"Kein Verhandlungsweg in Sicht" USA: Donbass für Russland nur eine Etappe
10.05.2022, 17:10 Uhr
US-Geheimdienstkoordinatorin Hainex (l.) erläuterte die Einschätzung der Dienste im Senat.
(Foto: REUTERS)
Die US-Geheimdienste glauben nicht, dass sich Russland bei seinem Krieg in der Ukraine allein auf den Donbass konzentriert. Deswegen würde ein dortiger Erfolg für Moskau auch nicht das Ende der Kampfhandlungen bedeuten. Vielmehr setze Machthaber Putin weiter auf nachlassende Hilfe des Westens.
Ein eventueller russischer Erfolg im Donbass würde nach Auffassung der amerikanischen Geheimdienste wahrscheinlich nicht das Ende von Russlands Krieg gegen die Ukraine bedeuten. "Wir gehen davon aus, dass sich die strategischen Ziele Putins wahrscheinlich nicht geändert haben", sagte US-Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines bei einer Anhörung des Senats in Washington. Die Verlagerung der russischen Streitkräfte in den Donbass sei wohl nur vorübergehend. Der russische Präsident Wladimir Putin bereite sich auf einen längeren Konflikt in der Ukraine vor, in dessen Verlauf er immer noch beabsichtige, Ziele zu erreichen, die über die Ostukraine hinausgingen, sagte sie.
Haines warnte außerdem vor einer Eskalation des Konflikts. Die Ungewissheit des Kampfes, der sich zu einem Zermürbungskrieg entwickele, bedeute in Verbindung mit dem Missverhältnis von Putins Ambitionen und den militärischen Fähigkeiten Russlands einen "unvorhersehbaren und potenziell eskalierenden Kurs" in den kommenden Monaten. "Der derzeitige Trend erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Präsident Putin sich drastischeren Mitteln zuwendet, einschließlich der Verhängung des Kriegsrechts, der Umorientierung der Industrieproduktion oder potenziell eskalierenden militärischen Optionen", sagte sie vor dem Streitkräfte-Ausschuss weiter.
"Da sowohl Russland als auch die Ukraine glauben, dass sie militärisch weiter vorankommen können, sehen wir zumindest kurzfristig keinen gangbaren Verhandlungsweg", sagte Haines. Putin rechne auch damit, dass Russland eine größere Durchhaltekraft habe als der Westen und die Ukraine, sagte Haines, die die Arbeit der 18 US-Geheimdienste koordiniert. "Putin geht höchstwahrscheinlich davon aus, dass Russland eine größere Fähigkeit und einen größeren Willen hat als seine Gegner, Herausforderungen durchzustehen. Und er zählt wahrscheinlich darauf, dass die Entschlossenheit der USA und der EU nachlässt, während Lebensmittelknappheit, Inflation und Energiepreise sich verschlimmern."
Haines betonte, dass die USA immer noch der Ansicht seien, dass Moskau auch künftig eine "nukleare Rhetorik" einsetze, um die USA und den Westen davon abzuhalten, die Unterstützung für die Ukraine zu erhöhen. "Wir gehen weiterhin davon aus, dass Präsident Putin den Einsatz von Atomwaffen wahrscheinlich nur dann genehmigen würde, wenn er eine existenzielle Bedrohung für den russischen Staat oder das russische Regime wahrnehmen würde", sagte Haines.
Die USA und EU-Staaten unterstützen die Ukraine in dem Krieg mit umfangreichen Waffenlieferungen. Russland hatte das Nachbarland im 24. Februar angegriffen. Inzwischen konzentrieren sich die Kämpfe auf den Süden und Osten der Ukraine.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa/AFP