Schlappe vor Gericht Urteil: AfD zu Recht rechtsextremistischer Verdachtsfall
13.05.2024, 09:10 Uhr
Im Streit über die Einstufung als Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz erleidet die AfD eine Niederlage vor Gericht. Die Partei darf damit weiter nachrichtendienstlich beobachtet werden. Die AfD will gegen das Urteil vorgehen. Der Verfassungsschutz sieht sich bestätigt.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD nach einem Urteil des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts zu Recht als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft. Damit hat das Gericht in Münster ein Urteil aus der Vorinstanz bestätigt. Die Einstufung einer Partei als Verdachtsfall gibt dem Verfassungsschutz mehr Befugnisse. Er darf sie dann mit bestimmten nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten. So ist es etwa möglich, V-Leute anzuwerben, außerdem dürfen Menschen observiert werden. Zudem darf eine solche Einstufung öffentlich gemacht werden.
Die Befugnisse des Verfassungsschutzes seien "keineswegs grenzenlos weit", aber eine wehrhafte Demokratie dürfe auch kein "zahnloser Tiger" sein, betonte Gerald Buck, Vorsitzender Richter des 5. Senats, in der Begründung der Entscheidung. Vor allem bei der Beobachtung einer besonders geschützten politischen Partei müsse der Verfassungsschutz "hinreichend verdichtete Umstände" vorlegen können, die darauf hinweisen, dass eine Gruppierung möglicherweise Bestrebungen gegen die freiheitliche Grundordnung verfolge. Das sah der Senat im Fall der Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall gegeben.
"Unzulässige Diskriminierung"
Es gebe nach Überzeugung des Senats den begründeten Verdacht, "dass es den politischen Zielsetzungen jedenfalls eines maßgeblichen Teils der AfD entspricht, deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund nur einen rechtlich abgewerteten Status zuzuerkennen", hieß es in der Begründung. Das sei laut Grundgesetz eine "unzulässige Diskriminierung".
Die AfD hatte sich in dem Berufungsverfahren dagegen gewehrt, dass der Verfassungsschutz die gesamte Partei, den AfD-"Flügel" und die Jugendorganisation Junge Alternative als extremistischen Verdachtsfall führt. Beim "Flügel" ging es zusätzlich um die Einstufung als gesichert extremistische Bestrebung. In erster Instanz hatte das Verwaltungsgericht Köln den Verfassungsschützern recht gegeben: Die Richter sahen ausreichend Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der AfD. Dem schloss sich das OVG jetzt an. Der "Flügel" ist mittlerweile zwar offiziell aufgelöst. Faktisch dominiert diese Gruppierung die Partei.
Der Verdachtsfall ist die Vorstufe vor der Einstufung als gesichert extremistisch. Wie beim "Flügel" ist der Verfassungsschutz diesen Schritt mit Blick auf die AfD-Jugendorganisation bereits gegangen. Für die Gesamtpartei wird er nach dem Münsteraner Urteil erwartet.
Bundesverfassungsschutz: Haben "auf ganzer Linie obsiegt"
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, sieht sich durch die Abweisung der Berufungsklage der AfD durch das Oberverwaltungsgericht in Münster in seinem Kurs bestärkt. "Das BfV hat heute (...) auf ganzer Linie obsiegt", sagte Haldenwang in Köln. Sein Dank gehe an alle Mitarbeiter, insbesondere auch an jene, "die wegen dieser wichtigen Arbeit aus bestimmten Kreisen öffentlich und in sozialen Medien in den vergangenen Monaten immer wieder mit Hass und Hetze überzogen wurden, denen verfassungswidriges und rechtswidriges Verhalten vorgeworfen wurde und die unerträgliche Beleidigungen aushalten mussten". Sie alle könnten sich durch das Urteil bestätigt fühlen.
Das Bundesamt habe "zahllose Beispiele" vorgelegt, die Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Haltungen eines maßgeblichen Teils der AfD darlegten. Dazu gehörten "Hass und Hetze gegen Muslime, gegen Migranten aller Art", so Haldenwang. Zudem gebe es Anhaltspunkte für demokratiefeindliche Bestrebungen der AfD.
AfD will gegen Urteil vorgehen
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das OVG ließ zwar keine Revision zu, die AfD kann aber einen Antrag auf Zulassung am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig stellen - was die Rechtsanwälte der AfD bereits ankündigten. "Wir werden unser Heil in der nächsten Instanz suchen", sagte AfD-Vorstandsmitglied Roman Reusch nach der Urteilsverkündung. Mit der Ablehnung zahlreicher Beweisanträge habe das Gericht "sehr ordentliche Revisionsgründe geliefert", sagte Reusch.
Es sei sehr "schade und bedauerlich", dass sich das OVG vor einer "umfangreichen Beweisaufnahme" gedrückt habe, fügte Reusch hinzu. Die Vorwürfe des Bundesamtes für Verfassungsschutz nannte er "an den Haaren herbeigezogen". Der stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Peter Böhringer monierte in Münster, es sei "zu kurzer Prozess gemacht worden". "Wir hatten keine Chance auf faire Darstellung unserer Gegenargumente", sagte er. Die Hauptgründe, welche die AfD verdächtig machen würden, seien bis heute nicht "offengelegt", sagte er weiter.
Quelle: ntv.de, ghö/hvo/dpa/AFP