Politik

Pannen bei der Flugbereitschaft Wenn Minister am Boden bleiben müssen

In der litauischen Hauptstadt Vilnius musste Außenminister Steinmeier länger bleiben - eine Cockpitscheibe hatte einen Sprung.

In der litauischen Hauptstadt Vilnius musste Außenminister Steinmeier länger bleiben - eine Cockpitscheibe hatte einen Sprung.

(Foto: dpa)

De Maizière kann nicht zum EM-Viertelfinale fliegen, Steinmeier strandet in China, Merkel muss im Truppentransporter reisen. Gibt es bei jeder zweiten Dienstreise von Regierungsmitgliedern Pannen? Das Verteidigungsministerium widerspricht.

Es war kein wichtiger Staatsbesuch, sondern der Besuch eines Fußballspiels, der für Thomas de Maizière an einem technischen Problem am Flugzeug scheiterte. Der Bundesinnenminister hatte am vergangenen Wochenende nach Bordeaux fliegen wollen, um das Viertelfinale der Fußball-EM zwischen Deutschland und Italien zu sehen. Es stand ein Szenario im Raum, dass es am Ende kein Regierungsmitglied zu einem EM-Spiel der deutschen Nationalmannschaft ins benachbarte Frankreich schaffen würde. In seiner Eigenschaft als "Sportminister" wurde de Maizière dann doch noch beim Halbfinale gegen Frankreich im Stadion gesichtet. Trotz allem: Es war "nur" Fußball.

Da wiegen andere Pannen schon schwerer. Besonders Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat in den vergangenen Monaten eine Reihe von Flugzeugpannen erlebt. Wegen fehlenden Ersatzteils musste er in China acht Stunden auf den Weiterflug warten und kam zu spät zum G7-Gipfel im japanischen Hiroshima. Wegen eines Risses im Cockpitfenster musste er in Litauen einen Biergarten aufsuchen, bis es weitergehen konnte nach Lettland. Im vergangenen Herbst mussten Bundeskanzlerin Angela Merkel und eine große Delegation aus Ministern, Staatssekretären und Journalisten zusammenrücken. Statt der Kanzlermaschine, einem Airbus A340, reiste man im Truppentransporter "Kurt Schumacher" nach Indien.

Ist denn die Flugzeugflotte der Bundesregierung so marode, dass gefühlt jede zweite Dienstreise von Ministern oder der Kanzlerin verzögert, unterbrochen oder sogar unmöglich gemacht wird? Davon will das Verteidigungsministerium, das für die Flugbereitschaft der Bundeswehr und damit für die Organisation dieser Flüge zuständig ist, nichts wissen. Vielmehr heißt es: "Der Vogelschlag versaut uns die Statistik." Sechs Möwen hätten Innenminister de Maizière sein Fußballerlebnis gekostet. Eine sei ins Triebwerk geflogen. Auch, als bei Außenminister Steinmeier Anfang Mai beim Start in Berlin-Tegel zu einer Afrikareise ein Reifen platzte, sei das durch einen Vogelschlag ausgelöst worden – eine Laune der Natur, die nichts mit dem technischen Zustand der Flugzeugflotte aussagt.

Mehr als hundert Ausfälle in zweieinhalb Jahren

Doch es gibt genug andere Flugausfälle, für die keine Möwen verantwortlich gemacht werden können. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte n-tv.de, eine Pannenquote von knapp fünf Prozent sei völlig normal. "Das ist auch bei den großen Fluglinien nicht anders, doch da bekommen es die Fluggäste nicht mit, weil gleich eine Ersatzmaschine bereitsteht." Aber warum ist das bei der Bundesregierung nicht so?

Die Antwort ist so einfach wie ernüchternd: Es gibt gar nicht so viele Maschinen, als dass automatisch immer Ersatz bereitstehen könnte. Das Ministerium räumt ein, dass selbst bei einsatzbereiter Flotte Engpässe immer wieder vorkommen. Wenn eine Dienstreise ansteht, stellt der Stab des Ministers einen Antrag beim Bundesverteidigungsministerium, das den Auftrag an die Flugbereitschaft der Bundeswehr weitergibt. Wenn mehrere Aufträge gleichzeitig vorliegen, wird nach Priorität und Reiseziel entschieden - nach Marseille kommt man im Zweifelsfall auch mit einem Linienflug.

Nächste Neuanschaffung erst 2018

An zwei Standorten, Köln-Wahn und Berlin-Tegel Nord, sind die Maschinen der Flugbereitschaft des Verteidigungsministeriums stationiert. Es handelt sich um fünf Airbus A310, zwei Airbus A319 und zwei A340. Als kleinere Maschinen stehen darüber hinaus vier Geschäftsreisemaschinen Global 5000 zur Verfügung, die erst 2011 gekauft wurden. Der Millionenanschaffung war eine lange Debatte über die marode Regierungsfliegerflotte vorausgegangen, die zum Teil aus DDR-Beständen stammte. Darüber hinaus besitzt die Bundeswehr drei Hubschrauber vom Typ Cougar AS532. Die A310 sind die ältesten Maschinen der Flotte, das Modell wurde zwischen 1982 und 1997 gefertigt. Die beiden A319 wurden 2010 neu angeschafft, die A340 sind Baujahr 1999 und 2000 und wurden 2010 und 2011 gebraucht angeschafft.

Diese Flotte steht allerdings nicht allein der Bundesregierung zur Verfügung. Die Maschinen werden auch zum Beispiel für den Lufttransport von Kranken und Verwundeten genutzt oder zur Unterstützung humanitärer Hilfsaktionen und Katastrophenfälle. Es kommt auch vor, dass hochgestellte Gäste der Bundesrepublik mit einer der Maschinen reisen dürfen. Insgesamt habe die Flugbereitschaft in zweieinhalb Jahren mehr als 2300 Flüge für den politisch-parlamentarischen Bereich durchgeführt, so ein Sprecher des Ministeriums. Fünf Prozent Ausfälle entsprechen also mehr als hundert einzelnen ausgefallenen Flügen.

Dass Frank-Walter Steinmeier als Vielflieger der Bundesregierung "nur" von etwa sechs dieser Pannen betroffen war, kann er nach dieser Rechnung also schon als Glück betrachten. Die Flugbereitschaft betont unterdessen, es sei eben auch ein Unterschied, ob ein Ersatzteil auf einem großen Verkehrsflughafen gebraucht werde oder während eines Zwischenstopps auf einem chinesischen Provinzflugplatz. Erst im Jahr 2018 soll eine weitere für Mittel- und Langstrecken geeignete Maschine die bestehende Flotte ergänzen. Wie das Ministerium mitteilt, soll hierfür ein gebrauchter A321 angeschafft werden. Die betroffenen Minister reagieren den Verlautbarungen ihrer Ministerien zufolge in der Regel routiniert gelassen auf Verzögerungen und Ausfälle – sie kennen das ja schon.

Quelle: ntv.de

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