Politik

Hört nicht auf Stimme des Volkes Schwester von Chamenei verurteilt seine Führung

Irans geistliches Oberhaupt Ajatollah Ali Chamenei erfährt offene Ablehnung auch von seiner Familie.

Irans geistliches Oberhaupt Ajatollah Ali Chamenei erfährt offene Ablehnung auch von seiner Familie.

(Foto: picture alliance/dpa)

Im Iran herrscht unter Ajatollah Ali Chamenei ein tyrannisches Kalifat - diese deutlichen Worte findet selbst sein engster Familienkreis. Chameneis Schwester ruft die Revolutionsgarden dazu auf, sofort ihre Waffen niederzulegen. Derweil sehen Experten den Kopftuchzwang noch lange nicht ausgehebelt.

Nach der Nichte hat sich auch eine Schwester von Ajatollah Ali Chamenei gegen das geistliche und politische Oberhaupt des Iran gestellt. "Ich denke, es ist an der Zeit, zu erklären, dass ich gegen die Taten meines Bruders bin", schreibt Badri Hosseini Chamenei in einem Brief, der auf dem Twitter-Account von ihrem in Frankreich lebenden Sohn Mahmud Moradchani veröffentlicht wurde. Sie kritisierte ihn scharf dafür, dass er nicht auf die Stimme des iranischen Volks hört. "Zudem spreche ich allen Müttern, die unter den Verbrechen der Islamischen Republik ab Chomeneis Zeiten bis zu der jetzigen Ära des tyrannischen Kalifats von Ali Chamenei leiden, mein Mitgefühl aus."

Die Iranischen Revolutionsgarden rief sie dazu auf, ihre Waffen niederzulegen und das Volk zu unterstützen, "bevor es zu spät ist". Datiert ist der Brief mit "Dezember 2022". Badri Hosseini Chamenei lebt im Iran. Ende November hatte bereits ihre Tochter Farideh Moradchani in einer Video-Botschaft die internationale Isolierung des Irans gefordert. Sie begründete ihren Aufruf mit dem gewaltsamen Vorgehen von Sicherheitskräften gegen Demonstranten. Sie wurde festgenommen. Moradchanis kürzlich verstorbener Vater, Ali Moradchani Arange, war ein schiitischer Geistlicher und bekannter Oppositioneller.

Derweil folgen zahlreiche Menschen im Iran den landesweiten Protestaufrufen. So haben zahlreiche Ladenbesitzer im Iran am dritten Tag in Folge ihre Geschäfte nicht geöffnet. Das berichteten unter anderem Bewohner der Provinz Kurdistan. Der Staat hat in der Region schon ein massives Aufgebot von Sicherheitskräften zusammengezogen. Auch gepanzerte Fahrzeuge sollen in den Kasernen stationiert worden sein.

In der Hauptstadt Teheran berichteten Augenzeugen aus Sorge vor Ausschreitungen von einer angespannten Lage. Viele Geschäfte blieben dort zunächst aber offen. Für Verwirrung sorgte eine Erdbebenwarnung am Nachmittag. Die mutmaßlich durch einen Hackerangriff ausgelöste Warnung forderte alle Empfänger auf, ihre Häuser zu verlassen. Von Behördenseite wurde später ein Hackerangriff dementiert, es soll sich um einen fehlgeschlagenen Warntest gehandelt haben.

Experten: Kopftuchzwang durch Videoüberwachung möglich

Präsident Ebrahim Raisi zeigte sich bei einem Treffen mit systemtreuen Studenten kämpferisch. Er erneuerte seine Behauptung, dass die USA die Proteste anheizten und den Iran zerstören wollten. Beobachter sehen darin jedoch ein Manöver, um von den eigentlichen Ursachen der Proteste abzulenken.

Am Dienstag war Irans Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei mit dem Obersten Rat der Kulturrevolution zusammengekommen. Bei dem Treffen mit Raisi, Parlamentspräsident Bagher Ghalibaf und Justizchef Gholam-Hussein Mohseni-Edschehi soll es Berichten zufolge um eine mögliche Entscheidung über die Zukunft der Sittenpolizei gegangen sein. Nach Einschätzung von Experten könnte der Kopftuchzwang auch bei einer Abschaffung der berüchtigten Einheit weiter verfolgt werden, etwa durch Videoüberwachung.

Der frühere iranische Präsident Mohammed Chatami warnte die Führung des Landes vor einer weiteren Unterdrückung der Proteste. "Man sollte Sicherheit nicht als Vorwand nehmen, um Freiheit zu unterdrücken", wurde der islamische Geistliche von der Tageszeitung "Shargh" zitiert. Chatami mahnte, die Forderungen ernst zu nehmen. Die Protestbewegung fordere mit dem "schönen Slogan: Frau, Leben, Freiheit" eine bessere Zukunft. Die Politik sollte ihr die Hand reichen, "bevor es zu spät ist".

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Chatami war Präsident zwischen 1997 und 2005. Aber auch Chatami wird insbesondere von jungen Anhängerinnen der Protestbewegung als "Mann des Systems" abgelehnt. Der Ex-Präsident befürwortet als islamischer Kleriker den Kopftuchzwang. Mitte November hatte er Forderungen nach einem politischen Systemwandel zurückgewiesen. Beobachtern zufolge könnte Chatami jedoch eine wichtige Vermittlerrolle in der festgefahrenen politischen Situation einnehmen.

Ein Großteil der Demonstranten hält Reformen aber für unmöglich und fordert einen Machtwechsel. Auslöser der Proteste Mitte September war der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini. Sie starb im Polizeigewahrsam, nachdem sie wegen angeblichen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften verhaftet worden war. Nach Einschätzungen von Menschenrechtlern wurden seither mindestens 470 Demonstranten getötet und rund 18.000 Menschen verhaftet.

Quelle: ntv.de, ysc/rts/dpa

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