Neue Datenbasis für Deutschland Zahlen zu Migration, Mieten und mehr: Was steht im Zensus 2022?


Wie viele Menschen leben in Deutschland - und wie?
(Foto: Silas Stein/dpa/Archiv)
Mehrmals muss die Veröffentlichung der Zensus-Ergebnisse verschoben werden. Diese Woche ist es endlich soweit: Deutschlands Statistikämter stellen ihre jüngste Bevölkerungs- und Gebäudezählung vor und präsentieren erste Ergebnisse.
Eigentlich sollten die Ergebnisse des Zensus schon längst vorliegen. Schließlich war die zweite bundesweite Volkszählung für Mai 2021 angesetzt. Doch dann kam Corona und das ganze Projekt wurde um ein Jahr aufgeschoben. Ergebnisse erhoffte man sich für 2023 - vergeblich, denn auch die Auswertungsphase zog sich länger hin als gedacht. Gut zwei Jahre nach dem Stichtag soll es nun endlich so weit sein: Deutschlands öffentliche Statistik bekommt ein Update. Am Dienstag werden die Zahlen veröffentlicht.
Im ersten angekündigten Datenpaket geht es unter anderem um die Demografie, den Bildungsstand, die Erwerbssituation, die familiären Umstände und die Wohnsituation von gut 84 Millionen Bürgerinnen und Bürgern. Auch das Thema Migration wird mit neuen Zahlen beleuchtet.
Wichtiger Hinweis: Alle in diesem Text dargestellten Grafiken zeigen den bisher bekannten Datenstand auf Basis des Zensus 2011. Sobald die Ergebnisse des Zensus 2022 vorliegen, werden die Grafiken entsprechend ergänzt.
Fokus auf steigende Mieten und Leerstand
Mit den Ergebnissen des Zensus 2022 können zahlreiche öffentliche Statistiken erstmals seit 2011 auf einen aktuellen Stand gebracht werden. Vor allem aber liefern die Daten eine wichtige Grundlage für politische Entscheidungen auf allen Ebenen. Sie geben Hinweise auf demografische Verschiebungen und verraten, wo aktuell oder künftig ein Mangel droht - an Wohnraum, Schulen, Infrastruktur, sozialen Angeboten und mehr.
Gerade im Zusammenhang mit der Diskussion um steigende Mieten und den Wohnungsmangel in den Städten liefert der Zensus 2022 möglicherweise wichtige Erkenntnisse. Schließlich wurde erstmals die durchschnittliche Nettokaltmiete erhoben und bei ungenutzten Wohnungen nach den Gründen für den Leerstand gefragt. "So kann man in den Leerstandsregionen gucken: Woran liegt es dann? Sind das wirklich Sanierungsfälle, die jahrelang auf eine Baumaßnahme warten? Oder ist das eher der übliche Leerstand, der bei einem normalen Umzug zustande kommt?" sagt Ulrike Timm, Teilprojektleiterin für die Gebäude- und Wohnungszählung beim Statistischen Bundesamt.
Mögliche Fortschritte oder auch Versäumnisse in der kommunalen Wärmeplanung wiederum werden womöglich durch die neu verfügbaren Detail-Daten zur Heizstruktur aufgezeigt. Die Gebäudezählung von 2022 umfasst nämlich nicht nur Angaben dazu, welche Art von Heizung in Wohngebäuden verbaut ist, sondern auch, womit sie betrieben wird. Mithilfe von Gitternetzdaten soll sich bis auf den Straßenzug genau ablesen lassen, wo die Dichte der Gas-, Öl- oder Öko-Heizungen besonders hoch ist.
Auf einmal weniger Migranten? Alles eine Frage der Definition
Nicht nur im Wohnungsbereich war eine Aktualisierung des deutschen Datenbestandes dringend geboten. Auch in der Bevölkerungsstruktur dürften sich in der neuen Erhebung deutliche Verschiebungen gegenüber dem Zensus 2011 bemerkbar machen - getrieben von Zuwanderung einerseits und Überalterung andererseits.
Gerade beim Thema Migration sind die Zensus-Daten allerdings nur schwer mit den bisherigen Zahlen vergleichbar. Das liegt daran, dass sich die statistischen Definitionen geändert haben. Statt von einem Migrationshintergrund ist im neuen Zensus nun von der sogenannten "Einwanderungsgeschichte" die Rede. In diese Kategorie fallen nur Personen, die entweder selbst im Ausland geboren wurden oder deren Eltern eingewandert sind.
Unter der früheren Kategorie "mit Migrationshintergrund" wurden deutlich mehr Menschen erfasst, beispielsweise auch Personen, die keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Laut dem Statistiker Stefan Rose, der das neue Konzept mitentwickelt hat, wurden sogar die Nachkommen von Migranten bis in die dritte Generation gezählt. Mit dieser Kleinteiligkeit soll nun Schluss sein.
Der Zensus ist ein statistisches Mammutprojekt
Auch so schon handelt es sich beim Zensus um ein statistisches Mammutprojekt. Nicht umsonst wird die große Volkszählung nur alle zehn Jahre angesetzt. Wegen der angespannten Lage im Corona-Jahr 2021 wurde sie auf 2022 verschoben - und auch das war ein krisengeprägtes Jahr. Dabei ist völlig klar: Gerade in Zeiten der großen Umbrüche und Migrationsbewegungen, kann die Statistik nur schwerlich mit sämtlichen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen Schritt halten. Planung, Durchführung und Aufbereitung des aktuellen Zensus etwa haben gut drei Jahre in Anspruch genommen. Dabei fiel der Stichtag im Mai 2022 ausgerechnet in eine Zeit, als die Flüchtlingszahlen aus der Ukraine noch immer weiter anstiegen.
Dennoch: Für Statistiker liefern die Zensus-Daten einmal pro Jahrzehnt einen wichtigen Realitätscheck. Endlich können sie ihre Annahmen zur Bevölkerungsentwicklung überprüfen und überarbeiten. Nicht selten führt diese Korrektur zu einem regelrechten Knick in der Zeitreihe. Beim letzten Zensus im Jahr 2011 etwa verlor Deutschland quasi über Nacht laut Statistik rund 1,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. In diesem Jahr ist hingegen wohl eher mit einem Sprung nach oben zu rechnen.
Quelle: ntv.de