Merz bei Maischberger "'Wünsch Dir was' ist vorbei"
22.11.2023, 05:31 Uhr Artikel anhören
15 Milliarden Euro müssten in einem Nachtragshaushalt eingespart werden, sagt Merz.
(Foto: WDR/Melanie Grande)
Die Bundesregierung steckt in einer handfesten Finanzkrise. Ausgelöst hat die das Bundesverfassungsgericht, vor dem die Unionsfraktion geklagt hatte. Ein Triumph sei das Urteil nicht gewesen, sagt deren Vorsitzender Merz. Für den Haushalt 2024 sieht er durchaus Gestaltungsspielräume.
Es dürfte die größte Finanzkrise sein, die Deutschland je erlebt hat. Das Bundesverfassungsgericht hatte vergangene Woche den Klimafonds teilweise für verfassungswidrig erklärt. Nun fehlen der Regierung 60 Milliarden Euro für den geplanten ökologischen Umbau. Gleichzeitig hat das Gericht aber auch klargestellt, dass der Staat nicht auf Vorrat Schulden anlegen darf, um Projekte in den kommenden Jahren zu finanzieren. Das war bisher eine beliebte Praxis der verschiedenen Bundesregierungen gewesen. Das könnte auch den Wirtschaftsstabilisierungsfond betreffen, den das Bundesfinanzministerium am Dienstag vorsorglich gesperrt hat. Der enthält Kreditoptionen von bis zu 200 Milliarden Euro und sollte vor allem für die Strom- und Gaspreisbremse verwendet werden.
Geht es nach der Ampelkoalition, soll am Donnerstag im zuständigen Bundestagsausschuss der Haushalt für das kommende Jahr verabschiedet werden, der dann nächste Woche den Bundestag passieren soll. CDU-Chef Friedrich Merz sieht das anders. Der Haushalt 2024 sei nicht entscheidungsreif, sagt er bei Maischberger in der ARD. "Wir werden den Haushalt 2023 korrigieren müssen, mit einem Nachtragshaushalt, und das muss noch in diesem Jahr gemacht werden. Dann kann das Jahr 2024 durchaus gestaltet werden. Ich glaube, dass das geht. Es werden ungefähr 15 Milliarden Euro sein, die da eingespart werden müssen", sagt Merz, der auch Oppositionsführer im Bundestag ist. 15 Milliarden Euro - so hoch dürfte ungefähr die Höhe der Bundesbeteiligung an der Telekom sein. Darauf hatte Journalist Wolfram Weimer vor dem Interview mit Friedrich Merz hingewiesen, ohne deren Verkauf direkt vorzuschlagen. Den fordern jedoch Experten schon seit Jahren.
"Fahrlässige Täuschung der Wähler"
Ein Triumph für die Opposition sei das Verfassungsgerichtsurteil aus der vergangenen Woche nicht gewesen, sagt Merz bei Maischberger. Das habe er auch auf einer Sitzung der Unions-Bundestagsfraktion gesagt. Die Ampelregierung hatte einen nicht aufgebrauchten Schattenhaushalt, aus dem Corona-Hilfen finanziert werden sollten, für Zahlungen an Unternehmen umgewandelt, denen sie bei der Umstellung auf klimafreundliche Technologien helfen wollte. Das hat das Bundesverfassungsgericht untersagt. "Es ist eine fahrlässige Täuschung der Wähler in Deutschland", wirft Merz nun der Bundesregierung vor. Die habe einen verfassungswidrigen Haushalt vorgelegt. Gemeint ist damit der Nachtragshaushalt für das Jahr 2021, den das Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt hat.
Die Bundesregierung muss nun mit weniger Geld über die Runden kommen. Merz fordert, jetzt müssten Prioritäten gesetzt werden. Das gelte auch für die Transformation der Wirtschaft. "Die Zeit, wo man Transformation durch Subventionen machen will, die mit Schulden finanziert werden, ist vorbei." Geht es nach Merz, ist nun Sparen angesagt. Der CDU-Chef fordert, die Bundesregierung müsse die Erhöhung des "sogenannten Bürgergeldes" wieder zurücknehmen. Gleichzeitig müsse die Arbeitsmarktpolitik der Regierung geändert werden. Falsch konzipiert sei auch die Kindergrundsicherung, durch die 3000 bis 5000 neue Beamten- und Angestelltenstellen im öffentlichen Dienst geschaffen werden sollten. "Ein komplett neues System jetzt noch zu etablieren, mit einem Bürokratieaufwand, das ist schlicht der Wahnsinn." Zudem will Merz das im September beschlossene Heizungsgesetz kassieren. "Was da subventioniert werden muss für die privaten Haushalte, steht in überhaupt keinem Verhältnis zur CO2-Einsparung", sagt Merz. Mit diesen Maßnahmen könne die Regierung mindestens zehn Milliarden Euro einsparen.
Steuererhöhungen empfiehlt Merz nicht, und er ist gegen eine Aufweichung oder gar eine Aussetzung der Schuldenbremse. Das sei nur bei außergewöhnlichen Notlagen möglich, die sich dem Einfluss der Bundesregierung entziehen. "Aber diese Situation hat sie ja bewusst herbeigeführt", so der CDU-Vorsitzende. Der Bund habe fast eine Billion Euro Steuern eingenommen. "Ich sehe im Augenblick nicht, dass wir an die Schuldenbremse heranmüssen. Dafür gibt es genügend Möglichkeiten, an anderer Stelle zu sparen. Die Bundesregierung muss jetzt Disziplin üben. Es geht eben nicht mehr alles, und 'wünsch dir was' ist vorbei."
Kritik an Scholz
Ziemlich verärgert reagiert Merz auf Bundeskanzler Olaf Scholz. Angerufen habe der ihn bisher noch nicht. Überhaupt habe Merz den Kanzler nach dem Karlsruher Gerichtsurteil nur einmal gesehen, auf einem Afrikagipfel. Da habe er den afrikanischen Ländern vier Milliarden Euro für Klimaprojekte zugesagt. "Dafür war dann Zeit", kritisiert Merz. "Ich erwarte von dem Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, dass er in dieser Situation die Regierung führt und der Bevölkerung sagt, was jetzt zu tun ist. Er kann doch nicht eine Woche lang einfach abtauchen." Die Union werde mit der Regierung in dieser Krise zusammenarbeiten, aber die Hauptarbeit liege bei der Ampelkoalition.
Dass die an der Krise zerbricht, glaubt er nicht. Dennoch sagt er: "Wir bereiten uns auf jedes denkbare Szenario vor." Im kommenden Jahr seien ohnehin Europawahlen, "aber wir sind auch in der Lage, aus dem Stand heraus eine Bundestagswahl zu bestreiten. Ich rechne nicht damit, aber das könnte sich schon morgen Abend wieder geändert haben."
Quelle: ntv.de