Politik

Inflation und Arbeitermangel US-Republikaner flirten mit Einwanderung

Einwanderer mit Kleinkind überqueren den Rio Grande an der texanischen Südgrenze der USA.

Einwanderer mit Kleinkind überqueren den Rio Grande an der texanischen Südgrenze der USA.

(Foto: REUTERS)

In einem Brief fordern republikanische Großspender den Fraktionschef im Senat auf, sich mit den Demokraten zumindest auf ein Einwanderungsgesetz für sogenannte Dreamer zu einigen. "Wirtschaftlich ergibt das Sinn", schreiben sie. Das Problem drängt.

Das Heilmittel gegen Arbeitskräftemangel und die historisch hohe Inflation? Mehr Einwanderung! Was die meisten US-Konservativen wohl als Fantasierechnung abtun, finden andere völlig logisch. Nun hat den Fraktionschef der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, ein Brief mehrerer Parteispender erreicht. Darin fordern ihn 14 "lebenslange Republikaner" auf, sich mit den Demokraten auf eine Einwanderungsreform zu einigen, oder zumindest darauf, sogenannten Dreamern gesetzlich ihren Aufenthalt zu sichern. Es sei "wirtschaftlich sinnvoll", schreiben sie. Ein Einwanderungsgesetz würde die Geldentwertung verlangsamen und dem Arbeitsmarkt helfen.

Dreamer werden Minderjährige genannt, die mit ihren Eltern illegal in die USA kamen und deshalb weder die Staatsbürgerschaft, noch eine Aufenthaltsgenehmigung haben. Deshalb dürfen sie auch nicht arbeiten. Als Ex-Präsident Barack Obama vor zehn Jahren das Dekret für die Migrantenkinder unterzeichnete und damit das DACA-Hilfsprogramm einführte, sollte es ein erster Schritt auf dem Weg zu einem neuen Einwanderungsgesetz sein. Bis heute gibt es keines.

Das Schreiben hat die überparteiliche Organisation "American Business Immigration Coalition" (ABIC) geschickt, in der mehr als 1200 Unternehmen und Verbände organisiert sind. Die ABIC mahnt nicht nur die Legalisierung der Dreamer an, sondern eine umfassende Einwanderungsreform, um den Arbeitskräftemangel zu verringern. Gäben die Vereinigten Staaten allen 11 Millionen Betroffenen einen Aufenthaltstitel, würde die US-Wirtschaft um 121 Milliarden Dollar wachsen und 31 Milliarden Dollar zusätzlicher Steuereinnahmen generieren, argumentiert die Organisation. Zuletzt führte das Arbeitsministerium mehr als 11 Millionen offene Stellen im Land auf.

Einer der Unterzeichner ist Craig Duchossois, der Millionen Dollar an republikanische Kandidaten und Gruppen überwiesen hat, schreibt "Politico". Darunter sei in dieser Wahlperiode die Wahlkampforganisation "Senate Leadership Fund" gewesen, der Senatsfraktionschef McConnell unterstützt, sowie der "Congressional Leadership Fund", der auf einer Linie mit Kevin McCarthy liegt, dem republikanischen Fraktionschef im Repräsentantenhaus. Duchossois nennt eine mögliche Einwanderungsreform eine Win-win-Situation.

Jedes Jahr 100.000 Menschen

Bislang haben mehr als 800.000 Menschen von DACA profitiert. Sie können deshalb legal arbeiten und werden vor Abschiebung geschützt. Doch die Dreamer hängen an einem seidenen, legalen Faden. Ex-Präsident Donald Trump wollte das Hilfsprogramm nach seinem Amtsantritt 2017 komplett beenden, seither wird vor Gerichten darum gerungen. Im vergangenen Jahr blockierte ein Richter in Texas seine Ausweitung. Derzeit befasst sich ein Berufungsgericht damit, ob das Dekret überhaupt legal ist - und könnte den Faden DACA danach komplett durchtrennen.

Mehr als 60 Prozent der Geschützten sind inzwischen 26 Jahre alt oder älter. Wegen des Neuaufnahmstopps befinden sich jüngere Migrantenjahrgänge nun in der gleichen Situation wie früheren. Die USA sind ihre Heimat, sie sind dort auf die Schule gegangen, dürfen danach als Erwachsene aber keinen Job annehmen. Allein dieses Jahr kamen 100.000 solcher jungen Erwachsenen hinzu, schreibt die "New York Times", und mit jedem Jahr werden es weitere 100.000 sein. Laut US-Handelskammer gibt es wegen der alternden Bevölkerung und niedrigen Geburtenrate einen "riesigen Mangel" an Arbeitskräften im Land. "Der Kongress hatte ein Jahrzehnt Zeit, diese Angelegenheit zu lösen, und es ist wider jeder Vernunft, dass sie keinen Weg gefunden haben", wird ein führendes Mitglied der Kammer zitiert.

Ein Ende von DACA würde "unermessliche Zerstörung" für jede Industrie bedeuten, die Dreamer beschäftige, schreiben die Republikaner in ihrem Brief. "Die Grenzsicherung zu verbessern und einen Weg zu Staatsbürgerschaft zu ebnen ist nicht nur moralisch richtig; es ist elementar, um Arbeitskräftemangel und Inflation zu reduzieren sowie Jobs für alle amerikanischen Familien zu schaffen." Hunderttausende Arbeitskräfte aus der Wirtschaft zu entfernen, würde die Inflation anheizen, möglicherweise Lieferkettenprobleme verschlimmern und das Land in die Rezession schubsen.

Republikaner bremsen vor Kongresswahlen

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Trotz des eindringlichen Appells und der Untermauerung mit Zahlen ist es jedoch höchst unwahrscheinlich, dass es eine umfassende gesetzliche Regelung durch den Senat schafft. Noch ungünstiger ist die Lage durch die anstehenden Kongresswahlen im November. Die Republikaner wollen tunlichst alles vermeiden, was die eigenen Wähler verprellen könnte. Kaum ein Thema ist mit so vielen Emotionen und damit politischen Risiken verbunden wie Migration. Aber der Druck auf den Kongress, etwas zu tun, wächst.

Damit ein Gesetz verabschiedet wird, müssten im Senat mindestens 10 der 50 republikanischen Senatoren zustimmen. Interesse daran gab es bislang wenig. Im vergangenen Jahr versuchten die Demokraten mehrmals vergeblich, das Gesetz in einem Haushaltsentwurf mit einzubinden. Eine solche Verknüpfung mit Budgetgesetzen ist der einzige Weg, wie der Kongress neue Projekte ohne 60-Prozent-Mehrheit verabschieden kann. Im kommenden Jahr dürfte es noch schwieriger werden. Alles sieht danach aus, als würden die Demokraten bei den Zwischenwahlen im Kongress Sitze verlieren.

Quelle: ntv.de

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