Politik

Albrecht von Lucke bei ntv "Für Laschet geht es gar nicht mehr weiter"

Die Union wird mit Armin Laschet an der Spitze nicht koalitionsfähig sein, sagt Albrecht von Lucke.

Die Union wird mit Armin Laschet an der Spitze nicht koalitionsfähig sein, sagt Albrecht von Lucke.

(Foto: REUTERS)

Tag drei nach der Bundestagswahl - und Armin Laschet ist noch immer CDU-Chef. Dass es früher oder später vorbei ist für ihn, ist für "Blätter"-Herausgeber von Lucke klar. Er erkennt in Laschets Handeln einen "ganz schmalen Grat von einer tragischen, zu einer traurigen, und am Ende zu einer lächerlichen Figur"

ntv: Was haben Sie gedacht, als Sie dieses erste Foto gesehen haben von Grünen und FDP, von gestern Abend?

Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke schreibt für die monatlich erscheindenen "Blätter für deutsche und internationale Politik".

Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke schreibt für die monatlich erscheindenen "Blätter für deutsche und internationale Politik".

Albrecht von Lucke: Man könnt denken: "We are Family!" Das sieht ja schon sehr, sehr familiär und sehr harmonisch aus. Und eines ist doch auch ganz klar: Kulturell, das muss man doch sehen, sind Grüne und FDP keineswegs auseinander. Und eines wird auch deutlich: Die beiden Parteien haben absolut begriffen, dass es gar nicht anders geht, als konstruktiv auf eine Ampel hin zu verhandeln. Wolfgang Kubicki hat das einzig Wahre gesagt, es gibt keine Alternative. Eine CDU/CSU mit einem Mann an der Spitze wie Armin Laschet, der bis heute nicht begriffen hat, dass diese Wahl - für ihn jedenfalls - verloren ist, ist kein Koalitionspartner. Insofern verhandeln jetzt Grüne und FDP mit dem Willen zur Gemeinsamkeit auf die Ampel hin.

Was bedeutet eine rot-grün-gelbe Regierung für Deutschland?

Da stellen Sie die Mega-Frage, die wir sicherlich nicht jetzt in zwei Minuten beantworten können. Aber eines wird sehr klar sein: Es wird nicht die grüne Revolution sein. Das wird, übrigens zur Enttäuschung vieler grüner Wählerinnen und Wähler, nicht der Fall sein. Fridays for Future werden weiterhin große Anforderungen an die Grünen stellen, die Grünen werden es gar nicht leicht haben. Ich würde sogar eher sagen, die FDP ist der heimliche Gewinner. Auch wenn die FDP jetzt das Druckmittel einer Alternative, mit einer Jamaika-Koalition, nicht mehr hat: Die FDP wird sich immer inszenieren als die Stimme der Vernunft. Sie wird dafür sorgen, dass ökologisch, im Sinne von Fortschritt, im Sinne von Forschung, etwas erreicht wird. Aber die grundlegenden ökologischen Konzepte von Fridays for Future oder einem Teil der Grünen, die viel weiter gehen, werden nicht umgesetzt werden. Es wird, meinem Eindruck nach, vor allem ja mit Olaf Scholz an der Spitze, eine Kontinuitätsstrecke geben, ein, ich sage es mal, "merkeliges" Weiter so, mit durchaus klaren, klimapolitischen Aspekten und Punkten, aber es wird nicht die grüne Revolution, die sich manche erhofft haben.

Wie geht es denn weiter für Laschet?

Für Laschet geht es gar nicht weiter. Man kann es gar nicht mehr als Tragik, sondern fast als Komödie, als Tragikomödie, bezeichnen. Es ist, wie wir sehen, ein ganz schmaler Grat, von einer tragischen, zu einer traurigen, und am Ende zu einer lächerlichen Figur, wie sich Armin Laschet noch an die Macht, die er gar nicht mehr hat, die ihm zerrinnt in der eigenen Partei, zu klammern versucht. Es ist eigentlich nur noch dramatisch und ein zunehmend lächerliches Schauspiel geworden. Er wird in kürzester Zeit einsehen müssen, dass er keine Zukunft mehr hat, dass seine politische Biografie zu Ende ist. Das hätte er achtsam und achtbar am Abend der Wahl zum Ausdruck bringen müssen, dann hätte er seine Ehre bewahrt.

Und welche Perspektiven hat die Union?

Für die Union wird es jetzt ein ganz weiter Weg, denn wir erleben ja schon, wie das Hauen und Stechen in der CDU begonnen hat. Gestern ging es um den einzigen Posten, der einer Oppositionspartei bleibt, nämlich den Fraktionsvorsitz. Der ist jetzt kommissarisch geregelt, aber es wird ganz harte Auseinandersetzungen geben. Und das eigentlich Ironische ist, dass der Mitverursacher dieser Wahlniederlage, nämlich Markus Söder von der CSU, der nichts Gutes an Laschet, auch im Wahlkampf, gelassen hat, der auch damit maßgeblich für seine Niederlage mitverantwortlich ist, dass er wahrscheinlich doch wieder als der stärkste Mann aus der Union hervorgeht. Er wird jetzt voll auf die Bayern-Wahl 2023 setzen und dann vielleicht mit weitem Blick darauf, dass er der nächste Kanzlerkandidat 2025 werden kann.

Wird denn Laschet diese Woche überleben, was meinen Sie?

Das könnte in dieser Woche noch so sein. Ich sehe nicht, dass es jetzt noch einen Putsch gibt. Er hat die Hürde geschafft, aber sein Überleben ist dann vorbei, wenn es echte Verhandlungen mit FDP und Grünen gibt. Dann läuft dieses kleine Interregnum von Armin Laschet aus. Es wird weiter Personen geben, die ihn drängen zurückzutreten. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass bei ihm die Einsicht jemals wächst. Vielleicht kommt sie übers Wochenende, wenn er realisieren muss, dass Grüne und FDP konstruktiv und zielstrebig auf die Ampel zuarbeiten, einfach deshalb, weil sie die einzige Alternative ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Eine CDU/CSU, mit einem derartigen Verlust von 9 Prozentpunkten, dem historisch schlechtesten Ergebnis, verantwortet maßgeblich von Armin Laschet, scheidet als Kanzlerpartei faktisch aus.

Mit Albrecht von Lucke sprach Marcel Wagner

Quelle: ntv.de

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