Einschüchterung vor Wahl? Serie chinesischer Ballons hält Taiwan in Atem
03.01.2024, 09:56 Uhr Artikel anhören
Das taiwanische Militär beobachtet die Ballons.
(Foto: REUTERS)
Seit gut einem Monat meldet Taipeh verdächtige Vorfälle am Himmel. Immer wieder überfliegen chinesische Ballons das Land. Ein Forschungsinstitut sieht einen Zusammenhang mit den anstehenden Wahlen in Taiwan.
Taiwans Militär hat nach eigenen Angaben vier verdächtige Ballons aus China über seinem Gebiet entdeckt. Drei davon hätten die Inselrepublik am Dienstag südwestlich des Luftwaffenstützpunktes Ching Chuan Kang in Richtung Nordosten überflogen, teilte das Verteidigungsministerium mit. Ein vierter sei im Nordwesten an der Insel entlang geflogen. Die Ballons hätten sich dem Erdboden bis auf gut 3650 Meter genähert. Das Ministerium erklärte, es werde die Ballons "genau beobachten" und je nach ihrer Beschaffenheit, Höhe und möglicher Gefahren "angemessene Maßnahmen" ergreifen.
Der Vorfall erinnerte an den Überflug eines chinesischen Ballons in den USA im vergangenen Jahr. Washington warf Peking vor, diesen für Spionage eingesetzt zu haben. China sagte dagegen, der Ballon sei abgedriftet und diene Wettermessungen. Die USA schossen das Luftgefährt vom Himmel. Ob die Ballons über Taiwan neben Messungen noch andere Zwecke erfüllt hätten, werde untersucht, hieß es.
Bereits am Montag war ein chinesischer Ballon über taiwanisches Gebiet geflogen. Seit Anfang Dezember berichtet das taiwanische Militär von Ballons in sechs Fällen. Meist verschwinden die Ballons kurze Zeit später.
Wahlen dürften richtungsweisend sein
Zu den Vorfällen kommt es wenige Wochen vor der Präsidentschafts- und Parlamentswahl in Taiwan am 13. Januar. Der Ausgang der Wahl dürfte entscheidend für das künftige Verhältnis zwischen Taipeh und Peking sein - und wird in Peking und Washington mit Spannung erwartet. Konfliktexperte Ou Sifu vom taiwanischen Institut für nationale Verteidigung und Sicherheitsforschung sieht in den Ballons nach eigenen Aussagen ein Mittel der "psychologischen Kriegsführung". China wolle mit diesem "Instrument der militärischen Einschüchterung" dazu beitragen, dass mehr Menschen Vertreter einer pro-chinesischen Position wählen, sagte Ou.
Das Verhältnis zwischen China und Taiwan hatte sich zuletzt wieder erheblich verschärft. Seit der politischen Spaltung zwischen Festlandchina und Taiwan im Jahr 1949 betrachtet Peking die demokratische selbstverwaltete Insel als abtrünniges Gebiet, das es wieder mit dem Festland vereinigen will. In den vergangenen Jahren hat die Präsenz chinesischer Kriegsschiffe und Armeeflugzeuge rund um Taiwan deutlich zugenommen. Fast täglich fliegen chinesische Kampfjets in die Luftverteidigungszone Taiwans, auf die die Insel reagieren muss.
Der Konflikt ist auch Thema der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Taiwan. Die amtierende Präsidentin Tsai Ing-wen wird nach zwei Amtszeiten nicht mehr als Präsidentin antreten. Ihre Demokratische Fortschrittspartei (DPP) mit Spitzenkandidat Lai Ching-te tritt für eine Unabhängigkeit von China ein. Dagegen sprechen sich die Kandidaten der oppositionellen Kuomintang (KMT) und der Taiwanischen Volkspartei (TPP) für freundlichere Beziehungen zu Peking aus.
Quelle: ntv.de, hul/dpa/AFP