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Verfassungsschutz bekommt recht Das Urteil gegen die AfD darf niemanden beruhigen

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Zerstörte Wahlwerbung der AfD. Wehrhafte Demokraten können auf derlei Vandalismus verzichten.

Zerstörte Wahlwerbung der AfD. Wehrhafte Demokraten können auf derlei Vandalismus verzichten.

(Foto: picture alliance / Eibner-Pressefoto)

Der Verfassungsschutz habe die AfD zu Recht unter Verdacht, rechtsextrem zu sein, befindet das Oberverwaltungsgericht Münster. Die Partei dürfte daher bald als Ganzes zum Verdachtsfall hochgestuft werden. Dieser Erfolg der wehrhaften Demokratie vor Gericht sollte aber niemanden beruhigen.

Die Alternative für Deutschland mag im Gerichtssaal unterlegen sein, eine schwere Niederlage ist das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster aber nicht für die Partei. In ihrer Öffentlichkeitsarbeit hat sie den Stempel "rechtsextrem" längst zum Ausweis ihres Rebellentums umgedeutet. "Ist der Bürger unbequem, bezeichne ihn als rechtsextrem", ist eine Losung, die an der Parteibasis genauso beliebt ist wie bei der Vorsitzenden Alice Weidel.

Der Verfassungsschutz sei halt genauso politisch instrumentalisiert von "denen da oben" wie die Justiz, begründen AfD'ler ihren nach außen demonstrativ entspannten Umgang mit der Tatsache, vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden. Die Gelassenheit ist begründet: Ob man die AfD nun als einen Haufen "Nazis" bezeichnet oder ihre teilweise Einstufung als rechtsextremistischen "Verdachtsfall" ins Feld führt, schreckt kaum einen ihrer Wähler ab.

Das hat auch die Partei selbst dankbar zur Kenntnis genommen und ihre Selbstradikalisierung immer weiter vorangetrieben: Es gibt kaum noch eine relevante Gegenbewegung zum Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke, und wenn doch, nur aus (macht-)taktischen und nicht aus ideologischen Erwägungen. In Brandenburg schickt die AfD den Rechtsextremen Hans-Christoph Berndt als Spitzenkandidaten zur Landtagswahl ins Rennen, obwohl dessen direkte Beziehungen zur rechtsextremen Szene wohlbekannt sind. Diverse Akteure der Neuen Rechten sind als Mitarbeiter der AfD-Abgeordneten in Bundestag und Landesparlamenten ideologisches und finanzielles Scharnier zu extremistischen Vorfeldorganisationen. Auch die Nominierung des Rechtsaußen Maximilian Krah zum Europawahl-Spitzenkandidaten entspricht diesem parteiinternen Trend.

Angst vor dem Verbotsantrag

Es mag in der AfD viele Menschen geben, die frei sind von extremistischem Gedankengut, aber sie steuern den Laden nicht. Und sie lassen sich auch nicht von den vielfältigen Berichten über die wahren Absichten ihrer Parteifreunde von einer fortgesetzten Mitgliedschaft abschrecken. So wird der Verfassungsschutz gar nicht umhinkommen, die AfD absehbar als "gesichert rechtsextreme Bestrebung" einzustufen. Das ermöglicht der Behörde eine noch umfänglichere Überwachung, damit der Rechtsstaat zumindest im Bilde über die Vorgänge in der Partei ist. Ein mögliches Verbotsverfahren könnte so mit weiteren Argumenten unterfüttert werden.

Allerdings schrecken demokratische Politiker bislang parteiübergreifend vor einem Verbotsantrag zurück. Nicht, weil sie die AfD nicht für rechtsextrem und verfassungsfeindlich hielten, sondern ausschließlich wegen der juristischen Unwägbarkeiten und einem schwer einzuschätzenden Effekt auf die öffentliche Debatte. Es steht daher zu befürchten, dass sich die Regierungen in Bund und Ländern erst dann zu einer Verfahrensanstrengung durchringen können, wenn es eigentlich schon zu spät ist; wenn die Partei zu einflussreich oder ihre Krebs-gleiche Zersetzungsideologie bereits zu breit gestreut ist.

Demokratie selber machen

So ist das Urteil aus Münster mit höchster Vorsicht zu genießen. Es ist gut, dass die Mechanismen der wehrhaften Demokratie sowie die sie stützenden Parteien und gesellschaftlichen Institutionen bis hierhin funktionieren. Das war in der Weimarer Republik ganz anders. Ob das aber reicht, steht auf einem anderen Blatt. All das Wissen über die verfassungsfeindlichen Bestrebungen maßgeblicher AfD-Akteure hat bisher weder die Partei zu einer Kurskorrektur veranlasst noch trauen sich ihre politischen Gegner, mit einem Verbotsverfahren alle Register zu ziehen.

Geschadet hat der Partei bislang nur zweierlei: erstens ihre Enttarnung als vaterlandslose, potenziell korrupte Amateure, die sich spielend leicht vor den Karren Moskaus und Pekings spannen lassen. Und der breite, öffentliche Widerstand aus der Mitte der Gesellschaft in Form landesweiter Demonstrationen. Vor diesem Hintergrund ist die Partei seit Dezember im RTL/ntv-Trendbarometer von 23 auf 15 Prozent Zustimmung gefallen. Dieser Erfolg weist allen Anhängern der liberalen Demokratie den Weg: Im Zweifel nicht auf die Mühlen des demokratischen Rechtsstaats verlassen, sondern Demokratie selber machen. Kein Urteilsspruch und auch kein Politikersatz kann die AfD so sehr ins Mark treffen wie die breite Ablehnung durch die lange schweigende Mehrheit, die sie doch zu vertreten behauptet.

Quelle: ntv.de

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