Politik

Politikberater Hillje bei ntv "Zukunft für Laschet? Sehe ich nicht, nein"

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Es dauert lange, bis die Union überhaupt einen Termin für Sondierungsgespräche mit der FDP findet. Die Liberalen und auch die Grünen machen da einen wesentlich agileren Eindruck. Gefragt nach den Aussichten von CDU-Chef Laschet, wird Politikberater Hillje bei ntv daher deutlich.

ntv: Wie sollte sich die SPD aus Ihrer Sicht jetzt verhalten, um tatsächlich zu einer Ampel mit Grünen und FDP zu kommen?

Johannes Hillje ist Politik- und Kommunikationsberater in Berlin und Brüssel. Zu seinen Auftraggebern gehören Politiker, Parteien, Ministerien, Verbände und Unternehmen.

Johannes Hillje ist Politik- und Kommunikationsberater in Berlin und Brüssel. Zu seinen Auftraggebern gehören Politiker, Parteien, Ministerien, Verbände und Unternehmen.

Johannes Hillje: Man muss sagen, dass die SPD und Olaf Scholz ja direkt am Wahlabend etwas ins Hintertreffen geraten sind durch diesen überraschenden Vorstoß von Christian Lindner, die Vorsondierung erstmal mit den Grünen zu führen. Im Grunde muss die SPD aufpassen, dass sie mehr ist als nur der Klebstoff zwischen Grünen und FDP. Sie muss also Herr des Verfahrens werden, dieser Sondierungsgespräche und dann späteren Koalitionsgespräche. Das ist sie bisher nicht.

Das ist ja gar nicht einfach, was Sie da sagen, wenn wir feststellen, Regieren wollen sie ja doch irgendwie.

Ja, natürlich. Aber wir erleben jetzt ja erstmal Festspiele der politischen Symbolik. Es wird wenig über Inhalte gesprochen, sehr viel über Zeitpläne, Selfies und Atmosphärisches. Und in diesem Wettbewerb ist die FDP und sind auch die Grünen bisher vorne, weil die proaktiv Zeitpläne vorgelegt haben. Vor allem die FDP hat sich ja gestern vor die Pressekonferenz der Grünen gesetzt und Timing ist eben ein ganz entscheidender Faktor, um Handlungsfähigkeit und auch Kontrolle über das Verfahren auszustrahlen. Das sehe ich bei der SPD bisher weniger, zumindest wenn nur mit Verzögerung.

Welche Botschaft steckt denn hinter diesem Selfie? Können die Grünen und FDP denn überhaupt zueinanderfinden?

Das Selfie hat glaube ich zwei Botschaften. Die eine Botschaft ist: Wir sind nicht nur Mehrheitsbeschaffer, wir sind Mehrheitsentscheider. Und die zweite Botschaft ist eine der politischen Kultur. Wir haben ja 2017 diese Bilder von den Balkonen gesehen. Das war ja eigentlich, journalistisch gesprochen und kommunikativ gesprochen, eher Paparazzi-Kultur. Die wurden ja von Journalisten geschossen. Und 2021 ist das Image-Control. Das sind Selfies, wo die völlige Kontrolle über das Bild und über die Botschaft bei den politischen Akteuren liegt. Also, hier sind eigentlich zwei ganz interessante Botschaften zu sehen, die die vier damit aussenden wollten.

Ist es möglich, dass sie sich einigen?

Ich glaube, die Zeichen stehen derzeit eher auf Ampel. Wir sehen das auch gesellschaftlich als Stimmung. Es gab ja direkt am Tag nach der Wahl schon erste Umfragen, welche Koalition die Wählerinnen und Wähler befürworten würden. Da haben wir doch eine relativ klare Tendenz zur Ampel gesehen, im Gegensatz zu Jamaika. Und mit dem Zustand der Union, wir sehen das ja, sie ist offenbar kaum in der Lage, Termine mit der FDP wirklich festzumachen. Das ist eigentlich sehr unsortiert. Da ist also ein schwacher Faktor in so einer Jamaika-Koalition. Und deswegen, glaube ich, wäre momentan eine Ampel stabiler.

Welche Möglichkeiten haben CDU und auch Laschet jetzt?

Ich glaube, bei der Union steht eigentlich ein tiefgreifender Generationswechsel und Erneuerungsprozess an. Und der ist natürlich gar nicht so schwer zu vollziehen, wenn man parallel sondiert und verhandelt. Aber sollten diese Verhandlungen irgendwann mal zu Ende sein und sollte man dann nicht Teil einer Regierung sein, dann ist es glaube ich unerlässlich, dass wirklich so etwas wie ein Generationswechsel stattfindet. Armin Laschet wurde ja in seine Kanzlerkandidatur getragen, von den alten Recken, von der alten Riege, Wolfgang Schäuble, Volker Bouffier. Und es gibt ja dahinter viele junge Akteure der Union - Tobias Hans, Jens Spahn, Daniel Günther -, die jetzt eigentlich am Zuge sein müssten, weil die Älteren doch, mehr oder weniger, bei dieser Wahl versagt haben mit ihrem Handeln und ihren Entscheidungen. Dieser Generationswechsel wäre ein ganz wichtiger Teil eines Erneuerungsprozesses der Union.

Das heißt, keine Zukunft für Laschet?

Die sehe ich nicht, nein.

Mit Johannes Hillje sprach Marcel Wagner

Quelle: ntv.de

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