US-Wahl 2024

"Massenabschiebungen jetzt" Vance schnurrt und tönt, Trump lächelt gönnerhaft

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Vance kämpft nun an der Seite eines Mannes, von dem er sich 2016 fragte, ob dies "Amerikas Hitler" sei.

Vance kämpft nun an der Seite eines Mannes, von dem er sich 2016 fragte, ob dies "Amerikas Hitler" sei.

(Foto: REUTERS)

Welche Rolle hat J.D. Vance in einer möglichen US-Regierung von Donald Trump? Bei seiner ersten Rede als Vizekandidat zeigt er sich als eisenharter Streiter für die Interessen amerikanischer Arbeiter. Die soll er insbesondere in den umkämpften Bundesstaaten überzeugen.

Der Mann, der sich an diesem Abend als Vizekandidat von Donald Trump den Menschen im ganzen Land vorstellt, zeigt dabei eine überraschende Seite. Hält J.D. Vance die übertriebene Hardliner-Rede eines jungen republikanischen Senators? Nein. Malt er das feurige Bild einer konservativen Regierung bei einem Wahlsieg in die Wohnzimmer des Landes? Nicht wirklich. Heizt er dem nach radikalen Forderungen dürstenden Parteitag mit extremen Positionen ein? Fehlanzeige. Oder zeigt er sich Kämpfer im Kulturkrieg? Kein bisschen.

Die "Trump / Vance"-Schilder waren am Mittwoch bereits fertig. Erst am Dienstag hatte Trump Vance als Vizekandidaten erkoren.

Die "Trump / Vance"-Schilder waren am Mittwoch bereits fertig. Erst am Dienstag hatte Trump Vance als Vizekandidaten erkoren.

(Foto: AP)

Stattdessen präsentiert sich J.D. Vance als sanfter, verbindlicher Aufsteiger aus einfachen Verhältnissen; einer, der Anekdoten zu erzählen hat, ein Familienmensch. Der gemeinsam mit anderen Arbeiterfamilien unter all den falschen Entscheidungen gelitten habe, die US-Präsident Joe Biden in seiner Zeit als Senator traf, und der daraus seine Schlüsse gezogen habe. Und der in Donald Trump den Mann sieht, der die USA als Präsident in die Zukunft führen soll. Mit ihm als Vize, der für die "vergessenen Arbeiter" kämpft. Trump lächelt ihm aus der Ferne immer wieder gönnerhaft zu, manchmal erhebt er sich auch für eine stehende Ovation.

Trump, dessen Familie und ein paar Kongressmitglieder sitzen schon länger auf der Ehrentribüne, als der 39-jährige Vance auf die Bühne kommt. Das Weiße Haus ist da schon ganz nah, hinter ihm auf der meterhohen Bildschirmwand zu sehen. Dass Vance dort steht, ist eine Aufstiegsgeschichte, wie sie gern in den USA erzählt wird. Nach schwieriger Kindheit und Jugend zu den Marines gegangen, mit ihnen in den Irak-Krieg, studierte danach mit Stipendien Jura auf einer Eliteuniversität. Als er 2016 sein autobiografisches Buch "Hillbilly Elegy" veröffentlicht, trifft es den Ton der Zeit. Es wird zum Bestseller und Vance zum gefragten Kommentator in den Medien.

Als "kulturelles Heroin" beschrieb er damals Trumps Versprechen, wenige Monate vor dessen Wahlsieg im Jahr 2016, als ein "neues Schmerzmittel". Als Trump dann gewählt wurde, sollte Vance einer aufgeschreckten Gesellschaft erklären, warum die Arbeiter Trump gewählt hatten. Er kritisierte ihn dabei scharf. Vier Jahre später, kurz nachdem Trump das Weiße Haus verlassen hat, trifft Vance ihn in Mar-a-Lago zum ersten Mal - entschuldigt sich und schließt nach stundenlanger Unterhaltung seinen Frieden mit ihm. Und er setzt sich 2022 in Ohio als Senatskandidat durch, ohne jemals zuvor ein politisches Amt gehabt zu haben.

Signal in Richtung NATO

In Milwaukee hören und sehen die Anwesenden, wie Vance nach dem gefühligen Einstieg und Anekdoten zum Kern seiner Sache kommt: Die Finanzwirtschaft der Wall Street habe das Land auf dem Rücken der Arbeiter in den Abstieg getrieben, Jobs vernichtet, die Demokraten hätten zugleich den Arbeitsmarkt mit "Millionen illegalen Einwanderern überschwemmt". Die Inflationskrise, sagt er, die sei eine Krise der Erschwinglichkeit. "Und viele der Menschen, mit denen ich aufgewachsen bin, können es sich nicht leisten, mehr für Lebensmittel, mehr für Benzin und mehr für die Miete zu bezahlen." Genau das habe ihnen Joe Bidens Wirtschaft gegeben.

Auf den Plätzen in der Arena liegen statt Schildern nur mit Trumps Namen nun welche mit Vance. "Frieden durch Stärke" steht auf anderen, "Trump wird den Ukraine-Krieg beenden", oder auch "Massenabschiebungen jetzt". Immer wieder werden sie während der Rede des Vizekandidaten hochgehalten.

Die Zukunft, die werde mit Trump und ihm anders sein, sagt Vance: "Wir sind fertig damit, die Wall Street zu bedienen und werden uns dem Arbeiter verpflichten", verspricht er. "Wir sind fertig damit, ausländische Arbeitskraft zu importieren, wir werden für die amerikanischen Bürger kämpfen. Wir sind fertig damit, Energie von Ländern zu kaufen, die uns hassen. Wir werden sie direkt hier von amerikanischen Arbeitern aus Pennsylvania und Ohio bekommen." Und: "Wir werden die Löhne der Arbeiter schützen und verhindern, dass Chinas Kommunistische Partei ihre Mittelklasse auf dem Rücken unserer Arbeiter baut."

Das ist einfach, das ist verständlich, und die Halle jubelt. Nicht nur an China und die Handelspartner der USA, auch Richtung NATO schickt er ein Signal: "Wir werden dafür sorgen, dass unsere Verbündeten an der Last der Sicherung des Weltfriedens beteiligt werden. Keine Trittbrettfahrten mehr für Nationen, die die Großzügigkeit des amerikanischen Steuerzahlers ausnutzen."

"Hardliner im Vergleich zu was?"

Vance hat seine Familiengeschichte und seinen Werdegang in politisches Kapital verwandelt. Er soll für Trump den Wahlkampf in jenen Bundesstaaten führen, die besonders umkämpft sind und wo sich Menschen seit Jahren durch die Globalisierung benachteiligt fühlen. Er soll als Brücke für jüngere Wähler dienen. In seinem Buch hatte er die bittere Nostalgie über den industriellen Niedergang dieser Bundesstaaten und die gesellschaftlichen Folgen lebensnah beschrieben. Wisconsin, Michigan, Pennsylvania, Staaten im "Rostgürtel" im Nordosten der USA, das sind die entscheidenden Wahlschlachtfelder. Gewinnen Trump und Vance dort im November, haben die Demokraten so gut wie keine Chance auf vier weitere Jahre an der Macht.

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Vance schlägt viel guter Wille und Hoffnung entgegen. "Vance bringt viel Jugendlichkeit mit, er ist sehr zielstrebig und er wird großartig sein", zeigt sich etwa die Delegierte Salleigh Grubbs überzeugt. Er klinge, als wäre er ein Hardliner, "aber ein Hardliner im Vergleich zu was?", fragt sie. Ein anderer Delegierter erzählt, er sei "fassungslos, irgendwie schockiert" gewesen, als er von Vance Vizekandidatur erfuhr: "Er wird konservativ eingestellte Demokraten, Unabhängige und die Generation Z anlocken." Es sei eine großartige Wahl.

Vance leistet zum Abschluss noch einen Schwur: "Jeden einzelnen Tag in den nächsten vier Jahren, wenn ich das Weiße Haus betrete, um Präsident Trump zu helfen, werde ich es für Sie oder Ihre Familie, für Ihre Zukunft und für dieses großartige Land tun." Die Band spielt noch einmal, die Delegierten schwenken Schilder und Cowboyhüte, manche verlassen schon das Rund. Das große Finale mit Trump, das folgt ja noch am Donnerstagabend.

Quelle: ntv.de

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