Wollten eigentlich verhandeln Taliban schicken "Hunderte Kämpfer" ins Pandschirtal
22.08.2021, 21:18 Uhr
Achmad Schah Massud, der legendäre verstorbene Führer der Nordallianz, die in den 1990er-Jahren gegen die Islamisten kämpfte, stammte aus Pandschir.
(Foto: REUTERS)
Es gilt als die Widerstandshochburg in Afghanistan: das Pandschirtal. Unter der ersten Herrschaft der Taliban konnte die Provinz Angriffe abwehren, jetzt will die radikalislamistische Miliz sie in ihre Gewalt bringen. Und das, obwohl zuvor noch von Verhandlungsbereitschaft die Rede war.
Nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan wollen die radikalislamischen Taliban nun auch das als Widerstandshochburg bekannte Pandschirtal in ihre Gewalt bringen. "Hunderte Kämpfer" seien auf dem Weg in die Provinz Pandschir, "um sie unter Kontrolle zu bringen, nachdem örtliche Regierungsvertreter sich geweigert haben, sie friedlich zu übergeben", schrieben die Taliban auf Twitter.
Das Pandschirtal ist eine der wenigen Regionen in Afghanistan, die sich nach dem Eroberungsfeldzug der Taliban noch der Kontrolle der Islamisten entziehen. Das Tal gilt als Hochburg des Widerstandes, weil es weder von sowjetischen Soldaten noch von den Taliban eingenommen worden war. Achmad Massud, der Sohn eines berühmten Taliban-Gegners und Kriegsherrn, versucht derzeit, dort eine Widerstandsgruppe aufzubauen. Ihr sollen auch ehemalige Angehörige der afghanischen Streitkräfte angehören, die wegen des Vormarschs der Taliban nach Pandschir geflohen waren.
Es solle eine Truppe von 9000 Kämpfern entstehen, sagte der Sprecher der Anti-Taliban-Einheiten, Ali Maisam Nasari. Bei einem Militärtraining der Gruppe waren am Samstag dutzende Rekruten und mehrere gepanzerte Geländewagen zu sehen. Massud warnte die Taliban heute vor einer Offensive im Pandschirtal. "Die Taliban werden nicht lange überleben, wenn sie diesen Weg weiter beschreiten", sagte er im Fernsehsender Al-Arabija. "Wir sind bereit, Afghanistan zu verteidigen, und wir warnen vor einem Blutvergießen."
Von Dialogbereitschaft war die Rede
Zuvor hatte Massud dargelegt, dass er auf friedliche Gespräche mit den Taliban hofft. "Wir wollen den Taliban klarmachen, dass nur Verhandlungen uns weiterbringen", sagt er in einem Telefongespräch aus seiner Hochburg im Pandschirtal. Dieses liegt nördlich von Kabul. "Wir wollen nicht, dass ein Krieg ausbricht." Allerdings seien seine Kämpfer zum Widerstand bereit, sollten die Islamisten eine Invasion seiner Gebiete starten.
Auch die Taliban seien zu Verhandlungen bereit, hatte der russische Botschafter in Kabul erklärt. Botschafter Dmitri Schirnow sagte im russischen Staatsfernsehen, die Taliban hätten ihn gebeten, den Anführern und den Menschen im Pandschirtal eine Botschaft zu überbringen. Die Taliban hofften, "eine friedliche Lösung für die Situation zu finden, zum Beispiel durch eine politische Vereinbarung. Die Taliban wollen kein Blutvergießen und sind zum Dialog bereit."
Massuds Vater hatte Angriffe der Taliban während deren Herrschaft von 1996 bis 2001 abgewehrt, sodass die Taliban die Provinz Pandschir nicht erobern konnten. Das lag neben dem erbitterten Widerstand der Nordallianz auch an der geografischen Lage - der Eingang zum Tal ist eng und gut zu verteidigen. Seitdem gilt es das Pandschirtal als Zentrum des Widerstands gegen die Taliban. Massud schrieb am vergangenen Mittwoch in einem Gastbeitrag in der "Washington Post": "Der Widerstand der Mudschaheddin gegen die Taliban beginnt jetzt. Aber wir brauchen Hilfe." Er bat die USA und ihre demokratischen Verbündeten um Waffen, Munition und Nachschub. "Sie sind unsere einzige verbleibende Hoffnung."
Quelle: ntv.de, ysc/rts/dpa/AFP