Politik

SPD-Lieblingsprojekt im Fokus Schwesigs "Spezialoperation" wird aufgeklärt

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"Ich halte den Konfrontationskurs von Annalena Baerbock gegenüber Russland für gefährlich", sagte Schwesig, als sie am 29. April 2021 zusammen mit dem russischen Botschafter die Gasanlandestation in Lubmin besuchte.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Heute nimmt ein Untersuchungsausschuss die Arbeit auf, der für Manuela Schwesig schon jetzt ein Problem ist. Er soll die Hintergründe einer dubiosen Stiftung klären, mit der die SPD den Bau von Nord Stream 2 sichern wollte. Dabei dürfte manches pikante Detail zur SPD-Russland-Connection bekannt werden.

Kabinettsitzung auf Rügen, Jubel über die Mindestlohnerhöhung und "endlich wieder Kreisparteitag" - es geht normal zu im Politikerleben der Manuela Schwesig, nimmt man ihre Postings in den sozialen Medien zum Maßstab. Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern ist erkennbar bemüht, die Debatte über ihr Zutun beim Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 über eine vom Kreml finanzierte Fake-Klimastiftung hinter sich zu lassen. Das hat Gründe: In ihrem Bundesland sinkt der Stern Schwesigs, der noch Mitte Februar Ambitionen auf die Kanzlerschaft nach Olaf Scholz bescheinigt worden waren. Zeigten sich vor der Landtagswahl im September 71 Prozent der Bürgerinnen und Bürger mit der Arbeit der Sozialdemokratin zufrieden, fiel der Wert in der jüngsten Umfrage für den NDR auf nunmehr 49 Prozent. Tendenz: weiter fallend.

Dabei ist der Skandal für Schwesig noch lange nicht ausgestanden. Denn erst jetzt beginnt seine Aufarbeitung mit den Mitteln eines Untersuchungsausschusses. Der kommt am heutigen Freitag erstmals im Schweriner Landtag zusammen und dürfte manches pikante Detail zur SPD-Russland-Connection zutage fördern. Allein die Zeugenaussagen von Altkanzler Gerhard Schröder und Schwesig selbst werden für Schlagzeilen sorgen.

Stiftung für den Pipelinebau

Hinzu kommt: Die von Schwesig maßgeblich initiierte "Stiftung Klima- und Umweltschutz MV" muss sich nach einem Urteil des Landgerichts Schwerin von dieser Woche - geklagt hatte die Zeitung "Welt" - "wie eine Behörde" behandeln lassen. Das heißt: Sie muss öffentlich Auskunft erteilen, was sie in ihrem Gründungsjahr 2021 getrieben hat. Bisher hat sie fast alle Fragen unbeantwortet gelassen.

Schwesig hatte erklärt, Hauptzweck der von ihrem Vorgänger im Ministerpräsidentenamt, Erwin Sellering, geleiteten Stiftung seien, dem Namen entsprechend, Klima- und Umweltschutz. Die Institution war aber von Anfang an so konstruiert, dass mit ihrer Hilfe Nord Stream 2 fertiggestellt werden sollte, durch deren Betrieb der Ukraine viel Geld entgangen wäre, was Kritiker stets monierten, Schwesig aber ignorierte.

Die Regierungschefin hatte versichert, die Stiftung baue die Gastrasse nicht, sondern leiste lediglich einen Beitrag zur Vollendung, falls es durch US-Sanktionen nötig wäre. Daran gibt es inzwischen erhebliche Zweifel. In der Endphase der Errichtung von Nord Stream 2 agierte die Einrichtung offenkundig als heimliche Bauherrin. Nach wochenlanger Weigerung, jedwede Angaben dazu zu machen, hatte Sellerings Institution der "Welt" mitgeteilt, schon im Januar 2021 - also unmittelbar in der Gründungszeit - 80 Verträge mit Unternehmen über Aufträge im Wert von 165 Millionen Euro abgeschlossen zu haben. "Insgesamt ist für 2021 ein Jahresumsatz von rund 200 Millionen Euro wahrscheinlich", berichtete die Zeitung.

Keine Ahnung oder keine Skrupel?

Die Grünen im Landtag werteten die Zahlen als jüngsten Beleg für "die gesamte Absurdität der Stiftungskonstruktion". Aus Sicht ihres energiepolitischen Sprechers Hannes Damm hat sich damit die Frage nach dem Hauptzweck der Stiftung schon geklärt. Sein Argument: Selbst wenn der von Gazprom für den Klimaschutz als Maximum in Aussicht gestellte Betrag von 60 Millionen Euro geflossen wäre, läge er um mehr als 100 Millionen Euro unter dem finanziellen Engagement der Einrichtung für Nord Stream 2.

Für Schwesig sieht das nicht gut aus, weil es hieße: Entweder sie hatte keine Ahnung, was in der Stiftung passierte. Oder sie wusste es und hat die Öffentlichkeit belogen und getäuscht. Zumal die SPD-Politikerin immer wieder so zu verstehen war, dass es ihr um den Schutz von Unternehmen mit Sitz in Mecklenburg-Vorpommern vor US-Sanktionen gegangen sei. Inzwischen ist aber bekannt, dass von den 80 Verträgen lediglich ein Drittel auf Firmen in Schwesigs Bundesland entfielen. Sobald die Namen der Unternehmen - eventuell Berater- oder Anwaltskanzleien - bekannt werden, wird sich zeigen, ob es sich um ein Geflecht Kreml-naher Firmen handelt.

Fest steht schon: Je mehr rauskommt, desto misstrauischer wird die Opposition bei allem, was Sellering, die Ministerpräsidentin und ihre SPD in Bezug auf die Aufklärung der Vorgänge unternehmen. Denn bisher deutet alles auf eine ausgeprägte Salami-Taktik hin, immer nur das einzuräumen, das nicht mehr geleugnet werden kann, weil es durch Medien öffentlich gemacht wurde.

"Eine sozialdemokratische Spezialoperation"

Ein steter Vorwurf von CDU, FDP und Grünen - sie haben den Untersuchungsausschuss gemeinsam beantragt und durchgesetzt - gegen die rot-rote Koalition lautet: Intransparenz und Vernebeln. René Domke, Vorsitzender der FDP-Fraktion, spricht von einem "Katz- und Maus-Spiel um das Aushändigen von Informationen" und einem "Versteckspiel um Personen und Verflechtungen". Verantwortliche in Landesregierung und Stiftung reagierten nur auf Druck, sagte er zur Begründung der parlamentarischen Untersuchung.

Dass es die Landesregierung der Opposition nicht einfach macht, zeigt die minimale Besetzung des Gremiums. CDU, FDP und Grüne plädierten dafür, insgesamt 13 Abgeordnete für die Untersuchung abzustellen - Rot-Rot ließ nur neun zu. Da sich die Mehrheitsverhältnisse des Landtags in Ausschüssen widerspiegeln müssen, heißt das, dass allein die SPD vier Abgeordnete in das Gremium entsenden wird, die traditionell Putin-freundlichen Parteien Linke und AfD ebenso wie CDU, Grüne und FDP jeweils einen Parlamentarier. Allerdings: Der Vorsitz geht an die Christdemokraten, da sie an der Reihe sind. Der Chef eines U-Ausschusses muss überparteiisch agieren. Das heißt, die Last der Aufklärung des riesigen Komplexes wird vor allem auf den Schultern zweier Abgeordneter von Grünen und FDP liegen.

Die Opposition will sich nicht einschüchtern lassen. Die CDU sieht in dem Ausschuss auch eine Möglichkeit, sich von ihrem eigenen Zutun zu lösen. Denn als die Stiftung geplant und beschlossen worden war, regierte sie mit der SPD. Franz-Robert Liskow, Fraktionschef Christdemokraten, bekennt sich dazu. Allerdings: "Die Gründung der Stiftung war zu jedem Zeitpunkt nachgewiesenermaßen eine sozialdemokratische Spezialoperation." Und zur Wahrheit gehört aus seiner Sicht auch: Noch kurz vor Kriegsbeginn "war Manuela Schwesig eine russische Werbe-Ikone".

Quelle: ntv.de

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