Gefälschte Mails zu Treffpunkten Tausende stehen auf deutscher Ausreiseliste
27.08.2021, 17:48 Uhr
Diese Menschen sitzen am Donnerstag in einem der letzten Flüge der Bundeswehr von Kabul nach Taschkent.
(Foto: dpa)
Die Luftbrücke der Bundeswehr in Kabul gibt es nicht mehr. Zurück bleiben Tausende Ortskräfte und 300 Deutsche. Das Auswärtige Amt kündigt an, sie dabei zu unterstützen, einen Weg raus auf Afghanistan zu finden. Allerdings kursieren gefälschte Mails mit fingierten Treffpunkten.
Auch nach dem Abschluss der Evakuierungsmission will die Bundesregierung den in Afghanistan verbliebenen Deutschen, afghanischen Ortskräften oder gefährdeten Personen helfen. Das kündigte Regierungssprecher Steffen Seibert an. Die Zahl der noch im Land befindlichen Ortskräfte und identifizierten Personen zur Ausreise verändere sich aber stetig und betrage mehr als 10.000, teilte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes mit. Man könne derzeit nicht sagen, wie viele der Menschen möglicherweise schon auf andere Weise ausgereist seien. Die Zahl der Deutschen in Afghanistan schätze man auf etwa 300.
"Es reisen weiterhin Menschen aus, und es melden sich weiterhin Menschen mit einem Ausreisewunsch. Deswegen sind diese Zahlen immer nur Momentaufnahmen", erklärte der Sprecher des Auswärtigen Amtes. Das Innenministerium versicherte, dass alle Personen auf der Liste des Auswärtigen Amtes eine Einreisegenehmigung nach Deutschland bekämen.
Nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums wurden über die Luftbrücke insgesamt 5347 Personen aus Afghanistan evakuiert. Sie kämen aus mindestens 45 Ländern, sagte eine Sprecherin. Darunter seien rund 500 Deutsche und 4000 Afghanen gewesen. Unter den Afghanen sind ehemalige Mitarbeiter von Bundeswehr und Bundesministerien, aber auch besonders schutzbedürftige Menschen, die beispielsweise für Frauen- oder Menschenrechtsorganisationen tätig waren.
Man versuche nun, eine weitere Ausreise entweder über den Landweg oder aber den Weiterbetrieb des zivilen Flughafens in Kabul zu ermöglichen, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Dazu würden auch die Konsulate in den Nachbarstaaten personell verstärkt. Er wies darauf hin, dass bereits in den Monaten vor dem Fall Kabuls 1900 Ortskräfte ausgeflogen worden seien, bei denen man eine Gefährdung gesehen habe.
Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, sagte, es sei nun wichtig, auf den diplomatischen Weg zu setzen, "um Ortskräften und Schutzbedürftigen, die es nicht geschafft haben, eine Ausreise zu ermöglichen." Die Bundesregierung führt dazu über den Entsandten Markus Potzel Verhandlungen mit dem politischen Arm der Taliban im Golfstaat Katar. Die Taliban haben nach dessen Angaben bereits zugesagt, Afghanen mit gültigen Ausweispapieren auch nach dem 31. August - also dem Stichtag für den Abzug der US-Truppen - außer Landes zu lassen. Die Taliban dürften für ihre Kooperation mit Deutschland und den USA auf gewisse Hilfen der internationalen Gemeinschaft hoffen.
In Kabul kursieren falsche Aufrufe an Deutsche
In Afghanistan wurden nach Angaben des Außenministeriums in den letzten Tagen Deutsche immer wieder Opfer von gezielter Desinformation. Immer wieder würden Personen von gefälschten E-Mailadressen aufgefordert, sich zu bestimmten Punkten in der Hauptstadt zu begeben, was mit erheblichen Gefährdungen verbunden sei. "Leider handelt es sich um ein Phänomen, das in den letzten Tagen erheblich zugenommen hat", sagte der Sprecher.
Bei einem verheerenden Anschlag am Kabuler Flughafen waren am Vortag Dutzende Menschen getötet oder verletzt worden. Afghanische Gesundheitsbehörden sprachen zuletzt von mindestens 92 Todesopfern, darunter 13 US-Soldaten. Das Pentagon korrigierte die Angabe zur Zahl der Täter, wonach sich nur ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt habe. Anders als zunächst angenommen habe es offenbar keine zweite Explosion gegeben, hieß es aus Washington. Das Pentagon begründete die Falschinformation mit "Verwirrung" angesichts der "sehr dynamischen Ereignisse".
Bundeswehrsoldaten in Wunstorf gelandet
Nach dem Ende der Evakuierungsmission in Kabul sind die deutschen Soldatinnen und Soldaten nach Deutschland zurückgekehrt. In drei Bundeswehrmaschinen landeten sie am Abend aus der usbekischen Hauptstadt Taschkent kommend auf dem niedersächsischen Fliegerhorst Wunstorf. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte sie bereits in Taschkent in Empfang genommen und auf dem Rückweg begleitet.
Die fliegende Intensivstation der Bundeswehr - das sogenannte Medevac-Flugzeug - blieb auf Kramp-Karrenbauers Anordnung zunächst in Taschkent. Dort solle es "bei Bedarf unsere amerikanischen Verbündeten unterstützen", sagte eine Sprecherin des Bundesverteidigungsministeriums.
Unter der Führung von Brigadegeneral Jens Arlt waren bis zu 600 Einsatzkräfte an der bisher größten militärischen Evakuierungsmission der Bundesrepublik beteiligt. Bei der Ankunft in Wunstorf sollen die Bundeswehrangehörigen unter anderem von Generalinspekteur Eberhard Zorn, der Wehrbeauftragten Eva Högl sowie weiteren Politikerinnen und Politikern empfangen werden.
Quelle: ntv.de, hul/rts/AFP/dpa