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Scholz' Härte als Respekt-Geste Endlich ist Russland wieder wer

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Putin auf der großen Bühne.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Mit seinem unerbittlichen Auftritt in Moskau kommt Scholz seinem Gastgeber letztlich entgegen und könnte so zur Entspannung beitragen. Weil Präsident Putin nur Härte und kalte Machtpolitik ernst nimmt, dürfte er Scholz' klare Worte als Zeichen des Respekts verstanden haben.

Olaf Scholz hält Wladimir Putin für einen Autokraten, dessen außenpolitische Forderungen er in Form und Inhalt ablehnt, die man um des lieben Friedens willen aber besser ernst nimmt. So weit, so ungewöhnlich für einen deutschen Regierungschef. Dass ein Bundeskanzler das aber auch im Kreml so klar ausspricht - öffentlich, nicht hinter verschlossenen Türen - hat Wladimir Putin selten erlebt, wenn überhaupt.

Der Sozialdemokrat hat sich bei seinem Amtsantritt als Gegenentwurf zu seinem Vor-Vorgänger und Putin-Kumpel Gerhard Schröder vorgestellt. Zudem ging Scholz auf maximal öffentlicher Bühne auf größtmögliche Distanz. Scholz' Auftritt im Kreml dürfte auch manche Debatte in der Heimat und bei den NATO-Partnern darüber beenden, wo die neue Bundesregierung in der Russlandpolitik steht. Nach anfänglichem Schlingerkurs hat sich Scholz entschieden, dass der aggressiven Außenpolitik des späten Putin mit Dialogbereitschaft allein nicht beizukommen ist. "Putin will Härte? Soll er haben", könnte die Überlegung lauten.

Auf Augenhöhe mit den Großen

Den Mann, der das Ende der Sowjetunion als größte geopolitische Katastrophe des vergangenen Jahrhunderts betrachtet, mögen in der Ukraine-Krise viele Motive antreiben. Neo-imperiale Großmannssucht ist erkennbar eines davon. Nicht umsonst legt die russische Regierung so viel Wert darauf, Fragen der europäischen Sicherheitsarchitektur nicht mit NATO und EU zu diskutieren. Putin will von den Weltmächten, von den Regierungen der großen Nationen auf Augenhöhe behandelt werden - deshalb die vielen Telefonate mit US-Präsident Joe Biden, deshalb die persönlichen Besuche von Emmanuel Macron und Olaf Scholz, dem Präsidenten der größten Militärmacht Kontinentaleuropas und dem Regierungschef der größten Wirtschaftsmacht Europas. Scholz erwähnte seinerseits die EU mit keinem Wort, es hätte Putin nur die Stimmung vermiest.

Solange die Gegner ja nur aus der richtigen Gewichtsklasse stammen, ist es Putin auch egal, wenn sie verbal austeilen. Das klassische Spiel von Macht und Drohungen ist das Seine. Deshalb haben die USA und die europäischen NATO-Staaten gut daran getan, Geschlossenheit zu organisieren und ein Sanktionspaket vorzubereiten, von dem auch Putin nicht sicher sagen kann, wie gefährlich es ihm persönlich werden könnte. Sollte es tatsächlich zur Anwendung kommen, wären die wirtschaftlichen Verwerfungen für alle Beteiligten schwerwiegend. Die freiheitlichen Demokratien hätten aber noch mehr zu verlieren, wenn sich in den Moskaus und Pekings dieser Welt der Eindruck verfestigt, völkerrechtliche Prinzipien ließen sich durch die einseitige Bereitschaft zur militärischen Eskalation aushebeln.

Auf Härte müssen Verhandlungen folgen

Ob Olaf Scholz' Moskau-Reise die Lage in irgendeine Richtung verändert hat, wird sich zeigen. Viel spricht dafür, dass die akute Krise im Verhältnis von NATO und Russland noch lange anhalten wird, selbst wenn die meisten russischen Truppen von der Grenze zur Ukraine abgezogen werden. Es stehen hochkomplexe Gespräche ins Haus, wenn sich Putin denn darauf einlässt.

Doch auch der Westen hat ein Interesse daran, die sicherheitspolitischen Strukturen in Europa langfristig tragfähig zu gestalten. Abrüstungs- und Kontrollabkommen sowie auch Absprachen, wer wo wie viel Militär stationiert, sind im Interesse aller. Sie würden daher auch die Bereitschaft zu echten Zugeständnissen an Moskau voraussetzen. Je mehr Präsident Putin sein Gegenüber als ernsthafte und entschlossen agierende Gegenspieler begreift, desto eher können auch solche Gespräche gelingen.

Quelle: ntv.de

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