördermittelbedarf würde innerhalb dieses Zeitraums steigen, die Wärmewende also nicht billiger, sondern erstmal teurer - bei denkbar angespannter Kassenlage in der verbleibenden Legislaturperiode. Zudem würde es das Katherina Reiche wiederholt unterstellte Ziel, sie wolle Gas als Brückenenergie noch länger als Energiequelle im Spiel halten, womöglich unterlaufen. In den Verhandlungen kommt es deshalb vor allem auf diese Frage an: Welchen Preis ist die Union zu zahlen bereit, um sagen zu können "Wir haben Habecks Heizungsgesetz abgeschafft"?