US-Wahl 2024

Isoliert im Strandhaus So entschied sich Biden für seinen Alleingang

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Joe Biden soll in seinem Strandhaus vor Wut geschäumt haben, weil er sich von seinen Verbündeten im Stich gelassen fühlte.

Joe Biden soll in seinem Strandhaus vor Wut geschäumt haben, weil er sich von seinen Verbündeten im Stich gelassen fühlte.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Am Ende war der Druck doch zu groß. In quasi letzter Sekunde macht Joe Biden den Weg frei. Jetzt kann eine andere Person für die Präsidentschaft kandidieren. Die Art seines Rückzugs wirft jede Menge Fragen auf.

Nur der allmächtige Gott könnte ihn zu einem Rückzug aus dem Präsidentschaftsrennen bewegen, hatte Joe Biden vor Kurzem noch in einem Interview gesagt. In einem anderen Interview nannte der amtierende US-Präsident einen "medizinischen Zustand" als einzig möglichen Beweggrund, seine Kandidatur aufzugeben. Letztlich war beides nicht der Grund für seine späte Kehrtwende, sondern was Biden zuvor mehrmals als allein gültigen Rücktrittsgrund angeführt hatte: Ein Sieg schien schließlich selbst in seinen Augen aussichtslos, angesichts der schlechten Umfragewerte, immer mehr sich abwendender Parteifreunde und ausbleibender Wahlkampfspenden. Der Druck auf ihn, selbst von engen Begleitern, dürfte unerträglich geworden sein.

Am Samstagabend war es dann so weit, wie US-Medien unter Berufung auf Insider berichten: Biden entschied sich, seinen Widerstand aufzugeben und den Weg für einen anderen demokratischen Kandidaten freizumachen. Eine Nacht schlief er noch über seine Entscheidung, um am nächsten Morgen sein Bauchgefühl zu prüfen, wie die "Washington Post" eine über die Ereignisse informierte Person zitiert. Um seine Covid-Erkrankung auszukurieren, hatte er sich in sein Strandhaus zurückgezogen, am Telefon beriet er sich mit Topberatern und seiner Familie. Neben seiner Frau Jill waren einzelne Berater des Paars auch persönlich vor Ort.

Die beiden langjährigen Berater, die der Präsident in diesem historischen Moment ins Vertrauen zog, Mike Donilon und Steve Ricchetti, sollen ihn nicht gedrängt haben. Keiner der beiden habe ihm ausdrücklich gesagt, er solle aus dem Rennen aussteigen, zitiert CNN eine mit der Angelegenheit vertraute Person.

Gesundheit spielte offenbar keine Rolle

Bidens Gesundheitszustand spielte ebenfalls keine Rolle, wie der Sender einen hohen Beamten des Weißen Hauses zitiert. Das hatte etwa sein offenbar alkoholkranker Bruder Frank Biden gegenüber CBS News behauptet - der laut einem Vertrauten der Familie allerdings seit Wochen nicht mit dem Präsidenten gesprochen hatte. Auch diese vertraute Person wies zurück, dass Joe Bidens Gesundheit ihn zu dem Schritt bewog.

Durchaus eine Rolle dürfte hingegen seine Familie gespielt haben. Am Samstagabend tat Biden das, was er vor jeder wichtigen Entscheidung macht: Er hielt eine Familiensitzung ab, wie CNN berichtet. Seine Tochter Ashley und sein Schwiegersohn reisten demnach früh am Sonntag zum Strandhaus. Da begannen der Präsident und Ricchetti auch mit Anrufen bei wichtigen Akteuren außerhalb des handverlesenen Kreises.

Der US-Präsident gab den Rücktritt von seiner erneuten Kandidatur schließlich um 13.46 Uhr Ortszeit auf der Online-Plattform X bekannt. Weil er es so immerhin auf seine eigene Art tun und weitere Intrigen und Indiskretionen vermeiden konnte. So erklärten es mit der Entscheidung vertraute Personen der "New York Times". Joe Biden wollte offenbar ein letztes Mal selbst das Zepter in der Hand halten. Das Schreiben hatte er allerdings nicht allein verfasst, sondern gemeinsam mit Donilon und Ricchetti.

Biden soll noch unter Husten und Heiserkeit leiden

Offiziell über seine Entscheidung sprechen will Biden erst im Laufe der Woche. Die Bekanntgabe über ein soziales Netzwerk kann man modern für einen 81-Jährigen finden - oder des Amtes des weltweit mächtigsten Politikers unangemessen. Das online veröffentlichte Schreiben trägt keinen offiziellen Briefkopf, lediglich Joseph R. Biden, Jr. steht da als Absender. Selbst manche Parteifreunde zweifelten kurz an der Echtheit des "Briefs".

Während manche aus dem rechten Lager die nächste Verschwörung wittern, könnte die "zurückhaltende" Art des Rückzugs, wie CNN-Reporter ihn einstufen, auch einen banalen Grund haben. Biden litt immer noch unter Hustenanfällen und einer heiseren Stimme, wie die "Washington Post" eine mit der Sache vertraute Person zitierte. Es wäre nachvollziehbar, falls Biden wenigstens noch verhindern wollte, bei seiner Rückzugserklärung als kranker, alter Mann dazustehen.

Oder es handelt sich um eine Art letzten Rachefeldzug. Selbst seinen Führungsstab informierte Biden erst Minuten vor seinem Post bei X, etwa eine seiner engsten Kommunikationsberaterinnen, Anita Dunn. Nur eine halbe Stunde zuvor rief sein Wahlkampfstab immer noch Delegierte an, um diese zur Unterstützung Bidens zu drängen. Viele einfachere Mitarbeiter erfuhren erst mit der Veröffentlichung von Bidens Entscheidung davon. Immerhin mit seiner Stellvertreterin und möglichen Nachfolgerin als Kandidatin, Kamala Harris, sprach er am Sonntag vor der Bekanntgabe mehrmals, wie CNN eine informierte Quelle zitiert.

"Fast Rache an den letzten zwei Wochen geübt"

Mit diesem Vorgehen hinter dem Rücken seines Teams hat Biden "schon fast Rache an den letzten zwei Wochen geübt", meint Politologe Thomas Jäger im Gespräch mit ntv. Denn "es gibt überhaupt keinen Zweifel, dass er weitermachen wollte", so der Professor für Internationale Politik an der Universität zu Köln. "Er wollte als Kandidat nicht zurücktreten."

Die Art des Rückzugs zeuge von dem tiefen Zerwürfnis mit der Demokratischen Partei, schließlich werde eine solche Entscheidung normalerweise gemeinsam getroffen und ein Medienkonzept ausgearbeitet. "Biden hat alle ins Messer laufen lassen", sagt der Politikwissenschaftler. "Er hat hier gezeigt: Ihr habt versucht, mich vom Sockel zu stürzen, und jetzt habt ihr das davon. Jetzt müsst ihr mit dieser chaotischen Lage umgehen."

Nie zuvor sei Biden als so isoliert beschrieben worden, erläutert CNN. Noch am Wochenende rief der Präsident demnach Demokraten an, die ihn im Fernsehen weiter unterstützten. Zwei von ihnen berichteten von Dankbarkeit, vor allem aber habe Wut in seiner Stimme gelegen, sagte einer. Die "Washington Post" zitiert ein Kongressmitglied, Biden sei zutiefst verärgert über all die Menschen, die er für Freunde gehalten habe. Zutiefst verärgert waren am Sonntag auch diejenigen Berater, die der Präsident "ins offene Messer" hatte laufen lassen.

Quelle: ntv.de

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