"Washington Post" blutet aus Jeff Bezos verteidigt sich: Bin nicht vor Trump eingeknickt
29.10.2024, 07:44 Uhr Artikel anhören
Muss sich den Vorwurf der Feigheit gefallen lassen: Jeff Bezos
(Foto: picture alliance / Dennis Van Tine/STAR MAX/IPx)
Seit vielen Jahrzehnten unterstützt die "Washington Post" bei US-Wahlen die demokratischen Kandidaten. Damit ist dieses Mal überraschend Schluss, Besitzer Jeff Bezos legt sein Veto ein - nicht aus geschäftlichen Interessen, sondern aus Prinzip, wie er erklärt. Den Preis bezahlt die Zeitung.
Amazon-Gründer und "Washington Post"-Besitzer Jeff Bezos wehrt sich in einem Meinungsbeitrag gegen den Vorwurf, er habe der berühmten US-Zeitung aus wirtschaftlichen Gründen verboten, bei den diesjährigen Präsidentschaftswahlen die demokratische Kandidatin Kamala Harris zu unterstützen. Dem Milliardär zufolge handelt es sich um eine "prinzipielle Entscheidung", die auch in Zukunft Bestand haben soll. Angesichts sinkenden Vertrauens in die Medien müsse etwas unternommen werden, um dem Vorwurf der Parteilichkeit entgegenzutreten, schreibt Bezos in dem Beitrag. Was eine Wahlempfehlung "tatsächlich bewirkt, ist der Eindruck der Voreingenommenheit und eine Wahrnehmung von Nicht-Unabhängigkeit."
Die "Washington Post" spricht seit vielen Jahrzehnten Wahlempfehlungen aus, als eher linke Tageszeitung in aller Regel für die Kandidaten der Demokratischen Partei. 2013 kaufte Bezos die kriselnde Zeitung, griff zunächst aber nicht in die Wahlempfehlungen ein: 2016 rief die "Washington Post" zur Wahl von Hillary Clinton auf, 2020 zur Wahl des jetzigen US-Präsidenten Joe Biden. Die diesjährige Kandidatin Kamala Harris ist die erste seit 1976, die nicht unterstützt wird.
"Es gibt keine Verbindung"
Bezos wies in seinem Beitrag überdies Vorwürfe zurück, er wolle seine Firmen vor Vergeltungsmaßnahmen von Trump schützen, sollte dieser die US-Wahl gewinnen. "Ich möchte klarstellen, dass hier keinerlei Gegenleistung im Spiel ist", schrieb Bezos. "Weder die Wahlkampfteams noch die Kandidaten wurden auf irgendeiner Ebene oder in irgendeiner Weise über diese Entscheidung konsultiert oder informiert."
Bezos' Unternehmungen arbeiten teils eng mit der US-Regierung zusammen. AWS, die Cloud-Sparte von Amazon, besitzt etwa milliardenschwere Verträge mit US-Behörden. Bezos' Weltraumfirma Blue Origin kämpft um wertvolle Aufträge des US-Verteidigungsministeriums. Unter anderem der unabhängige US-Senator Bernie Sanders hatte Bezos deswegen bei seinem Eingreifen finanzielle Interessen unterstellt: Bezos habe "Angst, Trump zu verärgern und Amazons Verträge zu verlieren", wenn der ehemalige Präsident an die Macht zurückkehrt, schrieb Sanders bei X. "Erbärmlich."
Wie andere US-Medien berichten, traf sich zudem der Blue-Origin-Geschäftsführer an dem Tag, an dem Bezos der "Washington Post" die Unterstützung von Harris verbot, mit Trump. In seinem Beitrag behauptet Bezos, dass ihm dieser Termin nicht bekannt war: "Es gibt keine Verbindung zwischen dem Treffen und unserer Entscheidung über die Unterstützung von Präsidentschaftskandidaten, und jede gegenteilige Behauptung ist falsch."
"Washington Post" bezahlt den Preis
Für die "Washington Post" entwickelt sich die Entscheidung dennoch zu einem finanziellen Desaster. Der US-Sender NPR berichtet unter Berufung auf anonyme Quellen, dass die Zeitung seit der Ankündigung 200.000 Digitalabonnenten verloren hat. Das entspricht demnach etwa 8 Prozent aller Abonnenten, auch der gedruckten Auflage. Laut NPR soll die Zahl der Kündigungen am Montag weiter gestiegen sein.
Martin Baron, der frühere Chefredakteur der "Washington Post", der die Zeitung durch die erste Trump-Amtszeit führte und 2021 in den Ruhestand trat, kritisierte Bezos' Entscheidung als "feige". Trump werde sie als Ermutigung auffassen, Bezos und andere Medienbesitzer weiter einzuschüchtern, sagte er in einem Interview. Vor der "Washington Post" hatte mit der "Los Angeles Times" bereits eine andere große liberale US-Zeitung überraschend auf eine diesjährige Wahlempfehlung verzichtet.
Angst vor Vergeltung?
Im US-Präsidentschaftswahlkampf liefern sich Trump und Harris in den Umfragen seit Wochen ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen. Der Ausgang der Wahl gilt als richtungsweisend für die Zukunft der US-Demokratie und die künftige Außenpolitik der Weltmacht.
Trump will nach seiner ersten Amtszeit (2017 bis 2021) und seiner Wahlniederlage 2020 den Wiedereinzug ins Weiße Haus schaffen. Immer wieder lässt der Milliardär durchblicken, dass er politische Gegner wie Bezos im Falle eines Wahlsiegs bestrafen möchte. Die amtierende Vizepräsidentin Harris hatte nach dem Verzicht von Amtsinhaber Joe Biden Ende Juli die Kandidatur übernommen. Sie wäre die erste Frau an der Spitze der größten Wirtschafts- und Militärmacht der Welt.
Quelle: ntv.de, chr/AFP